Der Markt für Arbeitskraftschutzist zwiegespalten. Verzweifelt versuchen die Assekuranz und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), den Eindruck zu erwecken, es sei alles in Butter. Zudem gibt es immer neue Produkte unterhalb der Berufsunfähigkeits- Versicherung (BUV). Diese kommen mittlerweile bei einem großen Teil der Vermittler immer besser an.
Aktuell hat der Verband neue Daten zur Annahmequote veröffentlicht. "Geht nicht, gibt’s (fast) nicht: 75 Prozent aller Kunden werden ohne Wenn und Aber aufgenommen", heißt es in der Mitteilung. Nur vier Prozent aller Anträge auf Berufsunfähigkeitsschutz blieben ohne ein Versicherungsangebot. Wie schon in der Vergangenheit hat der Verband bei einer Mitglieder-Umfrage auf Basis der Daten von 2015 lediglich die gestellten Anträge den bewilligten Anträgen gegenübergestellt.
Chancenlose Anträge werden nicht eingereicht
Anonyme Voranfragen spielen keine Rolle. Tatsächlich dürfte die wirkliche Quote viel tiefer liegen. Zum einen fehlen in der aktuellen Umfrage des GDV 23,2 Prozent des Marktes. Möglich, dass sich Hardliner nicht in die Karten schauen lassen wollen. Mit anonymen Voranfragen wollen Versicherungsmakler vorab prüfen, ob und zu welchen Bedingungen eine Annahmechance besteht.Zudem soll der Kunde nicht sofort im Hinweis- und Informationssystem (HIS) der Versicherer landen. Die GDV-Statistik ist in der Realität kaum haltbar.
"Chancenlose Anträge reichen wir gar nicht erst ein", sagt Versicherungsmakler Matthias Helberg. Solche Erkenntnisse gewinnen die Vermittler eben durch anonyme Voranfragen. Somit stellen Kunden, die wegen Vorerkrankung oder nur wegen ihres Berufes mit einer hohen Prämie oder vielen Ausschlüssen rechnen müssen, oft gar keinen Antrag mehr. Sie tauchen folglich in keiner Statistik auf. Daher heißt es auch beim Ratinghaus Franke & Bornberg aus Hannover: "Die Zahlen mögen richtig sein, laut unserer Umfrage zeigen sie jedoch nur die halbe Wahrheit. Viele Kunden mit Vorerkrankungen werden bereits während der Erstberatung oder nach einer Risikovoranfrage beim Versicherer vor der eigentlichen Antragstellung ausgesteuert."
Körperlich Tätige sind ungeliebte Risiken
Überhaupt nicht thematisiert wird zudem, ob die Kunden - auch die 75 Prozent - einen bezahlbaren Versicherungsschutz erhalten haben. Das dürfte nicht der Fall sein. Denn weiterhin zählen Handwerker und körperlich Tätige allzu oft zu den ungeliebten Risiken der Versicherer. "Sie leiden ganz besonders unter der starken Prämienspreizung und müssen häufig mehr als das Vierfache im Vergleich zu den Akademikern zahlen", stellt Franke & Bornberg fest.
Dieses Dilemma will nun ausgerechnet ein kleiner Versicherer beenden. "Münchener Verein bringt bezahlbare Berufsunfähigkeits- Versicherung für Handwerker auf den Markt" titelt das Unternehmen in einer Mitteilung Anfang Juni 2018. Die "Deutsche Handwerker Berufsunfähigkeits- Versicherung" sei mit ihren zwei Vorsorgevarianten für viele Berufe im Handwerk "für wenig Geld" zu haben. "Die Aktiv-Variante ist dabei besonders geeignet für Berufe mit überwiegend körperlichen Tätigkeiten", so der Vorstandsvorsitzende Rainer Reitzler. Das hört sich gut an. Doch auf Nachfrage zeigt sich, dass die Aktiv-Variante eine stark abgespeckte BUV ist. Sie zahlt nämlich nur dann voll, wenn der Handwerker einen Unfall hatte oder sein Bewegungsapparat beeinträchtigt ist. Andernfalls gibt es nur die halbe BUV-Rente.
Musterrechnung macht Vergleich möglich
Wir haben analog einer Musterrechnung des Münchener Vereins über den Online-Vergleichsrechner des Versicherungsmaklers Gerd Kemnitz aus Stollberg die BUV für einen Kfz-Techniker erhoben. Erstes Fazit: Der volle BUV-Schutz ist im Markt mit hohen Leistungen preiswerter zu haben als der erheblich abgespeckte Tarif des Münchener Vereins. So zahlt die Continentale im Tarif Premium-BU bei einem BU-Grad von 50 Prozent die volle Rente.
Beim Tarif Aktiv des Münchener Vereins, dessen Nettoprämie fast fünf Euro pro Monat teurer ist, gibt es bei schweren Erkrankungen oder Burn-out nur die halbe Rente und das gilt nur, wenn der BU-Grad 75 Prozent erreicht. Wer als Handwerker ordentlich bis zum 67. Lebensjahr versichert sein will, muss einen Aufschlag von 68 Prozent zahlen. Das zeigt: Günstiger BUV-Schutz ist weiterhin illusorisch. Bürokaufleute scheiden meist deutlich besser ab. Der Spread zwischen Brutto- und Nettoprämie ist aber möglicherweise beim Tarif der Continentale schon zu hoch. Vollkommen "unmöglich" ist er bei der Interrisk.
Wer künftig BUV-Schutz berät, sollte aus Haftungsgründen auch das Konfliktpotenzial eines großen Spreads zwischen Netto- und Bruttoprämie seinen Kunden deutlich vor Augen führen. Grund: Vor allem die Ende 2017 angekündigte Beitragserhöhung der WWK-Versicherung - zum Teil um bis zu 40 Prozent - hat die Branche verunsichert.
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Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek