Ärger wegen Erwin und anderer Winterstürme

Tiefe Spuren hinterließen die jüngsten Winterstürme in Nordeuropa in den Bilanzen der Rückversicherer. Mit 50 bis 100 Millionen Euro Belastung rechnet Stefan Heyd, Konzernvorstand der Münchener Rück. Etwa die gleiche Höhe, mit welcher der weltweit größten Rückversicherer, der in München ansässig ist, für die Tsunami-Katastrophe in Asien belastet werde.

Die Hannover Rück wird mit Schadenleistungen „im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“ davon kommen, teilt die Nummer vier der Branche in Hannover mit. Erwin und die anderen Winterstürme der letzten Wochen machen Ärger.

Es gab Tote und Verletzte bei den jüngsten Orkan-Unwettern in Nordeuropa, aber zum Glück im sehr niedrigen zweistelligen Bereich. Anders als bei den schrecklichen Seebeben-Auswirkungen in Südostasien, bei denen inzwischen über 160.000 Tote zu beklagen sind, mussten im Norden nur wenige Schaden an Leib und Seele verkraften. Dafür raste Sturm Erwin aber mit satten 200 Stundenkilometern und mehr auch über die Nordsee-Insel Sylt und weite Teile Norddeutschlands hinweg.

Stefan Heyd betonte die Diskrepanz beim Vergleich der materiellen Schadenhöhe zwischen dem Jahrhundert-Tsunami und Orkan Erwin und verwies auf die annähernd gleiche finanziellen Versicherungs-Belastungen von bis zu 100 Millionen Euro bei beiden Natur-Katastrophen.

Flutwelle oder Erdbeben in Megastädten
In einem Pressegespräch teilte der Münchener Rück-Chef mit, dass sich sein Konzern intensiv mit der Frage auseinandersetze, was passieren könnte, wenn eine Flutwelle oder ein Erdbeben im Bereich einer Großstadt wüten würde. „Die Risiken durch natur, Technik und Terrorismus sind für Megastädte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern immens gestiegen“, ergänzte dazu Peter Höppe als Leiter der Geo-Risiko-Forschung im Hause der Münchener Rück.

Die Risiken durch Naturkatastrophen werden beim größten Rückversicherer der Welt in einer Spezialabteilung mit eigenen Verfahren ermittelt und bewertet. Höppe betonte, dass die Verstädterung – vor allen in den Entwicklungsländern – sich zu einem der größten Probleme dieses Jahrhunderts auswachse.

Gefährliche Vernetzung
Ähnlich gefährlich stehe es um die weltweite Vernetzung und Globalisierung, die neue Risiken kreiere. Dies stelle ernorme Anforderungen an die Versicherungswirtschaft, wenn sie mögliche Szenarien simulieren und erstellen wolle. Man stoße immer wieder an die Grenzen des Möglichen bei der Risiko-Vorsorge.

Selbst die größten Versicherer – weltweit – müssten passen, wenn es um die Komplett-Absicherung aller Schäden durch Naturkatastrophen gehe. Deshalb sei „die Begrenzung der Haftung unverzichtbar“.

Höchstes Risiko
Die Versicherungs-Experten in Sachen Geo-Risiko in München berichteten, dass die japanische Hauptstadt Tokio bei weitem das höchste Naturkatastrophen-Risiko berge. Versicherer dort sehen nur einen einzigen Ausweg aus einer finanziell nicht messbaren Verpflichtung, in dem sie Haftungs-Begrenzungen und Haftungs-Ausschlüsse schaffen. So würde ein starkes Erdbeben in Tokio die Münchener Rück dank dieser Limitierung mit höchstens 3 Milliarden Euro belasten. Das gleiche gelte für eine solche Katastrophe in San Franzisko in den USA.

Stefan Heyd berichtete, dass die teuerste Naturkatastrophe das Erdbeben in Kobe/Japan im Jahr 1995 darstellte. Damals sei ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 100 Milliarden Euro entstanden. Vergleichsweise niedrig sei die Belastung für die Versicherungsbranche mit besagten 3 Milliarden Euro gewesen.

60 Prozent der Vertragsabschlüsse
Zum Tagesgeschäft der Münchener Rück teilte Heyd mit, dass die Erneuerungsrunde mit rund 60 Prozent der Vertragsabschlüsse des gesamten Jahresgeschäft im Schaden/Unfallbereich für sein Unternehmen mit insgesamt stabilen Preisen und einem ebenso festen Prämienvolumen bewältigt worden sei. „Wir hab en eine insgesamt konstante Preissituation vorgefunden. Alle Verträge, die wir erneuert haben, konnten wir nach unseren Rentabilitätsvorgaben gestalten.“

Der Konzern wird nach ersten Hochrechnungen einen Gewinn von 1,8 bis zwei Milliarden Euro im Jahr 2004 einfahren. Wegen der schrecklichen Flutkatastrophe in Südostasien müsse man diese Annahmen nicht ändern.

Autor(en): Ellen Bocquel

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