Assekuranz auf dem Prüfstand

Um eine gerechte Beteiligung der Versicherten an Überschüssen und stillen Reserven, die Lebensversicherer aus den Beitragszahlungen erwirtschaften, geht es in Beschwerden, mit denen sich das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen muss. Geklagt hat der Bund der Versicherten (BdV), der vor allem mangelnde Transparenz moniert.

„Die Versicherten müssen wissen, wie viel Geld ihnen aus Überschüssen ihrer Lebensversicherung zusteht“, kritisiert BdV-Geschäftsführerin Lilo Blunck. Nachdem die Überschussbeteiligungs-Modalitäten der Lebensversicherer schon länger ins Gerede gekommen sind (siehe beispielsweise unerlaubte Ungleichbehandlung bei Neu- und Altkunden) sind die Chefs der führenden Versicherungsgruppen nicht glücklich mit drei anhängigen Verfassungsbeschwerden, über die in Karlsruhe mündlich verhandelt wird.

Die Beschwerdeführer wollen im Namen von Versicherten erreichen, dass unter anderem die Berechnungsgrundlage und die Auszahlungen der Überschussbeteiligungen transparent werden.

Besonders drei Gesellschaften sehen mit Unruhe den möglichen Richterspruch entgegen: Deutscher Herold, Gothaer und R+V.

Schon sechzehn Jahre zurück liegt der Fall, an dem Versicherte des Deutschen Herolds Anstoß nehmen. Die Verfassungsbeschwerde bezieht sich auf Bestandsübertragungen im Jahr 1988. Damals waren Vermögenswerte und ein deutlicher Teil der stillen Reserven beim Lebensversicherer geblieben, von dem die Bestände weg übertragen wurden. Hier melden Versicherte immer noch Ansprüche an.

Weiteren Konfliktstoff bereitet die Umwandlung der R+V Leben vom Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) in eine Aktiengesellschaft (AG). Auch hier monieren Versicherte, dass ihnen wegen der Veränderung der Rechtsform finanzielle Beteiligungen in größerem Ausmaß verloren gegangen seien.

Die Gothaer Lebensversicherung, deren Unternehmensform ebenfalls nach Übertragung des VVaG innerhalb des Gothaer Konzerns in eine AG gewandelt wurde, steht in der Kritik. Die Versicherten beklagen eine zu niedrigere Gewinnbeteiligung.

Brisanz: System wird in Frage gestellt
Die Brisanz in allen drei Fällen ist groß. Die Branche fürchtet, dass mit dem fälligen Spruch aus Karlsruhe das gesamte System der Überschuss- und Gewinn-Beteiligungen der Lebensversicherer über den Haufen geworfen werden könnte. Bisher genießen sie größere Freiheiten bei der Aufteilung ihrer stillen Reserven sowie der Zumessung für Versicherte und Aktionäre.

Nach dem Versuch einiger Lebensversicherer im letzten Jahr, im Zuge sinkender Garantiezinsen auch Alt- und Neukunden bei der Überschussbeteiligung unterschiedlich zu begünstigen wird jetzt von Seiten der Verbraucherschützer bemängelt, dass alle LV-Kunden in gleicher Höhe an den Gewinnen der Lebensversicherer beteiligt werden. Dabei hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erst in diesem Jahr festgestellt, dass es diesbezüglich keine Unterschiede zwischen Alt- und Neukunden geben dürfe.

Die Verfassungsrichter werden voraussichtlicht erst Anfang 2005 ein Urteil fällen, doch schon jetzt gehen Insider davon aus, dass die beklagten Unternehmen ungeschoren davon kommen und nicht etwa nachträglich weitere Ausschüttungen an ihre Versicherten leisten müssen.

Praktisch gar nicht durchführbar
Praktisch wäre ein entsprechender Richterspruch gar nicht zu berechnen und zu realisieren, weil mit den Börsenturbulenzen von 2000 bis 2003 die stillen Reserven bei nahezu allen Gesellschaften erheblich geschmolzen waren. Die meisten sind heute froh, große Teile der damals entstandenen stillen Lasten wieder abgebaut zu haben. Die Gothaer beispielsweise, die heute noch stille Lasten in ihren Büchern ausweist, würde sicherlich nachträgliche Ausschüttungs-Verpflichtungen nicht so ohne weiteres wegstecken können, vermuten Branchenkenner.

Ob die Verfassungsbeschwerden dazu angetan sind, den Gesetzgeber zu neuen gesetzlichen Regelungen in Sachen Gewinn- und Überschussbeteiligung zu veranlassen, wird für möglich gehalten. Derzeit steht ohnehin eine Novelle des Versicherungs-Vertrags-Gesetzes (VVG) an.

Die Verfassungsrichter stellten nämlich auch die Gretchenfrage, weshalb die deutlich transparenteren Regeln der Riester-Rente mit einer erkennbaren Differenzierung zwischen Kosten und Risikoschutz sowie der entsprechenden Verteilung der Vertriebskosten auf mehrere Jahre nicht auch für Kapital-Lebensversicherungen gelten könnten.

Autor(en): Marianne Storck

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