Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Rechtsschutz deutlich beschleunigt. Im vergangenen Jahr konnte die Düsseldorfer Arag Versicherung in Deutschland rund 80.000 neue Käufer gewinnen. Gleichzeitig hatten erheblich mehr Kunden Rechtsprobleme.
1,2 Millionen Mal unterstützte der Rechtsschutzversicherer seine Kunden weltweit. Ein Plus von vier Prozent. In Deutschland stiegen die Leistungsfälle sogar um 16 Prozent auf mehr als 556.000. Rund 33.000 Streitfälle weltweit waren direkte Folge der Corona-Pandemie. Dafür leistete die Arag 20 Millionen Euro Kostenschutz. „Rechtsschutz ist ein Krisenprodukt“, sagte Arag-Vorstandschef Renko Dirksen bei der Vorstellung der Bilanz für 2020 in einer Online-Konferenz. Die Arag ist nach Allianz, Ergo, Roland die Nummer vier im Rechtsschutzmarkt.
Geringes Kapitalergebnis kein Krisenzeichen
Von Krise sei aber bei der Arag selbst nichts zu spüren. Die Beitragseinnahmen des Gesamtkonzerns stiegen 2020 um 86 Millionen Euro oder 4,8 Prozent auf 1,85 Milliarden Euro. Der Sach- und Krankenversicherer profitiert von der Digitalisierung und davon, dass er schon 2017 seinen Lebensversicherungsbestand verkauft hat. Das versicherungstechnische Ergebnis verbesserte sich um 13,8 Prozent auf 112,0 Millionen Euro. Laut Dirksen wäre auch die Halbierung des Kapitalanlagenergebnis des Konzerns auf 78,5 Millionen Euro „kein Kriseneffekt“, sondern resultiere daraus, dass 2019 das Kapitalergebnisse durch Sondereffekte doppelt so hoch ausgefallen wäre. Dennoch beeinflussen die deutlich geringeren Kapitaleinkünfte in 2020 auch den Jahresüberschuss, der mit 38,2 Millionen Euro um fast 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr geringer ausfiel.
Klarer Angriff auf deutsches Anwaltsmonopol
Erstmals griff die Arag das deutsche Anwaltsmonopol vehement an. Im internationalen Vergleich wären Verbraucher hier deutlich schlechter gestellt. Die Assekuranz fordert daher eine Beendigung „unnötiger Monopole“. „In Deutschland gilt das Anwaltsmonopol für den außergerichtlichen und gerichtlichen Bereich. Demgegenüber können wir beispielsweise in Spanien, Norwegen und den Niederlanden Kunden ihre Rechtsfragen sofort am Telefon beantworten“, erläuterte Dirksen. Erste Schritte für einen einfacheren Rechtsservice sieht der Arag-Chef in der Reform des Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Danach können sich so genannte Legal Techs nun als Inkassodienstleister registrieren lassen.
Uno postuliert Rechtzugang für jeden
Bestärkt in ihrer Forderung eines noch einfacheren Zugangs zum Recht sieht sich die Assekuranz dadurch, dass dies Teil der Nachhaltigkeitsdiskussion sei. „Nachhaltige Entwicklungen sind dann erfolgreich, wenn sie transparent verlaufen, die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe eröffnen und einforderbare Rechte bieten“, so Dirksen. Längst habe die UNO festgeschrieben, dass „allen Menschen freier Zugang zur Justiz“ gewährt werden müsse. Das würde aber für rund 50 Prozent der Menschen, die in Deutschland keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, noch nicht gelten. Im Streitfall würden dann viele wegen der hohen Kosten nicht um ihr Recht kämpfen.
Daher bietet die Arag seit einigen Jahren den Verkehrs- und Mietrechtsschutz "Sofort" an. Beide Tarife können noch abgeschlossen werden, wenn der Schaden bereits passiert ist. Sie sind aber deutlich teurer und nur als Dreijahresvertrag erhältlich. Bis heute wurden von den innovativen Policen über 30.000 Stück verkauft.
Prozess allein auf Basis eines Erfolgshonorars finanzieren
„Ein solcher Rückwärtsschutz ist aber nur für einfach und ähnlich gelagerte Streitigkeiten möglich“, sagte Arag-Vorstand Matthias Maslaton. Der Kampf um den Schadenersatz nach einem ärztlichen Kunstfehler könne so nicht abgesichert werden. Daher will die Arag politisch weiter dafür werben, dass Rechtsschutzversicherer ihren Kunden künftig einen Direktservice anbieten dürfen. Ein Modell wäre es, wenn wie im Ausland, ein Prozess allein auf Basis eines Erfolgshonorars finanziert werden könnte.
Boom bei der PKV
Große Erfolge vermeldet die Arag in der Krankenversicherung. Es gebe einen regelrechten Boom bei der Vollkostenversicherung. Das Geschäft wuchs deutlich um 9,4 Prozent auf 430 Millionen Euro. „Wir konnten 2020 insgesamt rund 8.000 neue Privatpatienten gewinnen“, sagte Maslaton. Die Nachfrage halte unverändert an. Im ersten Quartal 2021 seien weitere 3.000 Vollversicherte hinzugekommen – soviel wie im ganzen Jahr 2019. „Unsere neuen Tarife kamen in dem Moment, wo durch Corona das Bewusstsein für mehr Gesundheit deutlich gestiegen ist“, schätzt der Vertriebsvorstand.
Der sehr positive Geschäftsverlauf setzt sich bei der Arag im Jahr 2021 fort. Die Beitragseinnahmen stiegen im ersten Quartal um 7,4 Prozent auf 575,8 Millionen Euro. Das sei der historisch beste Jahresbeginn. Auf dem deutschen Markt stiegen die Einnahmen um 7,3 Prozent. Das Rechtsschutzgeschäft verbuchte hier ein Plus von 6,9 Prozent. Dabei handelt es sich um viel echtes Neugeschäft. Die Mehreinnahmen wären in 2020 und 2021 im Rechtsschutzgeschäft nur in geringem Umfang von Beitragserhöhungen beeinflusst worden.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek