Das Produkthaftungs- und das Straßenverkehrsgesetz sind wichtige gesetzliche Regelungen für den aktuellen Straßenverkehr. Doch sind diese gesetzlichen Bestimmungen auch noch in Zukunft und für autonome Fahrzeuge der richtige Wegweiser? Ein Kfz-Experte der TH Köln ist dieser Frage nachgegangen.
Autonome Fahrzeuge könnten im Straßenverkehr der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Doch auch eine computergelenkte Steuerung wird Unfälle verursachen. Werden dann die Autohersteller für die Schäden haftbar gemacht? Und ist der Opferschutz ausreichend gewährleistet? Fabian Pütz vom Institut für Versicherungswesen der TH Köln hat das Produkthaftungs- und das Straßenverkehrsgesetz unter diesen Gesichtspunkten untersucht.
Auch bei Unfällen im automatisierten Straßenverkehr muss das Kfz-Versicherungsunternehmen nach dem derzeit geltenden Haftungs- und Versicherungsrecht zunächst die Kosten des Geschädigten begleichen. Wenn allerdings die Ursache des Schadens in der Software des Fahrzeugs begründet ist, könnten diese Kosten über das Produkthaftungsgesetz an den Hersteller weitergegeben werden. „Zwar ist es politisch und gesellschaftlich gewollt, dass der wahre Verursacher eines Unfalls – in diesem Fall der Hersteller – für den Schaden aufkommt. In der aktuellen Rechtslage gibt es allerdings hohe Hürden, die für eine als ‚gerecht‘ empfundene Verteilung der Kosten hinderlich sind“, sagt Pütz.
Software-Updates verändern das automatisierte Fahrzeug ständig
Kfz-Versicherer wären wohl nur dann grundsätzlich interessiert, die Kosten an die Hersteller weiterzugeben, wenn ein Großschadensereignis mit hohen Kosten vorliegt. Doch diverse Ausschlüsse im Produkthaftungsgesetz könnten dies verhindern. So muss laut Gesetz der Defekt bereits zu dem Zeitpunkt vorgelegen haben, an dem der Hersteller das Produkt auf den Markt gebracht hat. Software-Updates verändern das automatisierte Fahrzeug allerdings ständig, so dass die Benennung eines fixen Zeitpunkts des so genannten Inverkehrbringens nicht mehr zielführend ist. Das aktuelle Produkthaftungsgesetz ist nicht ausgerichtet auf Produkte, die permanent verändert werden können.
Zudem kann ein Schadensersatz nach dem Produkthaftungsgesetz nur für Schäden an anderen Sachen eingefordert werden – und diese müssen für den privaten Gebrauch bestimmt sein. „Entsteht durch einen Softwarefehler ein Schaden am eigenen Fahrzeug, an der öffentlich oder gewerblich genutzten Straßeninfrastruktur, an Firmenfahrzeugen oder an Autos des Car-Sharings, können die Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz in seiner derzeitigen Form also nicht haftbar gemacht werden“, erläutert Pütz.
Änderungen am Produkthaftungsrecht sollten überdacht werden
Um eine angemessene Verteilung der Haftungskosten zu erreichen, schlägt Pütz Änderungen am Produkthaftungsrecht vor: Derzeit müssen Hersteller für Personenschäden, die aus demselben Fehler eines Produkt resultieren, nur bis maximal 85 Millionen Euro Schaden haften. Da Serienfehler im Straßenverkehr zukünftig zu einer Vielzahl von Unfällen führen könnten, sei diese Haftungsbeschränkung nicht mehr sachgerecht, meint Pütz.
Verursacht ein Fahrzeug einen Unfall, haftet grundsätzlich der Halter des Fahrzeugs, dies aber nur bis zu einem bestimmten Limit. Hat der Fahrer den Unfall verursacht, haftet er darüber hinaus unbeschränkt. Im Allgemeinen tritt die Kfz- Haftpflichtversicherung mit hohen Summen sowohl für die Kosten des Fahrers als auch für die des Halters ein. Für Unfälle mit kleinen oder mittleren Schäden, die den Großteil der Fälle ausmachen, sieht Pütz den Opferschutz auch im Zeitalter des autonomen Fahrens als gewährleistet an. Anders sehe dies aus, wenn hohe Folgekosten entstünden – etwa weil viele Menschen dauerhafte Behinderungen davon trügen.
Langwierige und teure Prozesse gegen Konzerne für Privatpersonen kaum machbar
.„Wenn in einem automatisierten Fahrzeug der Computer steuert, der Fahrer seiner Kontrollpflicht nachkommt und es trotzdem zu einem Unfall käme, fiele die unlimitierte Haftung des Fahrers weg und die Unfallopfer würden durch den Kfz- Versicherer rechtlich nur bis zur Höhe der limitierten Haftung des Halters entschädigt“, beschreibt Pütz die Problematik. Zwar seien 2017 im Straßenverkehrsgesetz die Höchstbeträge für Personenschäden auf zehn Millionen und für Sachschäden auf zwei Millionen Euro verdoppelt worden, wenn hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktionen beteiligt sind.
„Um die potenziellen Opfer komplett abzusichern, müssten diese Höchstgrenzen aber noch einmal deutlich angehoben werden“, kommentiert Pütz die Lage. Zwar könnten Geschädigte auch direkt die Hersteller verklagen, aber aufwändige, langwierige und teure Prozesse gegen Konzerne seien für Privatpersonen kaum zu führen.
Der Autor
Fabian Pütz ist Mitglied der Forschungsstelle Faris sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Kölner Forschungsstelle Rückversicherung im Institut für Versicherungswesen der TH Köln. Zurzeit arbeitet er an einer kooperativen Promotion in Zusammenarbeit mit der University of Limerick in Irland
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Autor(en): Fabian Pütz, FH Köln