Wie Versicherer die Zukunft des autonomen Fahrens sehen

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In Zukunft werden sich Fahrzeuge autonom im Verkehr bewegen. Daran haben die Referenten des 8. Internationalen ATZ-Kongresses "Automatisiertes Fahren"  keinen Zweifel gelassen. Es ist nur fraglich, wann und auf welchem Level. Ob Telematik oder KI das automatisierte Fahren nach vorne bringt, sehen Versicherer noch unterschiedlich.

Mit der Frage, ob sich automatisiertes Fahren zu einem Gamechanger für die Kfz-Versicherung entwickelt, beschäftigte sich zunächst Andreas Kelb. Der Rückversicherungsexperte beim Beratungsunternehmen RV-Garage erkennt in Anbetracht des noch nicht existenten Bestandes autonom fahrender Fahrzeuge (AuFa) derzeit keine neuen Tarife. Die nur langsam einsetzende Verkehrsteilhabe autonomer oder teilautonomer Fahrzeuge wird auch bis 2027 keine signifikanten Effekte auf den Versicherungsmarkt haben. Erst dann, schätzt er, würden von den 53 Millionen erwarteter PKW maximal zehn Prozent entsprechend ausgestattet sein. Mit Blick auf den Schadenbedarf geht er davon aus, dass wahrnehmbare Effekte bei der Risiko- und Prämienminderung zumindest bis 2027 kaum zu verzeichnen sein werden. Langfristig, schätzungsweise bis 2035 dagegen, prognostiziert er grundsätzlich Aussichten auf Reduzierungen im Schadenbedarf.

In Vorgriff auf die Tarifierung von autonomen Pkw stehen heute bereits die Telematik-Tarife. Doch auch ihr Anteil im Markt beträgt zum jetzigen Zeitpunkt lediglich rund 0,5 Prozent. Parallelitäten zu erwarteten Tarifangeboten für autonome Fahrzeuge ergeben sich laut Kelb aus der Annahme, dass beide Ausprägungen zu einem weniger risikoreichen Fahrverhalten führen: bei Telematik bedingt durch finanzielle Anreize, bei automatisierten Autos durch die systembedingte Reduzierung der Fahrerentscheidung.

Vorreiter Telematik

Veränderte Lebensgewohnheiten aufgrund aktueller Entwicklungen könnten Telematik-Tarifen jedoch zu einem schnellen Schub verhelfen, meint Onnen Siems, Geschäftsführer der Meyerhole Siems Kohlruss (MKS) – Gesellschaft für aktuarielle Beratung. Zum Einen habe die Corona-Pandemie das Teilen von Daten per App von einer Notwendigkeit zu einer Selbstverständlichkeit werden lassen. Grundvoraussetzung hierfür sei das mobile Internet. Zudem besännen sich Autofahrer gerade jetzt bei steigenden Spritpreisen des sparsamen Fahrens, was Telematik-Tarife honorieren würden.

Elektro-Primus Tesla greift der Telematik bereits voraus, betont Siems. Mit seinem in der Software integrierten Safety Score befeuert das amerikanische Fahrzeugunternehmen den Trend, das individuelle Fahrverhalten zu dokumentieren und honoriert zu bekommen. Mittelfristig, schätzt Siems, werden sich alle Versicherer der Telematik öffnen und damit ihre praktizierte Negativselektion ablösen. Das erfolgreichste Konzept, das die Huk-Coburg bereits anbietet, besteht aus einer App-Lösung in Verbindung mit einem Sensor für die Windschutzscheibe.

Siems glaubt, dies werde sich auch durchsetzen. Bis 2026 erwartet er, einen Anstieg von Telematik-Verträgen auf zehn Millionen. Zusammen mit dem Digitalversicherer Neodigital betreibt die Huk ein Joint Venture, das durch Telematik-as-a-Service die Investitions- und Einführungskosten deutlich reduzieren wird. Siems spricht hier von Verträgen deutlich unter 20 Euro.

Ohne KI kein autonomes Fahren

An einer Künstlichen Intelligenz (KI), die in autonomen Fahrzeugen für die Sicherheit im Verkehr sorgen soll, feilt der Schweizer SaaS-Anbieter für Versicherer Kasko2go. Ausgehend von einem neuen Bewusstsein für Sicherheit, das die Corona-Pandemie verbreitet hat, zeigte sich Marketingleiterin Felicia Wegmann überzeugt, dass KI künftig zur Sicherheit in autonomen Fahrzeugen beitragen wird. Bereits heute sei man in der Lage, mittels Sensoren Gefahrensituationen besser zu erkennen.

Die für die KI genutzten Daten speisen sich aus Umweltdaten, Daten von Kartenwerksanbietern, bereits gesammelten Unfalldaten von Versicherern, Informationen zu Verkehrsaufkommen, Verkehrsdichte und Tageszeit. Daraus ermittle die KI die sichersten Straßenabschnitte. Kommt die Lösung erst einmal flächendeckend zum Einsatz, wird sich dies auf das Verkehrsaufkommen auswirken, besonders auf unfallanfälligen Routen. Um noch mehr Erkenntnisse zu gewinnen, so Wegmann, sei Kasko2go immer auf der Suche nach Realtime-Daten, wie sie etwa über Telematik-Sensoren generiert werden.

Würden Fahrzeuge vernetzt und mit entsprechender KI ausgestattet, ließen sich, abgesehen vom Faktor Sicherheit, die Kosten für Kfz-Versicherungen senken, aber auch die Infrastruktur verbessern.

Hintergrundinformationen

Auf dem 8. Internationalen ATZ-Kongress "Automatisiertes Fahren" standen die Themen Mobilität und Fahrzeugkonzepte von morgen auf der Agenda. ATZlive und Kooperationspartner Continental luden hierzu nach Wiesbaden ein. Auch die Fachzeitschrift "Versicherungsmagazin" aus dem Hause Springer Gabler war mit einem Versicherungsstrang vertreten. Folgende Themen wurden in diesem Forum diskutiert:

  1. Automatisiertes Fahren – Gamechanger für die Kfz-Versicherung?
  2. Telematik auf dem Weg zum Commodity-Produkt in der Kfz-Versicherung
  3. Autonome Fahrzeuge und die Integration einer KI, um Autounfälle zu vermeiden

Mehr vom ATZ-Kongress "Automatisiertes Fahren" lesen Sie hier.

Autor(en): Swantje Francke

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