Die Schaden-/Unfallversicherung hat sich auch im Geschäftsjahr 2020 weiter positiv entwickelt. Hatten zahlreiche Wirtschaftszweige und Branchen unter der weltweiten Corona-Pandemie zu leiden, gehört dieser Versicherungszweig sogar zu den Gewinnern der Krise. Dabei konnte die Sparte nicht nur weiterwachsen, sondern auch die Profitabilität steigern. Zudem ist der Gesamtüberschuss der Branche im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Dies vermeldet die Rating-Agentur Assekurata in ihrem „Marktausblick Schaden-/Unfallversicherung 2021/2022“.
„Noch nie hat es so hohe Überschüsse in der Schaden- und Unfallversicherung gegeben, die Branche hat von den Eindämmungen der Pandemie profitiert“, kommentierte Dennis Wittkamp, leitender Rating-Analyst bei Assekurata, den äußerst positiven Trend in dieser Versicherungssparte.
Neben pandemiebedingt geringeren Schadenaufwendungen profitierten die Versicherer auch von einer vergleichsweise geringen Elementarschadenbelastung, wodurch der versicherungstechnische Gewinn anstieg. So war das vergangene Jahr weniger durch Naturschadenereignisse belastet als die Jahre zuvor.
Positive Auswirkungen auf Schäden, gedämpfte Wachstumsdynamik
Assekurata erwartet auch 2021 branchenweit positive Auswirkungen auf der Schadenseite, bei gleichzeitig gedämpfter Wachstumsdynamik. Analog zu 2020 dürften die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Lockdowns vor allem Industrie- und Gewerbeversicherer treffen, während die Belastungen im Privatkundengeschäft deutlich geringer zu spüren sein werden.
„Die pandemiebedingt verringerte Mobilität hat 2020 zu einem deutlichen Rückgang von Verkehrs-, Sport- und Freizeitunfällen geführt. Zusätzlich haben vergleichsweise geringe Elementarschäden dazu beigetragen, dass die deutschen Schaden-/Unfallversicherer im Geschäftsjahr 2020 den versicherungstechnischen Gewinn deutlich von 5,2 Milliarden Euro auf 7,4 Milliarden Euro steigern konnten“, fasst Wittkamp, auch Fachkoordinator Schaden-/Unfallversicherung der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH, die Ergebnisse zusammen. Dies sei ein erneutes Rekordniveau im Hinblick auf die vergangenen Jahre. Wittkamp wörtlich: „Ìn den letzten zehn Jahren hat es nie derartig hohe Überschüsse gegeben.“
Auch auf der Beitragsseite ist die Branche weiter gewachsen, wenngleich die Einnahmen mit 2,1 Prozent etwas weniger stark anstiegen als im Mittel der vergangenen zehn Jahre (2,9 %). Auf der anderen Seite gingen aber die Versicherungsleistungen von 53,3 Milliarden Euro auf 52 Milliarden Euro zurück. Die Folge: Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote sank von 92,8 Prozent auf rund 90 Prozent, was nach Einschätzung von Assekurata im Vergleich zum Mehrjahresdurchschnitt 2010 bis 2020 (95,7 %) nicht nur einen sehr guten Wert darstellt, sondern „sogar der niedrigste Wert seit zwanzig Jahren ist“.
Wie sich die einzelnen Sparten im Detail entwickelten
Besonders in der Kfz-Sparte ist ein massiver Rückgang der Schadenentwicklung zu erkennen. In erster Linie natürlich durch die Maßnahmen, die zu einer verringerten Mobilität der Bürger geführt hat. Das liefert positive Zahlen für diese Sparte, dagegen ist das Niedrigzinsniveau belastend für die Sparte, erkennbar auch 2021.
In der Wohngebäude-Versicherung steigen die durchschnittlichen Beiträge weiter an. Durch die geringen Elementarschäden, die im vergangenen Jahr angefallen sind, wurde die Sparte gut entlastet. Eine Folge dieser Entwicklung: Nach Ansicht der Analysten wird dies im laufenden Jahr zu Prämienanpassungen führen. Doch Leitungs- und Feuerschäden werden auch in diesem Jahr „konstante Treiber bleiben“.
Als recht problematische Sparte der Schaden-/Unfallversicherung zeigt sich die Rechtsschutz-Versicherung. Bei dieser ist die Schadenbelastung während der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. Folglich hat diese Sparte mit Profitabilitätsproblemen zu kämpfen, dies gilt vor allem für die reinen Rechtsschutzversicherer.
Betriebsschließungsversicherung bleibt Gesprächsthema
Ein viel diskutiertes Thema war 2020 auch die Betriebsschließungsversicherung (BSV) und der Umgang der Versicherer mit dieser. Assekurata ist davon überzeugt, dass die Branche einen enormen Imageschaden erlitten hat „und zwar zu Recht“. Denn die Bedingungen der Versicherer seien einfach zu unkonkret (gewesen), so dass der Kunde kaum habe erkennen können, welche Infektionskrankheiten von dieser abgedeckt seien und welche nicht. So seien viele BSV-Kunden davon ausgegangen, dass bei einer behördlichen Schließung ihres Geschäftes, der Versicherer leiste. Dies sei aber bei vielen Betroffenen nicht der Fall gewesen. Viele Versicherer hätten sich bis dato zwar mit ihren Kunden außergerichtlich – meist über einen Vergleich – geeinigt. Eine Reihe von Verfahren seien aber immer noch nicht abgeschlossen, seien noch nicht entschieden.
Auch die Tatsache, dass die hiesige Rechtsprechung größtenteils im Sinne der Versicherungsunternehmen entschieden hätte, hätte nicht wirklich dazu beigetragen, dass das Image der Versicherungsanbieter ramponiert sei. Um den Imageschaden der Branche doch noch einzudämmen und für die Zukunft besser gerüstet zu sein, fordern die Kölner Analysten deshalb, dass die Versicherer klare Ein- und Ausschlüsse formulieren sollten sowie einfachere und für den Kunden verständlichere Musterbedingungen geschaffen werden müssten. Es müsse künftig für alle Beteiligten klar erkennbar sein, ob eine derartige Pandemie noch versicherbar ist oder nicht und ob es alternative Lösungen für dieses Dilemma geben kann.
Cyber-Attacken treiben Nachfrage nach Schutz nach oben
Auch bei der Cyber-Versicherung werde das Problem der Versicherbarkeit immer augenscheinlicher, so dass die Versicherungsbranche hier baldmöglichst klare Regelungen und Definitionen finden müsse. Denn die durch Cyber-Attacken ausgelösten Schäden haben 2020 stark zugenommen, vor allem dadurch, dass viele Menschen im Homeoffice arbeite(te)n und sich die Angriffsmöglichkeiten von Cyber-Kriminellen erhöhten.
Das Bewusstsein der Menschen, sich mit einer Versicherung gegen derartige Attacken zu schützen, sei gestiegen und zeige sich auch in vielen Neuabschlüssen. Der hohen Nachfrage nach diesen Policen stünden aber begrenzte Kapazitäten gegenüber. Eine mögliche Folge für die Branche: Die Profitabilität der Versicherer leidet. Doch trotzdem ist der Cyber-Markt ein Wachstumsmarkt. So zeigte sich Wittkamp überzeugt, dass „weitere Deckungsanpassungen zu erwarten sind“, beispielsweise für das Problemfeld „Lösegeldzahlungen“, denn die Branche würde sich immer mehr zum „Kümmerer“ mausern.
Am Thema Nachhaltigkeit kommt kein Versicherer vorbei
Dass Unternehmen, eben auch Versicherer nachhaltig agieren, ist immer mehr Kunden wichtig. Das zeigt auch eine aktuelle Assekurata-Untersuchung zum Thema Nachhaltigkeit. So ist rund 25 Prozent der befragten Versicherungskunden „wichtig“, dass ihr Anbieter nachhaltige Produkte und Services anbietet. Gut 32 Prozent der Menschen ist dies „eher wichtig“. Nur (noch) 4,6 Prozent der Kunden findet diesen Aspekt „unwichtig. Aus dieser Studie schlussfolgert Reiner Will, Geschäftsführer von Assekurata, dass „nachhaltiges Wirtschaft die Maxime der Zukunft“ sein wird, die diesbezüglichen „Anforderungen von Seiten der Gesetzgeber steigen werden“ und sich „jede Wirtschaftsaktivität am Faktor Nachhaltigkeit messen lassen werden muss“.
Als Positiv-Beispiel führt Assekurata die Munich Re an. Diese hat sich auf die Fahnen geschrieben, folgende Branchen und Industriezweige nicht mehr zu versichern: Neubauten von Kohlekraftwerken, Einrichtungen zur Ölsandgewinnung sowie Produzenten von Streubomben und Landminen.
Welche Entwicklungen sich fürs laufende Jahr 2021 abzeichnen
Und wie schätzt Assekurata das laufende (Geschäfts-)Jahr ein? Da die Mobilität der Menschen weiterhin gedrosselt ist, sei auch für 2021 mit einem erneut gedämpften Schadenvolumen zu rechnen. Und für die Kunden bedeutet dies wahrscheinlich weitere erfreuliche Beitragssenkungen. Eine steigende Nachfrage verzeichnen die Analysten dagegen nach E-Fahrzeugen und Telematik-Tarifen. Bei den Versicherungen für E-Fahrzeuge würden Will und Wittkamp aber „eine höhere Transparenz der versicherten Leistungsinhalte begrüßen“. Für den Telematik-Markt erkennen die beiden Branchenexperten gute Wachstumschancen. Aktuell gäbe es circa 500.000 Policen im Markt, wobei gut 85 Prozent von Allianz und Huk-Coburg abgedeckt werden. Und bis zum Jahr 2025 kann nach Einschätzung der Kölner Analysten locker mit einer Million Telematik-Verträgen gerechnet werden.
Autor(en): Meris Neininger