Beißende Kritik aus Mailand an den neuen Regeln für die Finanzmärkte

In einem Interview in der vom 25. August schimpft der Mailänder Wirtschaftswissenschafler Donato Masciandaro über die nicht gezogenen Lehren aus der Finanzmarktkrise, das Versagen der Bankenaufseher und die mangelende Aussagekraft von Stresstests.
Dies ist ein Blick auf die Bankenlandschaft, die aber auch Rückschlüsse auf die Versicherungslandschaft zulässt. Versicherungsmagazin bringt Auszüge aus dem Interview.

Professor Masciandaro, was sind die wichtigsten Lehren aus der Finanzkrise?
Die wichtigste Erfahrung ist, dass das ganze Finanzsystem verseucht ist, wenn es in der globalen Finanzwelt Grauzonen gibt.

Können Sie dafür eine Beispiel nennen?
Es gibt ein Schattenbankensystem. Die Bilanzierungsregeln der Vereinigten Staaten erlauben Aktivitäten außerhalb der Bilanz. Das gilt für normale Geschäftsbanken, Investmentbanken und Konglomerate wie der Versicherungskonzern . Die können mehr Risiken anhäufen, als ihre Bilanzen abbilden, und damit wachsen die Grauzonen.

Welche Konsequenz wird daraus gezogen?
Weder in Amerika noch in Europa gibt es den erklärten Willen, die Bilanzierungskriterien zu vereinheitlichen. Auch wenn alle von verbesserten Regeln reden, kann man damit weiterhin nicht sehen, wo die Risiken liegen.

Was ist die zweite Erfahrung, aus der wir lernen sollten?
Die Märkte wurden nicht reglementiert. In der Welt gibt es immer mehr Transaktionen, die nicht auf offiziellen Märkten abgewickelt werden. Dann gibt es Finanzinstrument, die wiederum darauf aufbauen. Man weiß gar nicht mehr, was eigentlich passiert, nach welchen Informationen eigentlich gesucht werden sollte. Aus diesem Grund sollten alle Transaktionen auf offiziellen Markten abgewickelt werden.

Wie sehen Sie die Rolle der Ratingagenturen?
Man hat ihnen einfach zu viel Bedeutung beigemessen. Wenn man dem System der Ratingagenturen ihren offiziellen Status wegnimmt, verlieren sie auch ihre Rolle als Megafon der Nachrichten und Unsicherheiten. Es ist schizophren, wenn sich alle über die Ratingagenturen beschweren und dann deren Urteile in das Regelwerk einbauen. Es reicht, die Rolle der Agenturen zurechtzustutzen.

Was halten Sie von den Stresstests?
Das war die falsche Antwort auf ein echtes Problem. Die Aufseher haben (in der Krise) versagt. Normalerweise wechselt man in dieser Situation den Aufseher und ändert die Regeln, doch das ist nicht geschehen. Der Stresstest hat keine Informationen über die Grauzonen zutage gefördert. Er war nur nützlich für diejenigen, die auch um den Stresstest Spekulationsgeschäfte machten.

Gibt es dennoch ein Hoffnungszeichen bei den Reformen der Finanzmärkte?
Die neuen Regeln für die Finanzmärkte in Europa und in Amerika sind miserabel. Es ist zu befürchten, dass man erst nach der nächsten, größeren Finanzkrise lernt. Da ist zu hoffen, dass Europa gleich mit seinem aktuellen Projekt für Veränderungen der Finanzmarktaufsicht scheitert.

Quelle: FAZ; Bild: © Rainer Sturm /





Autor(en): versicherungsmagazin.de

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