Abschlussprüfung
1. Begriff: Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer. Versicherungsunternehmen haben unabhängig von ihrer Größe und Rechtsform ihren Jahresabschluss und Lagebericht sowie ihren Konzernabschluss und Konzernlagebericht durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen.
2. Ziele und Funktionen: Ziel der Abschlussprüfung ist es, die Verlässlichkeit der in Jahresabschluss und Lagebericht enthaltenen Informationen zu bestätigen (Prüfungsaussage) und insoweit deren Glaubhaftigkeit zu erhöhen. Die Verlässlichkeit dieser Informationen schließt auch deren Ordnungsmäßigkeit ein. Hauptfunktionen der Abschlussprüfung sind a) die Garantenfunktion gegenüber der Öffentlichkeit (Gewährleistung der Vertrauenswürdigkeit der Jahresabschlussinformationen gegenüber der Öffentlichkeit);
b) die Unterstützungsfunktion gegenüber dem Aufsichtsrat (Unterstützung des Aufsichtsrats bei der Überwachung der Geschäftsführung und Abschlussprüfung als Teil der Corporate Governance);
c) die Beratungsfunktion für das Management (Beratung des Managements in Fragen der Rechnungslegung und Risikoüberwachung) unter Berücksichtigung der Trennung von Prüfung und Beratung. Eine Abschlussprüfung ist darauf auszurichten, dass die Prüfungsaussagen mit hinreichender Sicherheit getroffen werden können. Zu diesem Zweck wird das Risiko der Abgabe eines positiven Prüfungsurteils trotz vorhandener Fehler in der Rechnungslegung (sog. Prüfungsrisiko) auf ein akzeptables Maß reduziert. Hat keine vorgeschriebene Jahresabschlussprüfung stattgefunden, kann ein Jahresabschluss nicht festgestellt werden; hat keine Konzernabschlussprüfung stattgefunden, kann ein Konzernabschluss nicht gebilligt werden.
3. Merkmale: Zulassung als Abschlussprüfer: Abschlussprüfer bei Versicherungsunternehmen können ausschließlich Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein (keine vereidigten Buchprüfer oder Buchprüfungsgesellschaften). Ausschlussgründe für die Bestellung eines Abschlussprüfers ergeben sich aus der Verletzung der Unabhängigkeit bspw. wegen geschäftlicher, finanzieller oder persönlichen Beziehungen (§ 319 HGB); weitere strengere Ausschlussgründe gibt es nach § 319a HGB für kapitalmarktorientierte Unternehmen.
4. Auftragserteilung und Rolle der Aufsichtsbehörde: Die Auftragserteilung für die Abschlussprüfung erfolgt durch den Aufsichtsrat und nicht durch den Vorstand. Der Abschlussprüfer ist der Aufsichtsbehörde unverzüglich durch den Vorstand anzuzeigen. Bei Bedenken kann diese die Bestellung eines anderen Abschlussprüfers verlangen bzw. selbst bestimmen. Unberührt von den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen bleiben die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten der Ablehnung des Abschlussprüfers nach § 318 III HGB.
5. Prüfungsbericht: Der Abschlussprüfer hat in einem schriftlichen Prüfungsbericht über die Art und den Umfang sowie über das Ergebnis der Prüfung mit der gebotenen Klarheit Stellung zu nehmen. Um den grundsätzlichen Informationsbedürfnissen gerecht zu werden, kommen dem Prüfungsbericht drei wesentliche Funktion zu: Mitteilung der Feststellungen und des Prüfungsergebnisses, Begründung des Prüfungsergebnisses sowie Nachweis der Erfüllung des Prüfungsauftrags. Der Vorstand eines Versicherungsunternehmens hat den Prüfungsbericht mit seinen Bemerkungen und denen des Aufsichtsrats unverzüglich nach der Feststellung der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Aufsichtsbehörde kann den Bericht mit dem Abschlussprüfer erörtern und bei Bedarf Ergänzungen der Prüfung und des Berichts auf Kosten des Versicherungsunternehmens veranlassen.
6. Formelles Prüfungsergebnis: Das formelle Ergebnis der Prüfung ist der Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB. Der Bestätigungsvermerk enthält ein klar und schriftlich zu formulierendes Gesamturteil über das Ergebnis der nach geltenden Berufsgrundsätzen pflichtgemäß durchgeführten Prüfung (IDW PS 400). Er hat Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung zu beschreiben und dabei die angewandten Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze anzugeben.
7. Rechtliche Grundlagen: a) Allgemeine handelsrechtliche Regelungen nach den §§ 316–324a HGB sowie § 341k HGB.
b) Aufsichtsrechtliche Regelungen nach den §§ 35–39 VAG.
c) Weiterhin müssen bei der Durchführung der Prüfung die allgemeinen und insbesondere branchenspezifischen berufsüblichen Standards beachtet werden. Hierzu zählen die Veröffentlichungen des Versicherungsfachausschusses (VFA) des IDW, daneben besitzen die International Standards on Auditing (ISA) der International Federation of Accountants (IFAC) eine Ausstrahlungswirkung auf die deutsche Abschlussprüfung.
8. Besonderheiten bei Versicherungsunternehmen: Nach § 35 II VAG hat der Prüfer die Solvabilitätsübersicht auf Einzel und Gruppenebene zu prüfen und über das Ergebnis gesondert zu berichten. Die in § 61 RechVersV beschriebenen Versicherungsunternehmen können von der Prüfungspflicht – und damit von der Anwendung des § 341k HGB sowie der §§ 316 bis 324a HGB – befreit werden. Befreiungen von den aufsichtsrechtlichen Vorgaben nach §§ 36 und 37 VAG können sich für öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, die der Landesaufsicht unterliegen, sowie für kleinere VVaG ergeben (§§ 38 II bzw. 37 VI i.V.m. § 36 II VAG).
Autor(en): Dr. Frank Ellenbürger, Dr. Joachim Kölschbach