In den vergangenen Monaten ist viel über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Versicherungsbranche geschrieben worden. Und ja, es hat Umsatzrückgänge gegeben, insbesondere bei Versicherungsmaklern brachen die Zahlen teils dramatisch ein, was eine Umfrage der Forschungsgruppe g/d/p belegt. Dennoch, der ganz große Knall ist ausgeblieben und die Stimmung in der Branche ist optimistisch. In einer Befragung von englischen Versicherern und MGAs (Assekuradeuren) durch Clyde&Co über die Zukunft von MGAs gab die Mehrheit der Befragten an, dass die negativen Folgen der Corona-Krise lediglich von kurzer Dauer sein werden und immerhin noch 38 Prozent sahen eine positive oder keine Auswirkung auf ihre Erträge.
Natürlich lassen sich die Aussagen der befragten englischen MGAs nicht zu 100 Prozent auf den deutschen Markt übertragen, insbesondere deshalb, da es so viele unterschiedliche und spezialisierte Assekuradeure gibt. Allerdings stechen einige Themen hervor, deren künftige Relevanz sich auch in Deutschland abzeichnet und der wahrscheinlich den Großteil der MGAs betrifft. Schwerpunkte sind dabei die Kooperation mit Risikoträgern und die fortschreitende Digitalisierung der Versicherungsindustrie. In beiden Bereichen geben jeweils über zwei Drittel der befragten Firmen an, dass sie Veränderungen und Neuerungen erwarten.
Neue Perspektiven entlang einer modularen Wertschöpfungskette
Der größte Teil der Versicherer als auch der MGAs geht für 2021 davon aus, dass die geschlossenen Partnerschaften stabil bleiben und neue Kooperationen eingegangen werden. In Hinblick auf neue Kooperationen ist es jedoch fraglich, ob die oftmals komplette Abbildung der Wertschöpfungskette -abgesehen von der Übernahme des Risikos und der Leistungserbringung im Schadenfall - bei einem MGA in einer immer stärker digitalisierten Umgebung noch zeitgemäß und wirtschaftlich ist.
Besonders die Bereiche Produktkreation und -administration sollte von MGAs überdacht werden. Versicherer hingegen sollten mehr Flexibilität in Sachen Schadenbearbeitung und/oder Customer-Service zulassen, denn gerade dieser Bereich wird oftmals nicht aus der Hand gegeben. Warum lohnt sich für MGAs speziell ein Umdenken im Bereich Produkt und eine Kooperation mit Insurtechs, die über eine eigene Versicherungslizenz verfügen?
Rechtssicher handeln mit den richtigen digitalen Prozessen
Viele MGAs sind auf Produkte spezialisiert, die nicht dem Standard entsprechen und exponierte Risiken beinhalten. Hier ist es schwierig Versicherer zur Zusammenarbeit zu überzeugen, da in diesem Bereich oftmals keine Kapazitäten oder Bereitschaft vorhanden sind, Produkte schnell zu entwickeln oder anzupassen. Insbesondere für kleinere Volumina, die für viele etablierte Versicherer irrelevant sind. Anders liegt der Fall bei Insurtechs, die genau den Bereich der Produktkreation komplett digitalisiert haben und Produkte in kurzer Zeit passgenau und kosteneffizient gemeinsam mit dem MGA zuschneiden können - selbst für spitze Zielgruppen. Eine saubere, digitale und kosteneffiziente Anbindung für den Assekuradeur über proprietäre APIs oder Standards wie Bipro gehört zu einem solchen Prozess natürlich hinzu.
Dies ist zugegeben eine andere Herangehensweise, da MGAs hier die Differenzierung des Produkts gemeinsam mit dem Insurtechs erzielen. Dadurch wird jedoch Kapazität freigesetzt, die auf andere Geschäftsbereiche verwendet werden kann. Denn die immer stärkere Regulierung (IDD, IFSR, GDPR etc.) stellt in der Assekuranz ein zunehmendes Risiko dar, speziell für Nischenprodukte von MGAs. Bei den richtigen digitalen Prozessen wird automatisiert rechtskonform agiert und dokumentiert.
Quid pro Quo
Insurtechs profitieren in diesem Szenario ebenfalls durch die genannten Punkte, da sie sich vollkommen auf den digitalen Prozess konzentrieren können und sich nicht mit der Distribution des Produkts beschäftigen müssen. Hier kann ferner die Schadenbearbeitung und der Customer-Service an MGAs abgegeben werden, da diese Experten für Kundenschnittstellen sind. Zudem kann die Risikoberechnung anhand von Datenmodellierung in Echtzeit für zugeschnittene Produkte verfeinert werden. Außerdem können aus den gewonnenen Daten künftige Produkte entwickelt werden, die wiederum dem passenden MGA zur Verfügung gestellt werden – eine sehr komfortable quit-pro-quo-Situation.
Eine derartige Kooperation funktioniert vorzugsweise dann gut, wenn das Insurtech nur im Hintergrund agiert, White-Label-Produkte anbietet und keine Endkundenschnittstelle benötigt. Damit läuft der Assekuradeur keine Gefahr, dass sein Geschäftsmodell durch den Risikoträger kannibalisiert wird. Es ist kein Geheimnis, dass Element ein solches Geschäftsmodell verfolgt, aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Markt, auch andere Unternehmen haben diesen Weg eingeschlagen.
Vorteil Unabhängigkeit
Es liegt auf der Hand: Digitale Produkte bieten mehr als nur einen genauen Zuschnitt auf etwaige Zielgruppen oder die Entwicklung von Nischenprodukten. Sie bieten Unabhängigkeit, denn zum einen fällt der Konkurrenzdruck durch das A/O-Geschäft der üblichen Risikoträger weg und zum anderen stärken sie die Wahrnehmung eines MGAs als Eigenmarke.
Darüber hinaus lassen sich digitale Produkte einfacher an veränderte Gegebenheiten anpassen, und dies sowohl für die Endkundenseite als auch in Hinblick auf Pricing-Strukturen. Kooperation und Digitalisierung schließen sich also nicht aus, sondern mit dem richtigen Partner lässt sich ein zukunftsfähiges Modell aufbauen, dass mehr Flexibilität verspricht, als noch vor wenigen Jahren denkbar war.
Autor(en): Tim Kaltofen, VP Solutions ELEMENT Insurance AG