Soziale Netzwerke haben eine neue Ära der personifizierten Kommunikation eingeleitet. Die Marketing-Abteilungen der Versicherungsbranche tun sich dabei noch schwer, doch allmählich kommt auch hier frischer Wind auf.
Medienunternehmen agieren naturgemäß am Puls der Zeit und auch in Branchen wie etwa der Modeindustrie gehört es zum Geschäftsmodell, aktuelle Trends zu bedienen. Der Sprung in soziale Plattformen lag für die meisten Vertreter dieser Sektoren daher nicht nur nahe. Vielmehr wurde die Kommunikation dem Duktus der neuen Kanäle angepasst, der sich grundlegend von klassischen Medien unterscheidet.
Denn im Gegensatz zu Fernsehen, Radio & Co. sind die Sozialen Medien aus der Kommunikation und Vernetzung privater Einzelpersonen geboren. Unternehmen, die ihre externe Kommunikation jahrzehntelang bewusst losgelöst von Personen aufsetzten, stoßen auf sozialen Plattformen deshalb an ihre Genzen. "Die Zeiten, als lediglich Geschäftsführung und Presseabteilungen nach außen ein Unternehmen repräsentierten, sind vorbei", meint auch Thomas Heindl, Leiter für Marketing und Unternehmenskommunikation der Lebensversicherung von 1871 a.G. München.
Menschen vertrauen anderen Menschen mehr als Marken
Die bayerische Versicherungsgesellschaft ist sich sicher, dass Menschen anderen Menschen mehr vertrauen als abstrakten Marken. Aus diesem Grund setzt das Unternehmen in Zukunft auf rund 20 unternehmenseigene Multiplikatoren aus unterschiedlichen Bereichen, die auf ihren privaten Social-Media-Kanälen firmenrelevante Beiträge erstellen. Die Corporate Influencer bloggen auf dem Portal Medium, teilen ihr Fachwissen auf Linkedin oder berichten in Echtzeit über Events der LV 1871.
Alle Inhalte lassen sich gebündelt auf einer digitalen Social Wall verfolgen, wie das Unternehmen berichtet. Durch eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werde die Unternehmenskommunikation nun authentischer und emotionaler, heißt es. Gleichzeitig besteht das Ziel darin, externe Meinungen nach Innen zu tragen. Damit legt die Versicherung kanalübergreifend wichtige Grundsteine für ein neues, modernes Image.
Endlich kommt Bewegung in die Digitalstrategien der Versicherer
Darüber hinaus erleichtert sich die LV 1871 aktiv ihren Transformationsprozess hin zu einem digitalen Unternehmen. Für Bernhard Rudolf, Chefredakteur der Springer-Fachzeitschrift Versicherungsmagazin, kommt damit endlich Bewegung in die Digitalstrategien von Versicherern: "Viele Unternehmen der Branche haben lange gezögert, auf den Zug aufzuspringen. Ob digital unterstützte Servicetools oder Fachexpertise auf Social-Media-Kanälen, es bewegt sich was, wie die Beispiele der Zurich-Tochter DA Direkt oder der Lebensversicherung von 1871 a. G. München (LV 1871) zeigen. Die Branche nimmt die Digitalisierung endlich ernst und beginnt, deren Chancen zu nutzen", so Rudolf.
Corporate Influencer sind bei dieser Entwicklung der Schlüssel: "Im Change-Prozess selbst bleiben sie erste Ansprechpartner, halten die Begeisterung aufrecht und sorgen dafür, dass die Kommunikation nicht auf der Strecke bleibt", erklären die Springer-Autoren Annett Bergk und Paula Slomian im Buchkapitel "Corporate Influencer: Warum der Geschäftsführer nicht immer die Hauptrolle spielen muss". Der anvisierte Markenaufbau wird allerdings in erster Linie langfristig gesehen Früchte tragen.
Denn während Lifestyle-Unternehmen verhältnismäßig schnell eine Fan-Gemeinde von beachtlicher Größe akquirieren können, haben es Versicherer grundsätzlich schwerer, in Social- Media-Netzwerken Fuß zu fassen. Negative User-Bewertungen und -Kommentare trüben das Online-Ansehen. Auch hier geben Corporate Influencer möglicherweise neue Impulse. "Menschen können aus erster Hand erfahren, wie es ist, für dieses oder jenes Unternehmen zu arbeiten, welche Gesichter hinter den Schlagzeilen und Vorurteilen stecken, was sie bewegt und wie die Geschichte aus ihrer Perspektive aussieht", meint Springer-Autorin Tijen Onaran im Buchkapitel "Werde sichtbar! Oder: Warum es sich lohnt, zum Corporate Influencer zu werden".
Ganzheitliche Transformation nötig
Ganz ohne Anleitung in Form einer Policy durch die Unternehmensführung sollten Corporate Influencer jedoch nicht agieren dürfen, damit es nicht zu Image schädigender Kommunikation für den Betrieb kommt. Zusätzlich sollte die personifizierte Kommunikation auf ganzheitlicher Ebene Einzug erhalten, um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Neben der Marketing-Kommunikation ist so etwa auch der Service gefragt, die neue Marschrichtung mitzugehen. Die Deutsche Allgemeine Versicherungen DA Direkt beispielsweise bietet ihren Kunden künftig Echtzeit-Informationen zum individuellen Status der Schadenbearbeitung an. Ergänzend steht ein fester, persönlicher Berater zur Verfügung.
Auch die Signal Iduna will mit ihrem Programm "Vision 2023" aktuellen Kundenwünschen besser gerecht werden. "Der Markt und das Kundenverhalten ändern sich rasant. Darauf stellen wir uns ein, indem wir nicht nur Produkte, sondern Lösungen für unsere Kunden entwickeln", erläutert der Vorsitzende der Vorstände, Ulrich Leitermann. Nach Angaben des Unternehmens flossen 2018 bereits 20 Millionen Euro in das Transformationsprogramm.
Autor(en): Johanna Leitherer