Vermittlerinnen und Vermittler sollten Arbeitskraftschutz mit Rechtsschutz koppeln. Dann können die Kundinnen und Kunden im Ernstfall kostenfrei streiten. Das entlastet die dann kranken Kunden und die Vermittler. Fachanwälte verhelfen zum Recht, wie ein aktueller Fall zeigt, in dem die Allianz Lebensversicherung zur Leistung verurteilt wurde.
Die Botschaft der Branche ist klar: Alles im grünen Bereich, wenn es um eine Rente bei der Berufsunfähigkeits-Versicherung geht! „Die Unternehmen leisten schnell und unkompliziert“, stellte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) anlässlich einer eigenen Erhebung bei Mitgliedsunternehmen fest. Gibt es Ärger, wären dass nur Einzelfälle.
„78 Prozent aller Leistungsanträge in der Berufsunfähigkeitsversicherung werden bewilligt“, behauptet die Versicherungsbranche. Das sei eine hohe Leistungsquote, so der Lobbyverband. Doch Experten sehen solche Aussagen kritisch. „Unklar ist, ob die Zahlungen in vereinbarter Höhe oder erst im Rahmen eines Vergleichs in reduzierter Form erfolgen“, warnt beispielsweise der Versicherungsmakler Gerd Kemnitz aus Stollberg im Erzgebirge. Die Quoten würden zudem nichts darüber aussagen, ob die Leistungspflicht schnell und unbürokratisch oder erst nach jahrelangem Rechtsstreit anerkannt wurde. Zudem schwankt die Quote je nach Versicherer, wie Statistiken der Ratingagentur Morgen & Morgen zeigen.
Gutachter bestätigt Leistungspflicht der Allianz
Und Anwälte berichten immer wieder über Streitfälle. Der Klassiker: Streit um die Berufsunfähigkeitsquote. So hat das Landgericht Passau einer Kundin gegen die Allianz Lebensversicherung Recht gegeben (3 O 727/21). Dies teilte jetzt der Anwalt der Klägerin, Christian Luber, von der Kanzlei L & P Luber Pratsch Rechtsanwälte Partnerschaft mit. Im Streit ging es um 125.000 Euro. Die Klägerin war bis zum Eintritt ihrer Berufsunfähigkeit im Jahr 2020 Controllerin in einem Dax-Unternehmen. Als sie arbeitsunfähig erkrankte und ihr ärztlich die Berufsunfähigkeit bestätigt wurde, wandte sie sich an die Allianz Lebensversicherung und beantragte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Assekuranz war aber der Meinung, dass der notwendige 50-prozentige Arbeitskraftverlust nicht vorliegt. „Ich kam hingegen nach Prüfung des Falls zum Schluss, dass die Leistungsverweigerung rechtsfehlerhaft war“, erläuterte Luber, der Fachanwalt für Versicherungsrecht ist. Zu einer Einigung war die Allianz nicht bereit.
Daher klagte der Anwalt. Im Verfahren stellte der vom Gericht beauftragte Gutachter eindeutig fest, dass die Klägerin berufsunfähig ist und dies aller Voraussicht lebenslang bleiben wird. Das Landgericht Passau verurteilte die Allianz Lebensversicherung daraufhin zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente.
„Das Urteil ist rechtskräftig“ betont Anwalt Luber. „Nach meiner Erfahrung sind die zumeist von Versichererseite beauftragten medizinischen Begutachtungen nur in Ausnahmefällen den Vorgaben der Rechtsprechung entsprechend“, stellt Versicherungsberater Marco Krieter von der KKP Kanzlei aus Bochum fest. So könne man leicht mit geschickter Fragestellung das Ergebnis des Gutachtens beeinflussen. Daher wären viele von Versicherungen beauftragte Gutachten rechtlich erfolgreich angreifbar. Trickreich sei zudem, das Gutachten lange hinauszuzögern.
„Je länger der Zeitpunkt der geltend gemachten BU und die Begutachtung auseinander liegen, desto schwieriger ist es für den medizinischen Gutachter, vergangene Zeiträume sicher zu beurteilen“, erläutert Krieter. Daher sei es gewiss kein Zufall, dass medizinische Gutachten oft erst nach Monaten von den Assekuranzen beauftragt werden.
Regulierung wird kundenfreudlicher
Die Versicherungsmakler Matthias Helberg aus Osnabrück und Sven Hennig aus Bergen auf Rügen, die sich auf Arbeitskraftschutz spezialisiert haben, begleiten ihre Versicherten in aller Regel erfolgreich durch die Schadenregulierung, wie man auf den Homepagen nachlesen kann. Doch der „normale“ Makler, der wenig BU-Verträge im Bestand hat und somit sehr selten einen Schadenfall erlebt, sollte sich Hilfe verschaffen. Ein echter Profi ist beispielsweise der Versicherungsberater Stephan Kaiser, Chef der BU-Expertenservice GmbH. Kaiser bestätigt, dass es bei der BU-Schadenregulierung noch immer „Hardliner“ gibt. Grund sei, dass die Firmenkultur das Regulierungsprozedere wesentlich mitpräge. Er sieht aber – wie Helberg und Hennig – einen „deutlichen Trend zur Kundenorientierung“, wenn es um Schäden geht. Grund sei, dass der Markt hinsichtlich der Produktattraktivität ziemlich ausgereizt ist. Die Versicherer versuchten sich daher über die Schadenregulierung zu profilieren.
Der Doppelschutz ist sinnvoll
Sinnvoll bleibt es aber auch heute noch, für den Streitfall Vorsorge zu treffen. Daher sollten Vermittler ihre Kunden motivieren, schon vor der Antragsstellung zur BU eine Rechtsschutzpolice einzudecken. Das führt zu einer Win-Win-Situation für Kunde und Vermittler. Beide sind für den Ernstfall gewappnet. Der Vermittler kann Experten empfehlen und die Kunden müssen nicht, wie mittellose Erkrankte zum Strohhalm eines Vergleichs greifen oder sogar ganz aufgeben.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek