Die Präsidentin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Dr. Elke König, nahm beim 30. Münsterischen Versicherungstag am vergangenen Samstag Stellung zu der aktuellen Berichterstattung über die Lage der Lebensversicherung. Das interne Papier des Finanzministeriums, das mit einer Aussage über mögliche künftige Schieflagen einzelner Versicherer für Schlagzeilen gesorgt hatte, enthalte eigentlich "keine dolle Erkenntnis". Es sage lediglich, dass die Versicherungswirtschaft Probleme bekommt, wenn das Niedrigzinsniveau langfristig bestehen bleibt. "Die Aufregung hat uns eher überrascht", meinte sie.
Auf mittlere Sicht sind die Versicherer sicher
König betonte, dass die Versicherer "kurz- bis mittelfristig ihre Verpflichtungen erfüllen können". Allerdings mache ihr schon Sorgen, dass die Europäische Zentralbank mit der Politik des billigen Geldes die Zinsen auf absehbare Zeit künstlich niedrig hält, "sie kauft sich Zeit, aber das ist keine Lösung". Im Gegenteil, "die Versicherer bringt sie in arge Bedrängnis". Dabei gehe es immerhin um mehr als 740 Milliarden Euro Kapitalanlagebestand.
Allerdings verdienen die Versicherer derzeit noch genug Zinsen, dass sie auf einige Jahre hinaus den durchschnittlichen Garantiezins bedienen können. König verwies auf die im vergangenen Jahr eingeführte Zinszusatzreserve als Stabilisierungsmaßnahme. Auch die aktuell beschlossene Rücknahme der Beteiligung der Frühstornierer an den Bewertungsreserven hält sie für richtig, denn die bisherige Regelung "beschleunigt den Renditerückgang".
Rechte verbleibender Kunden beachten
Ausdrücklich wies König darauf hin, "die Versicherungsaufsicht muss darauf achten, dass die Belange des Kollektivs und nicht nur des Einzelnen berücksichtigt werden". In diesem Zusammenhang kritisierte sie auch die jüngsten Urteile des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Rückkaufswerts in der Lebensversicherung. Eine Gleichbehandlung der Kunden kann sie nicht erkennen, wenn "Mittel zugunsten vorzeitig Kündigender abfließen". Die Gerichte sollten ihren Fokus mehr auf Langfristigkeit ausrichten. Der im Auditorium anwesende Rechtsanwalt Joachim Bluhm aus Hamburg, der diese Urteile für die Verbraucherzentrale Hamburg erstritten hat, trat dieser Ansicht in der anschließenden Diskussion erwartungsgemäß vehement entgegen.
Die neuen Rechnungslegungsvorschriften Solvency II verteidigte König als sinnvolles, risiko- und prinzipienbasiertes Aufsichtsregime. Dies sei in einer immer komplexer werdenden Produktwelt notwendig. Aber sie wies auf die "Gefahr der Überzeichnung bei Marktwerten" hin und bestätigte damit die Kritik, wonach eine marktnahe Bewertungspraxis konjunkturelle Schwankungen beschleunigen kann. Die höhere Volatilität führe zu einem "signifikanten Anstieg der Rückstellungen, insbesondere bei sehr langfristigen Versicherungsverträgen".
Start 2016 bis 2017
König listete jedoch verschiedene Maßnahmen und noch laufende Bemühungen auf, mit denen diese unerwünschten Nebenwirkungen der Solvenzvorgaben geglättet werden sollen. Wichtig sei aber für die Aufsicht, dass die gewählten Modelle verständlich bleiben. Dass die Komplexität der Vorgaben beständig steigt, sei auch auf immer neue Detailwünsche der Versicherer mit zurückzuführen. Sie appellierte deshalb an die Branche, mit allgemeiner gehaltenen Prinzipien zu leben und sich stattdessen auf angemessene Anpassungen auf die eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren.
Aufgrund der laufenden Bemühungen, die Auswirkungen von Solvency II besser abschätzen zu können, sei auch eine Verschiebung des Starttermins zu verstehen. König gab an, dass sie einen Start zum 1. Januar 2016, "vielleicht sogar 2017" für realistisch hält.Aber es könne vorher schon ein "Solvency 1,5“"geben, indem Teile bereits vorher eingeführt werden. Die deutschen Versicherer sieht König aufgrund der bereits eingeführten Mindestanforderungen für das Risikomanagement als gut vorbereitet an.
Abkehr von der klassischen, lebenslangen Garantie
Dafür sieht die langjährig erfahrene Versicherungsmanagerin König an anderer Stelle Handlungsbedarf. Sie forderte die Versicherer auf, über Konsequenzen der wohl noch länger andauernden Niedrigzinsen für ihr Geschäftsmodell nachzudenken. Sie müssten neue Produkte entwickeln, ohne dabei den Kerngedanken der Lebensversicherung in Frage zu stellen. König deutete an, dass sie sich eine flexiblere Gestaltung von Garantiezusagen oder auch spezielle Absicherungsstrategien für langfristige Garantien vorstellen kann. "Warten Sie nicht zu lange, machen Sie Ihr Unternehmen heute zukunftsfest.
"Wichtig sei allerdings die Transparenz für den Kunden, betonte sie und kritisierte in diesem Zusammenhang komplexe Produkte wie beispielsweise die Variable Annuities, bei denen die Gefahr besteht, dass "Garantie- gegen Rechtsrisiken" eingetauscht werden. Und sie wies auch darauf hin, dass die Aufsicht "sehr genau hinsehen" werde, "was neue Absicherungsstrategien angeht". Die Vertreter der Versicherungswirtschaft dürfte allerdings ein Bekenntnis gefreut haben: "Die Lebensversicherung ist auch weiterhin gut für Kunden."
Bild: © Rafiki/
Auf mittlere Sicht sind die Versicherer sicher
König betonte, dass die Versicherer "kurz- bis mittelfristig ihre Verpflichtungen erfüllen können". Allerdings mache ihr schon Sorgen, dass die Europäische Zentralbank mit der Politik des billigen Geldes die Zinsen auf absehbare Zeit künstlich niedrig hält, "sie kauft sich Zeit, aber das ist keine Lösung". Im Gegenteil, "die Versicherer bringt sie in arge Bedrängnis". Dabei gehe es immerhin um mehr als 740 Milliarden Euro Kapitalanlagebestand.
Allerdings verdienen die Versicherer derzeit noch genug Zinsen, dass sie auf einige Jahre hinaus den durchschnittlichen Garantiezins bedienen können. König verwies auf die im vergangenen Jahr eingeführte Zinszusatzreserve als Stabilisierungsmaßnahme. Auch die aktuell beschlossene Rücknahme der Beteiligung der Frühstornierer an den Bewertungsreserven hält sie für richtig, denn die bisherige Regelung "beschleunigt den Renditerückgang".
Rechte verbleibender Kunden beachten
Ausdrücklich wies König darauf hin, "die Versicherungsaufsicht muss darauf achten, dass die Belange des Kollektivs und nicht nur des Einzelnen berücksichtigt werden". In diesem Zusammenhang kritisierte sie auch die jüngsten Urteile des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Rückkaufswerts in der Lebensversicherung. Eine Gleichbehandlung der Kunden kann sie nicht erkennen, wenn "Mittel zugunsten vorzeitig Kündigender abfließen". Die Gerichte sollten ihren Fokus mehr auf Langfristigkeit ausrichten. Der im Auditorium anwesende Rechtsanwalt Joachim Bluhm aus Hamburg, der diese Urteile für die Verbraucherzentrale Hamburg erstritten hat, trat dieser Ansicht in der anschließenden Diskussion erwartungsgemäß vehement entgegen.
Die neuen Rechnungslegungsvorschriften Solvency II verteidigte König als sinnvolles, risiko- und prinzipienbasiertes Aufsichtsregime. Dies sei in einer immer komplexer werdenden Produktwelt notwendig. Aber sie wies auf die "Gefahr der Überzeichnung bei Marktwerten" hin und bestätigte damit die Kritik, wonach eine marktnahe Bewertungspraxis konjunkturelle Schwankungen beschleunigen kann. Die höhere Volatilität führe zu einem "signifikanten Anstieg der Rückstellungen, insbesondere bei sehr langfristigen Versicherungsverträgen".
Start 2016 bis 2017
König listete jedoch verschiedene Maßnahmen und noch laufende Bemühungen auf, mit denen diese unerwünschten Nebenwirkungen der Solvenzvorgaben geglättet werden sollen. Wichtig sei aber für die Aufsicht, dass die gewählten Modelle verständlich bleiben. Dass die Komplexität der Vorgaben beständig steigt, sei auch auf immer neue Detailwünsche der Versicherer mit zurückzuführen. Sie appellierte deshalb an die Branche, mit allgemeiner gehaltenen Prinzipien zu leben und sich stattdessen auf angemessene Anpassungen auf die eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren.
Aufgrund der laufenden Bemühungen, die Auswirkungen von Solvency II besser abschätzen zu können, sei auch eine Verschiebung des Starttermins zu verstehen. König gab an, dass sie einen Start zum 1. Januar 2016, "vielleicht sogar 2017" für realistisch hält.Aber es könne vorher schon ein "Solvency 1,5“"geben, indem Teile bereits vorher eingeführt werden. Die deutschen Versicherer sieht König aufgrund der bereits eingeführten Mindestanforderungen für das Risikomanagement als gut vorbereitet an.
Abkehr von der klassischen, lebenslangen Garantie
Dafür sieht die langjährig erfahrene Versicherungsmanagerin König an anderer Stelle Handlungsbedarf. Sie forderte die Versicherer auf, über Konsequenzen der wohl noch länger andauernden Niedrigzinsen für ihr Geschäftsmodell nachzudenken. Sie müssten neue Produkte entwickeln, ohne dabei den Kerngedanken der Lebensversicherung in Frage zu stellen. König deutete an, dass sie sich eine flexiblere Gestaltung von Garantiezusagen oder auch spezielle Absicherungsstrategien für langfristige Garantien vorstellen kann. "Warten Sie nicht zu lange, machen Sie Ihr Unternehmen heute zukunftsfest.
"Wichtig sei allerdings die Transparenz für den Kunden, betonte sie und kritisierte in diesem Zusammenhang komplexe Produkte wie beispielsweise die Variable Annuities, bei denen die Gefahr besteht, dass "Garantie- gegen Rechtsrisiken" eingetauscht werden. Und sie wies auch darauf hin, dass die Aufsicht "sehr genau hinsehen" werde, "was neue Absicherungsstrategien angeht". Die Vertreter der Versicherungswirtschaft dürfte allerdings ein Bekenntnis gefreut haben: "Die Lebensversicherung ist auch weiterhin gut für Kunden."
Bild: © Rafiki/
Autor(en): Matthias Beenken