In 20 Jahren ist jeder fünfte Neurentner von Altersarmut bedroht. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor, die großes Aufsehen erregt hat.
So titelte etwa die Rheinische Post „Armutsrisiko im Alter nimmt stark zu“, der MDR „Vielen Frauen droht Altersarmut“ oder die Deutsche Presse Agentur „Nicht genug Geld zum Leben“. Als armutsgefährdet werden Rentner eingestuft, deren monatliches Netto-Einkommen unter 958 Euro liegt. Voraussichtlich sieben Prozent der Neurentner werden demnach in 20 Jahren auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, weil ihr Einkommen nicht für den Lebensunterhalt reicht.
Insbesondere alleinstehende Frauen, Niedrig-Qualifizierte und Langzeitarbeitslose sind gefährdet. So steigt der Anteil der alleinstehenden Frauen, die von staatlichen Leistungen abhängig werden, weil ihr Einkommen nicht fürs Leben reicht, von heute rund 16 auf knapp 28 Prozent im Jahr 2036 an. Stark von Altersarmut bedroht sind auch so genannte Solo-Selbständige im Alter zwischen 45 und 64 Jahren. Von ihnen zahlen nur 38 Prozent Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein.
Horrormeldungen unrealistisch
Eine Analyse der Süddeutschen Zeitung, die sich neben der Bertelsmann-Studie mit Berechnungen des Pestel-Instituts und der Versicherungsberatungsgesellschaft Vers auseinandersetzt, zeigt, dass Behauptungen, die Altersarmut würde bald die Hälfte oder ein Drittel der Bevölkerung erreichen, oft auf sehr einseitigen Annahmen beruhen. So würden Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung oder Rentnerhaushaltsgemeinschaften ausgeblendet und eine jahrlangen Nullrunde bei der Steigerung der gesetzlichen Rente unterstellt.
Reformvorschläge kritisch zu betrachten
Sehr problematisch ist es nach Aussagen der Forscher, der drohenden Altersarmut mit Reformen zu Leibe zu rücken. Teilerfolge könnten laut der Studie mit der Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur ergänzenden bAV sowie durch die Abschaffung der Rentenabschläge bei vorzeitigem Bezug einer Erwerbsminderungsrente erzielt werden. Demgegenüber versprechen sich die Forscher wenig Wirkung auf die besonders Betroffenen durch eine Stabilisierung des Rentenniveaus. „Auch die Einführung von Freibeträgen für zusätzliche private und betriebliche Altersvorsorge bei der Bedarfsprüfung im System der Grundsicherung im Alter führt im Ergebnis kaum zu nennenswerten Effekten, da viele der Haushalte mit Grundsicherungsbezug zu weit von der relativen Armutsschwelle von 958 Euro im Monat entfernt sind“, so die Autoren.
DIA setzt auf Riester
Daher fordert das von der Deutschen Bank getragene Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) auf eine Anrechnung der Riester-Rente bei Bezug der Grundsicherung ganz zu verzichten, um diese „Sparfalle“ zu vermeiden. Zudem sollte das Fördersystem radikal vereinfacht und „Scheinselbstständige“ in die Riester-Förderung aufgenommen werden. Außerdem sollte die Mindestgarantie ganz abgeschafft werden, um in Zeiten der Niedrigzinsen die Rendite der ergänzenden privaten Altersvorsorge zu verbessern.
Ein Teufelskreis könnte nach Meinung des DIA bei Migranten und Kindern aus einkommensschwachem Elternhäusern durchbrochen werden, wenn es gelänge, die Schulabbrecherquote zu verringern. Auch für alleinerziehende Mütter, die extrem von Altersarmut bedroht sind, hat die DIA einen Reformvorschlag. Mehr Krippenplätze und Ganztagesschulen könnten dafür sorgen, dass die Unterbrechungen der Erwerbsphasen geringer werden.
Stabile Ehe: hoher Schutz vor Altersarmut
Noch einfacher ist der Vorschlag eines Leserbriefschreibers zum MDR-Beitrag. Er verweist darauf, dass eine stabile Ehe noch immer ein hoher Schutz vor Altersarmut bedeutet. „Eine Wohnung mit einer Miete und den Nebenkosten wird von beiden Ehepartnern finanziert. Verstirbt ein Ehepartner, so erhält der Verbleibende eine Witwen- beziehungsweise Witwerrente. Dadurch wird auch bei kleineren Renten eine Altersarmut verhindert und im Extremfall gemildert.“ Das sei trivial aber realistisch.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek