„Die Bundestagswahl wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden, eine zähe Partie“. So die vorherrschende Meinung bei der Experten-Runde der Continentale Versicherung. Der CDU-Politiker und Diskussionsteilnehmer Wolfgang Bosbach ging sogar soweit, dass er unkte, dass Angela Merkel dieses Jahr nochmals die Weihnachtsansprache halten muss, da sich drei Monate nach der Bundestagswahl die Koalitionäre noch nicht auf eine gemeinsame Richtung geeinigt haben.
Der Krankenversicherer „Die Continentale“ hatte seine Vermittler und weitere Interessenten zu einer Online-Diskussionsrunde geladen. Gut 540 Personen waren der Einladung gefolgt und verfolgten am (heimischen) Rechner die recht lebhafte, aber doch etwas einseitige Diskussion zur „Gesundheits- und Altersvorsorge im Spannungsfeld der Bundestagswahl“. Fakten wollte die Runde liefern, einen möglichen Ausblick auf das Kommende geben und zeigen, welche Vertriebspotenziale für Makler und Vermittler in diesem politischen Umfeld noch zu finden sind.
PKV ein wichtiger Pfeiler des deutschen Gesundheitssystems
Im Einzelnen wurde vor allem diskutiert über die Entwicklung der Gesundheitspolitik in Deutschland, welche Vorteile die private Krankenversicherung gegenüber der gesetzlichen bietet, ob die Pflegereform wirklich in die richtige Richtung geht, ob es nun doch eine Bürgerversicherung geben wird oder die Riester-Rente wirklich ein Flop ist, wie von vielen Seiten behauptet.
Dass die private Krankenversicherung (PKV) ein wichtiger Pfeiler des deutschen Gesundheitssystems ist, darüber waren sich die Branchen- und politischen Vertreter natürlich einig, auch weil keine kritische Stimme aus dem GKV- oder Verbraucherschutz-Lager auf dem Podium vertreten war. Auf diesem standen und diskutierten: Professor Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom der Universität Duisburg-Essen, Manfred Bauer, bei MLP SE verantwortlich für „Produkte und Services“, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach sowie als Continentale-Gastgeber Helmut Hofmeier, der den Kranken- und Lebensversicherungszweig des Versicherers lenkt.
Deutsche Anbieter haben sehr guten Leistungskatalog
Welche – wissenschaftlichen – Fakten für die Existenz der PKV sprechen würden, listete Wasem gleich zu Beginn der eineinhalbstündigen Veranstaltung auf und verglich dabei die deutsche Struktur mit anderen Systemen in Europa. So attestierte er den privaten deutschen Anbietern einen sehr guten Leistungskatalog, lobte, dass über diese der Zugang zu technischen Innovationen schnell möglich sei und dass die Vertrauensbasis zwischen Kunde/Patient und Anbieter gut sei. Schlechter schneide das deutsche System im europäischen Vergleich aber bei der Überlebensrate der Patienten ab, unter anderem nach einem Herzinfarkt.
Wasem gab aber auch zu bedenken, dass diese technischen Innovationen und der medizinische Fortschritt die Gesundheitsversorgung verteuern wird, so dass die private, aber auch die gesetzliche Krankenversicherung künftig „ein Finanzierungsproblem haben wird“. Vor allem die neueren Gentherapien könnten hier die Kosten ordentlich nach oben treiben.
Hohe Zufriedenheit mit dem deutschen Gesundheitssystem
Auch die zahlreichen Teilnehmer des Online-Talks zeigten in einer Kurzbefragung, dass sie das deutsche Gesundheitssystem in seiner aktuellen Form als das richtige erachten. So gaben 39 Prozent der Befragten an, dass sie das System als „sehr gut“ empfinden, 38 Prozent vergaben noch die Note „gut“ und sprachen sich damit auch indirekt gegen eine Bürgerversicherung aus.
Diese wird wieder eine mögliche Option, wenn sich die politische Gewichtung nach der Bundestagswahl nach links verschieben wird, so die Befürchtung der PKV-Branche und ihrer Vertreter wie auch der Continentale Versicherung.
Kunden und Berater weichen Pflegethema oft aus
Wenig zufrieden zeigten sich die Branchenkenner auf dem Podium auch mit der aktuellen Pflegereform. So monierte der CDU-Mann Bosbach, dass „diese mit heißer Nadel gestrickt“ sei, lenkte aber ein, dass immerhin das Konzept beschlossen worden sei, welches mehrheitsfähig gewesen sei. Auch der Vertriebsexperte Bauer von MLP kritisierte die fehlenden politischen Impulse bei der Reform der privaten und betrieblichen Pflegeversicherung. Er sieht aber auch andere Probleme, mit denen dieser Sektor zu kämpfen hat. Kunden und Berater würden das ungeliebte Thema Pflege oft verdrängen, erst wenn der Berater den ersten Schritt wage und das Thema Pflege gegenüber dem Kunden anspreche, würde dieser sich dafür öffnen und signalisieren, dass er hier baldmöglichst aktiv werde. O-Ton Bauer: „Die Pflegereform kostet sehr viel Geld und eine private Vorsorge ist und wird hier unumgänglich“.
Finanzvertrieb bleibt auch in Zukunft wichtig
Bauer zeigte sich in der Expertenrunde grundsätzlich enttäuscht, wie der Finanzvertrieb in der Öffentlichkeit eingeschätzt wird. Sein Kommentar dazu: „Ich würde mich freuen, wenn man uns mehr Vertrauen entgegenbringen und uns nicht immer unter Generalverdacht stellen würde“. Er sowie seine Kolleginnen und Kollegen würden tagtäglich einen guten Job machen und „mit den Menschen ringen“, um ihnen zu vermitteln, wie wichtig eine private Altersvorsorge sei. Trotz aller Widerstände sei er aber davon überzeugt, dass „die Rolle des Finanzvertriebes auch in Zukunft wichtig bleibt“.
Der Finanzvertrieb habe in der Corona-Pandemie auch seine Beweglichkeit bewiesen und stark auf digitale Prozesse gesetzt. „Corona war ein digitaler Booster, sowohl auf Kunden- als auch Beraterseite.“ Wie wichtig digitale Formate seien, hätten die vergangenen Monate verdeutlicht und müssten weiterhin situativ angewendet werden. Weltfremd sei aber zu glauben oder zu propagieren, dass es künftig keine persönliche Beratung mehr geben werde. O-Ton Bauer: „Ich glaube an den Wert der persönlichen Beratung“.
Lange Koalitionsverhandlungen befürchtet
In einer finalen Fragerunde wurde das Publikum nach seiner Einschätzung zur politischen Konstellation nach dem 26. September gefragt, diverse Möglichkeiten standen zur Auswahl, vor allem Konstellationen mit drei Parteien. So schätzten zum Beispiel 31 Prozent der Befragten, dass die nächste Regierungskoalition rot-gelb-rot sein wird, 27 Prozent vermuten eine Jamaika-Koalition (schwarz-gelb-grün) und nur neun Prozent denken, dass eine schwarz-rotes Zweierbündnis weiter/wieder an der Macht sein wird.
Aber bis alle Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, alle – faulen – Kompromisse geschlossen sind, jede(r) sein Plätzchen gefunden hat, kann es etliche Wochen dauern, wie von Bosbach gemutmaßt. Vielleicht schreibt ja die Noch-Kanzlerin schon an ihrer Weihnachtsrede 2021.
Autor(en): Meris Neininger