Die deutschen Versicherer fordern beim automatisierten Fahren eine klare Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine. Und ein Urteil des Amtsgerichts Dortmund klärt, dass Autofahrer wieder aktiv werden müssen, wenn ihr Assistenzsystem nicht korrekt funktioniert. Die Details.
„Für den Fahrer eines automatisierten Autos muss jederzeit erkennbar sein, was sein Auto leistet und in welchem Maß sich der Fahrer anderen Dingen widmen darf. Dafür brauchen wir verbindliche Standards – und zwar bevor die Systeme tatsächlich eingeführt werden“, sagte Wolfgang Weiler, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), auf einer Konferenz zum automatisierten und vernetzten Fahren in Berlin.
Damit der Fahrer genug Zeit hat zu reagieren
Während Assistenzsysteme den Fahrer unterstützen und idealerweise auch dafür sorgen, dass er aufmerksam bleibt, sollen automatisierte Autos zumindest zeitweise selbstständig lenken, bremsen und beschleunigen. Der Fahrer kann sich dann auf etwas anderes als den Verkehr konzentrieren. „Dafür müssen die automatisierten Systeme so ausgereift sein, dass der Fahrer nur noch selten eingreifen muss, er in solchen Fällen genug Zeit für eine Reaktion hat und das Auto auch ohne Hilfe des Fahrers sicher zum Stehen kommt“, so Weiler.
Abgelenkte Fahrer brauchen 15 Sekunden, bis sie die Verkehrslage wieder im Griff haben
Auch wenn 90 Prozent aller Unfälle auf Fahrfehlern beruhen, verursacht ein menschlicher Fahrer heute nur alle 2,5 Millionen Kilometer oder alle 180 Jahre einen Unfall mit Verletzten. Wie die Unfallforschung der Versicherer nachgewiesen hat, brauchen abgelenkte Fahrer aber längere Zeit, bis sie nach einer Warnung ihres Autos die Verkehrslage wieder überblicken: Bis zur vollständigen Kontrolle der Situation können bis zu 15 Sekunden vergehen. Die Technik dürfe dem Fahrer daher nicht zu früh Aufgaben abnehmen und gleichzeitig erwarten, dass ein abgelenkter Fahrer innerhalb weniger Sekunden wieder einsatzbereit sei.
Im Hinblick auf die zunehmende Vernetzung moderner Autos sprechen sich die Versicherer dafür aus, die Fahrzeugdaten in die Hände der Fahrer zu legen. Nur damit sei sichergestellt, dass alle Wettbewerber – seien es Autohersteller, Technologiekonzerne, Werkstätten, Automobilclubs oder Versicherer – die gleichen Chancen hätten, ihren Kunden neue Dienstleistungen anzubieten
Keine Kaufpreisminderung möglich, wenn Assistenzsystem nicht richtig reagiert
Von Fahrerassistenzsystemen darf der Fahrer nach dem heutigen Stand der Technik nicht erwarten, dass sie auf alle Besonderheiten der Strecke vorausschauend reagieren. Der Autokäufer kann allenfalls dann Gewährleistungsansprüche geltend machen, wenn das System von sich aus Verkehrsregeln verletzt. Dies hat laut D.A.S. Leistungsservice das Amtsgericht Dortmund entschieden (AG Dortmund, Az. 425 C 9453/17).
Der Fall: Der Kläger hatte einen Neuwagen mit abschaltbarem Fahrassistenz-Paket gekauft. Das System enthielt unter anderem einen Geschwindigkeitslimit-Piloten und einen Bremsassistenten. Es sollte mithilfe einer Frontscheibenkamera Verkehrsschilder erkennen und in Verbindung mit den Kartendaten des Navigationssystems die Geschwindigkeit vorschriftsmäßig regeln. Aus Sicht des Käufers arbeitete das System nicht korrekt. Er kritisierte nicht nachvollziehbares Bremsen und Beschleunigen. Einmal habe das Fahrzeug auf einer Autobahn-Umleitung über ein Raststättengelände das Tempo auf 30 km/h reduziert, obwohl 80 km/h erlaubt waren. In einem Kreisverkehr habe das Auto erst auf 50 km/h beschleunigt, dann sofort wieder auf 20 km/h abgebremst. Er verlangte eine Kaufpreisminderung.
Das Urteil: Das Amtsgericht Dortmund wies die Klage ab. Laut Straßenverkehrsgesetz müsse der Fahrer die Steuerung unverzüglich wieder selbst übernehmen, wenn Assistenzsysteme überfordert seien. Bei hochtechnischen Systemen sei immer mit einer gewissen Fehleranfälligkeit zu rechnen. Es müsse lediglich eine Basissicherheit gewährleistet sein. Dies sei hier der Fall gewesen, da das Auto nie aufgrund der Assistenzsysteme die Verkehrsregeln verletzt habe oder schneller gefahren sei als erlaubt.
Korrekte Geschwindigkeit nicht immer exakt möglich
Da die Navigationssoftware – schon wegen der Datenmenge – nie vollständig und aktuell sein könne, dürfe der Fahrer nicht damit rechnen, dass das System in besonderen Situationen immer die korrekte Geschwindigkeit einstelle. Auch im Kreisverkehr könne der Kunde kein vorausschauendes Fahren erwarten.
Alles in allem sei zu berücksichtigen, dass sich das System noch in der Entwicklung befinde und dass es sich nur um einen Assistenten, nicht aber um autonomes Fahren handle.
Unser Veranstaltungstipp für Sie
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beschäftigen sich mit dem autonomen und (voll-)automatisierten Fahren und veranstalten hierzu
eine hochkarätige internationale Konferenz.
Termin: Vom 2. bis 3. April 2019 in Wiesbaden
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Quellen: GDV, D.A.S. Leistungsservice
Autor(en): Versicherungsmagazin