OLG Frankfurt/Main: Urteil vom 05.07.2006, 7 U 68/05
Das Urteil des OLG Frankfurt/Main behandelt ein Thema, das derzeit in aller Munde ist. Die Brisanz dieses Themas wird durch das Inkrafttreten des Vermittlungsgesetzes noch verstärkt: Die Verpflichtung des Maklers zur fortlaufenden Betreuung des vermittelten Versicherungsvertrages und die aus einer solchen Verpflichtung resultierenden Haftungsrisiken für den Makler.
Der BGH hatte dazu in seinen Entscheidungen vom 20.01.2005 und 19.05.2005 klargestellt, dass der formularmäßige Ausschluss sämtlicher Beratungs- und Betreuungspflichten in einem Maklervertrag unwirksam ist. Konkret entscheidungserheblich waren in diesen höchstrichterlichen Urteilen allerdings die Beratungspflichten vor und bei Vermittlung des Vertrages. Das OLG Frankfurt/Main hatte sich jedoch mit dem Vorwurf der Verletzung von Betreuungspflichten nach Zustandekommen des Versicherungsvertrages auseinander zu setzen:
I. Das Problem
Der Makler hatte an die Eigentümerin einer Industriehalle eine Gebäudeversicherung vermittelt. Nach einem Mieterwechsel lagerten die neuen Mieter in einem Teil der Halle Gewerbemüll, der in Brand geriet. Durch den Brand entstanden erhebliche Schäden an der Industriehalle. Die Versicherung lehnte eine Entschädigungsleistung ab. Sie vertrat die Auffassung, sie sei leistungsfrei geworden, weil ihr die als Gefahrerhöhung anzusehende teilweise Nutzungsänderung nicht angezeigt worden sei.
Die Versicherungsnehmerin verklagte daraufhin den Makler auf Ersatz des Schadens in Höhe von über € 186.000,00. Sie behauptete, der Makler habe Kenntnis über den Mieterwechsel und die Nutzungsänderung gehabt. Er sei aufgrund des Maklervertrages verpflichtet gewesen, für einen fortbestehenden wirksamen Versicherungsschutz zu sorgen und die Klägerin auf die Anzeigepflicht hinsichtlich der Gefahrerhöhung hinzuweisen. Diese Pflicht habe der Makler schuldhaft verletzt.
II. Die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main
Das LG Hanau hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Diese Klagabweisung wurde vom OLG Frankfurt/Main bestätigt:
Das Gericht nahm zwar an, dass durch schlüssiges Handeln ein mündlicher Maklervertrag zwischen den Parteien zustande gekommen war. Eine Verpflichtung des Maklers zur permanenten Betreuung, insbesondere zur Überwachung auf entstandene Deckungslücken, sah das Gericht jedoch nicht als Inhalt dieses Maklervertrages an:
Eine solche Pflicht sei zunächst nicht ausdrücklich vereinbart worden. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn der Makler während der Laufzeit des Versicherungsvertrages Betreuungsprovisionen erhalte. Das habe die Klägerin im konkreten Fall indes nicht nachgewiesen.
Auch die vereinzelten Tätigkeiten des Maklers im Rahmen der Abwicklung eines früheren Schadens ließen aufgrund ihres geringen Umfangs nicht darauf schließen, dass der Makler eine Betreuungspflicht übernommen habe.
Ohne entsprechende Vereinbarung schulde der Makler keine permanente Betreuung des Versicherungsvertrages. Zwar werde der Makler im Rahmen des Abschlusses des Versicherungsvertrages als treuhänderischer Sachwalter des Kunden tätig. Dies lasse aber nicht den Schluss darauf zu, dass der damit begründete Pflichtenkatalog während des Zeitraums der vermittelten Versicherung fortdauere. Ein solcher Schluss - permanente Betreuung - erscheine vielmehr nur dann angezeigt, wenn
- dem Makler die Vertragsverwaltung - etwa in Form eines Beitragseinzugs - übertragen worden ist, oder
- der Makler eine Betreuungsprovision als Gegenleistung für diese aufwändige und haftungsträchtige Tätigkeit erhält.
Auch ohne Betreuungspflicht hätte das Gericht allerdings eine Hinweispflicht des Maklers bejaht, wenn die Versicherungsnehmerin nachgewiesen hätte, dass der Makler Kenntnis von der Nutzungsänderung gehabt hätte. Hierfür war die Versicherungsnehmerin jedoch beweisfällig geblieben.
III. Praxisfolgen
Das Urteil des OLG Frankfurt/Main ist ein wichtiger Orientierungspunkt bei der Beantwortung der Fragen,
- wie weit die Betreuungspflicht des Maklers reicht und damit
- ob eine Haftung des Maklers nach Abschluss des vermittelten Versicherungsvertrages gegeben ist.
Das Urteil aus Frankfurt macht deutlich, dass es dafür unter anderem entscheidend darauf ankommt, ob der Makler eine fortlaufende Betreuungscourtage erhält, und zwar unabhängig vom "Schuldner" der Courtage (Bruttopolicenmodell = Zahlung durch den Versicherer Prämie enthält Courtage; Nettopolicenmodell = Zahlung unmittelbar durch den Versicherungsnehmer).
Im konkreten Fall war streitig, ob der Makler eine solche Betreuungscourtage erhalten hatte. Dies deutet auf ein generelles Problem des Versicherungsnehmers im Gerichtsverfahren hin: Erhält der Makler seine Courtage vom Versicherer (Bruttopolice), weiß der Kunde derzeit oft nicht, wie hoch diese Vergütung ist und wofür sie gezahlt wird. In der Praxis ist es bislang weithin unüblich, dass der Makler dem Kunden Art und Zusammensetzung seiner Courtage erläutert.
Ein Makler, der allerdings tatsächlich Betreuungscourtage vom Versicherer bekommen hat, sollte sich im Prozess nicht darauf zurückziehen, eine entsprechende Behauptung des Versicherungsnehmers pauschal zu bestreiten. Kommt die Zahlung von Betreuungscourtage nämlich auf anderem Wege ans Licht, könnte dem Makler ein strafbarer Prozessbetrug vorgeworfen werden.
Erhält der Makler Kenntnis von risikoerhöhenden Umständen, ist unabhängig vom Vergütungsmodell stets unverzügliches Handeln angesagt!
Die Urteile
- des OLG Frankfurt vom 05.07.2006, 7 U 68/05
- des BGH vom 19.05.2005, III ZR 322/04 sowie vom 20.01.2005, III ZR 251/04
- sowie das als so genanntes „Sachwalterurteil“ bekannte und auch heute noch sehr lesenswerte Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 22.05.1985, IV a ZR 190/83 zur Maklerhaftung
finden Sie im Volltext unter .
Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel & Wurdack - Anwaltskanzlei für Vertriebsrecht -, Herzberger Landstraße 48, 37085 Göttingen, Tel.: +49 (0)551 / 49 99 6 - 0, Fax: +49 (0)551 / 49 99 6 - 99, kanzlei@vertriebsrecht.de
Das Urteil des OLG Frankfurt/Main behandelt ein Thema, das derzeit in aller Munde ist. Die Brisanz dieses Themas wird durch das Inkrafttreten des Vermittlungsgesetzes noch verstärkt: Die Verpflichtung des Maklers zur fortlaufenden Betreuung des vermittelten Versicherungsvertrages und die aus einer solchen Verpflichtung resultierenden Haftungsrisiken für den Makler.
Der BGH hatte dazu in seinen Entscheidungen vom 20.01.2005 und 19.05.2005 klargestellt, dass der formularmäßige Ausschluss sämtlicher Beratungs- und Betreuungspflichten in einem Maklervertrag unwirksam ist. Konkret entscheidungserheblich waren in diesen höchstrichterlichen Urteilen allerdings die Beratungspflichten vor und bei Vermittlung des Vertrages. Das OLG Frankfurt/Main hatte sich jedoch mit dem Vorwurf der Verletzung von Betreuungspflichten nach Zustandekommen des Versicherungsvertrages auseinander zu setzen:
I. Das Problem
Der Makler hatte an die Eigentümerin einer Industriehalle eine Gebäudeversicherung vermittelt. Nach einem Mieterwechsel lagerten die neuen Mieter in einem Teil der Halle Gewerbemüll, der in Brand geriet. Durch den Brand entstanden erhebliche Schäden an der Industriehalle. Die Versicherung lehnte eine Entschädigungsleistung ab. Sie vertrat die Auffassung, sie sei leistungsfrei geworden, weil ihr die als Gefahrerhöhung anzusehende teilweise Nutzungsänderung nicht angezeigt worden sei.
Die Versicherungsnehmerin verklagte daraufhin den Makler auf Ersatz des Schadens in Höhe von über € 186.000,00. Sie behauptete, der Makler habe Kenntnis über den Mieterwechsel und die Nutzungsänderung gehabt. Er sei aufgrund des Maklervertrages verpflichtet gewesen, für einen fortbestehenden wirksamen Versicherungsschutz zu sorgen und die Klägerin auf die Anzeigepflicht hinsichtlich der Gefahrerhöhung hinzuweisen. Diese Pflicht habe der Makler schuldhaft verletzt.
