Theorie und Praxis nachhaltiger Fonds

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Seit bald zwei Jahren sollen Versicherungsvermittler und seit gut einem Jahr auch Finanzanlagenvermittler die Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Die Auswahl der dafür geeigneten Fonds ist noch beschränkt.

Die Continentale Versicherung hat ein Fondsanalyse-Tool veröffentlicht, dass Daten der Ratingplattform des Finanzinformations- und Analyseunternehmens Morningstar enthält. Damit können Nutzer Fonds nach verschiedenen Kriterien hin auswählen.

Unter anderem gehört zu den Auswahlkriterien die Nachhaltigkeits-Einstufung. Die ist für Versicherungsvermittler sehr interessant, wenn sie Versicherungsanlageprodukte vertreiben wollen. Denn dafür muss der Kunde seit bald zwei Jahren schon befragt werden, ob er taxonomiekonforme Anlagen oder allgemein nachhaltige Anlagen im Sinne der Offenlegungsverordnung („SFDR“) wünscht, und ob bestimmte, nachteilige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden sollen („PAIs“). Dieselbe Fragepflicht besteht auch im reinen Anlagevertrieb.

Mehr als jeder zweite Fonds kategorisiert

Das Fondsanalyse-Tool zeigt 268 Fonds verschiedenster Anbieter. Davon sind immerhin gut die Hälfte (56 Prozent) entweder nach Artikel 8 SFDR oder sogar Artikel 9 SFDR kategorisiert. Artikel 8-Fonds bewerben ökologisch oder sozial nachhaltige Merkmale, Artikel 9-Fonds streben eine dezidiert nachhaltige Investition an. Der Rest der gelisteten Fonds ist entweder in Artikel 6 SFDR als nicht explizit nachhaltig oder gar nicht eingeordnet worden.

Allerdings bedeutet das allein noch nicht, dass tatsächlich das gesamte Fondsvolumen als nachhaltig anzusehen ist. Tatsächlich wird nur für 25 oder neun Prozent der Fonds eine „SFDR-Quote“ ausgewiesen. Diese liegt bei zwischen einem und maximal 90 Prozent. Das ist der Anteil der Aktien oder sonstigen Werte, die in einem Fonds enthalten sind und als entweder ökologisch oder sozial nachhaltig gelten.

Nur minimale Anteile Taxonomiekonformität

Noch schwieriger wird es, wenn der Kunde explizit etwas gegen den Klimawandel oder sonst etwas für die Umwelt tun will. Das wäre am sichersten mit Anlagen zu erreichen, die nach der Taxonomieverordnung kategorisiert sind. Hier weist das Fondsanalyse-Tool schon nur noch sieben Treffer aus, davon sechsmal mit der Quote „1 Prozent“ und einmal sogar nur „0,1 Prozent“.

Tückisch ist das auch deshalb, weil die Kunden nicht nur inhaltlich nach den Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen sind, sondern auch hinsichtlich der Mindestanteile nachhaltiger Anlagen. Ein aus Laiensicht verständlicher Wunsch, „na wenn schon, dann will ich 100 Prozent“, ist demnach nicht im Ansatz erfüllbar.

Der Vertrieb nachhaltiger Lebens- und Rentenversicherung wird daher nur gelingen, wenn der Vermittler den Kunden lenkt. Eine gute Möglichkeit sind Ankerbeispiele, damit der Kunde sich besser vorstellen kann, welche Mindestanteile er realistischerweise erwarten darf. Schlecht wäre es allerdings, wenn der Kunden von vornherein gedrängt wird, keine Nachhaltigkeitspräferenzen anzugeben, wie es dem Autor selbst schon passiert ist.

Continentale Morningstar Beenken

Nachhaltigkeit mindert nicht die Rendite

Es gibt aber auch eine sehr positive Erkenntnis, die man aus der Analyse der Daten von Morningstar ziehen kann, die die Continentale veröffentlicht hat: Nachhaltigkeit geht nicht zulasten der Rendite.

Die „SFDR-Quote“ korreliert ganz leicht negativ mit der ein- oder mehrjährigen Rendite und positiv mit der Volatilität der Anlagen, aber keine der Korrelationen ist statistisch signifikant. Die Taxonomie-Quote ist nur mit der Drei-Jahres-Rendite signifikant und leicht negativ korreliert, mit den kürzeren und den längeren Renditehorizonten dagegen nicht, ebenso wenig mit der Volatilität.

Die längerfristigen Renditen (fünf, zehn Jahre oder gesamt seit Auflage des Fonds) sind sogar signifikant, wenn auch nur leicht, positiv mit der SFDR-Einstufung (Artikel 6, 8, 9) korreliert. Zusammenfassend bedeutet das, dass ein Kunde nicht auf Rendite verzichten muss, wenn er sich für nachhaltige Fonds entscheidet. Es gilt wie auch sonst, die „richtigen“ Fonds auszuwählen. Man kann mit nachhaltigen wie mit nichtnachhaltigen Fonds danebengreifen oder genau richtig liegen.

Laufende Betreuung hilft Informationslücken auszugleichen

Dennoch erklärt diese kleine Analyse, dass der Vertrieb nachhaltiger Versicherungsanlageprodukte und Anlagen derzeit noch auf den ganz großen Durchbruch wartet. Es gibt noch zu wenig eindeutig klassifizierte Angebote. Hier müssen sowohl die Fondsmanager mehr liefern als auch die Firmen, deren Aktien und Anleihen in den Fonds enthalten sind.

Andererseits gibt es eben auch nicht nichts. So können an Nachhaltigkeit interessierte Kunden mit kleinen Anteilen klassifizierter Anlagen starten. Die Vermittler können sich die abgeschlossenen Anlagen auf Wiedervorlage nehmen und Jahr für Jahr prüfen, ob es inzwischen mehr klassifizierte Fonds mit steigenden Anteilen an entweder allgemeinen ESG- oder an Taxonomie-Einstufungen gibt. Durch Fondswechsel kann der Kunde so Schritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit begleitet werden.

Autor(en): Matthias Beenken

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