II. Die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main
Das LG Hanau hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Diese Klagabweisung wurde vom OLG Frankfurt/Main bestätigt:
Das Gericht nahm zwar an, dass durch schlüssiges Handeln ein mündlicher Maklervertrag zwischen den Parteien zustande gekommen war. Eine Verpflichtung des Maklers zur permanenten Betreuung, insbesondere zur Überwachung auf entstandene Deckungslücken, sah das Gericht jedoch nicht als Inhalt dieses Maklervertrages an:
Eine solche Pflicht sei zunächst nicht ausdrücklich vereinbart worden. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn der Makler während der Laufzeit des Versicherungsvertrages Betreuungsprovisionen erhalte. Das habe die Klägerin im konkreten Fall indes nicht nachgewiesen.
Auch die vereinzelten Tätigkeiten des Maklers im Rahmen der Abwicklung eines früheren Schadens ließen aufgrund ihres geringen Umfangs nicht darauf schließen, dass der Makler eine Betreuungspflicht übernommen habe.
Ohne entsprechende Vereinbarung schulde der Makler keine permanente Betreuung des Versicherungsvertrages. Zwar werde der Makler im Rahmen des Abschlusses des Versicherungsvertrages als treuhänderischer Sachwalter des Kunden tätig. Dies lasse aber nicht den Schluss darauf zu, dass der damit begründete Pflichtenkatalog während des Zeitraums der vermittelten Versicherung fortdauere. Ein solcher Schluss - permanente Betreuung - erscheine vielmehr nur dann angezeigt, wenn
- dem Makler die Vertragsverwaltung - etwa in Form eines Beitragseinzugs - übertragen worden ist, oder
- der Makler eine Betreuungsprovision als Gegenleistung für diese aufwändige und haftungsträchtige Tätigkeit erhält.
Auch ohne Betreuungspflicht hätte das Gericht allerdings eine Hinweispflicht des Maklers bejaht, wenn die Versicherungsnehmerin nachgewiesen hätte, dass der Makler Kenntnis von der Nutzungsänderung gehabt hätte. Hierfür war die Versicherungsnehmerin jedoch beweisfällig geblieben.
III. Praxisfolgen
Das Urteil des OLG Frankfurt/Main ist ein wichtiger Orientierungspunkt bei der Beantwortung der Fragen,
- wie weit die Betreuungspflicht des Maklers reicht und damit
- ob eine Haftung des Maklers nach Abschluss des vermittelten Versicherungsvertrages gegeben ist.
Das Urteil aus Frankfurt macht deutlich, dass es dafür unter anderem entscheidend darauf ankommt, ob der Makler eine fortlaufende Betreuungscourtage erhält, und zwar unabhängig vom "Schuldner" der Courtage (Bruttopolicenmodell = Zahlung durch den Versicherer Prämie enthält Courtage; Nettopolicenmodell = Zahlung unmittelbar durch den Versicherungsnehmer).
Im konkreten Fall war streitig, ob der Makler eine solche Betreuungscourtage erhalten hatte. Dies deutet auf ein generelles Problem des Versicherungsnehmers im Gerichtsverfahren hin: Erhält der Makler seine Courtage vom Versicherer (Bruttopolice), weiß der Kunde derzeit oft nicht, wie hoch diese Vergütung ist und wofür sie gezahlt wird. In der Praxis ist es bislang weithin unüblich, dass der Makler dem Kunden Art und Zusammensetzung seiner Courtage erläutert.
Ein Makler, der allerdings tatsächlich Betreuungscourtage vom Versicherer bekommen hat, sollte sich im Prozess nicht darauf zurückziehen, eine entsprechende Behauptung des Versicherungsnehmers pauschal zu bestreiten. Kommt die Zahlung von Betreuungscourtage nämlich auf anderem Wege ans Licht, könnte dem Makler ein strafbarer Prozessbetrug vorgeworfen werden.
Erhält der Makler Kenntnis von risikoerhöhenden Umständen, ist unabhängig vom Vergütungsmodell stets unverzügliches Handeln angesagt!
Die Urteile
- des OLG Frankfurt vom 05.07.2006, 7 U 68/05
- des BGH vom 19.05.2005, III ZR 322/04 sowie vom 20.01.2005, III ZR 251/04
- sowie das als so genanntes „Sachwalterurteil“ bekannte und auch heute noch sehr lesenswerte Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 22.05.1985, IV a ZR 190/83 zur Maklerhaftung
finden Sie im Volltext unter .
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Autor(en): Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel & Wurdack