Das Thema Inflation trifft spätestens seit dem Sommer 2022 nahezu jeden. Vor der Corona-Pandemie hatte die Inflationsrate seit 2012 nicht mehr über 2 Prozent gelegen. 2021 lag sie dann im Jahresschnitt bei 3,1 Prozent, 2022 kletterte sie auf 6,9 Prozent. Im Juni 2023 gab das Statistische Bundesamt eine weiterhin hohe Rate von 6,4 Prozent an. Diese Raten sorgen gesellschaftlich weiterhin für Diskussionen und bei Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmerverbänden für Forderungen nach Lohnerhöhungen und Ausgleichszahlungen.
In einer Gesprächsrunde des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) wurde deshalb das Thema Betriebsrente in Zeiten der Inflation erörtert. Vier Expertinnen und Experten zum Thema sprachen darüber, worauf Betriebsrentnerinnen und -rentner, Arbeitnehmer und -geber achten müssen, um zu bekommen, was ihnen zusteht beziehungsweise, um nicht in rechtliche Schwierigkeiten zu gelangen.
Unternehmen haben eine Anpassungsprüfpflicht, Betriebsrentner eine Holschuld
Grundsätzlich gilt für die Betriebsrente eine gesetzlich geregelte Anpassungsprüfpflicht. Unternehmen müssen nach Paragraf 16 des Betriebsrentengesetzes alle drei Jahre prüfen, ob diese angepasst werden muss. Dabei muss aber die wirtschaftliche Lage des eigenen Unternehmens berücksichtigt werden. Diese Prüfpflicht entfällt wiederum, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente jährlich automatisch um ein Prozent erhöht.
Für Betriebsrentner gilt allerdings auch eine Holschuld. Das heißt, sie sind selbst in der Pflicht, den ehemaligen Arbeitgeber auf eine Anpassung hinzuweisen. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht Sven Jürgens betont noch, dass die Forderung juristisch richtig formuliert sein und eine Frist beinhalten sollte. Unternehmen wiederum müssen nicht mitteilen, wenn sie die Betriebsrente nicht anpassen.
Dass eine Anpassung nach den hohen Inflationsraten der vergangenen drei Jahre üppig ausfallen kann, zeigte Thyssenkrupp: Anfang 2023 wurde die Betriebsrente für einige ehemalige Mitarbeiter um 14,25 Prozent angehoben.
Unternehmen, die sich zu einer jährlichen Erhöhung um ein Prozent bereit erklärt haben, sind bei der momentanen Inflation nicht verpflichtet, die Betriebsrente noch weiter anzupassen. Laut Jürgens würde dieser Fall erst bei einer sogenannten Hyperinflation eintreten. Diese sei aber nicht fest definiert und laut "Faustformel" auch erst bei knapp 50 Prozent angesetzt. Die derzeitige Inflationsrate von über sechs Prozent ist also noch weit davon entfernt. Aufgrund der aktuellen Belastung für Arbeitnehmer geht Jürgens aber davon aus, dass sich die Rechtsprechung schon bald mit dem Thema beschäftigen könnte, da eine Erhöhung von einem Prozent "einfach nicht mehr ausreichend" sei.
Erhöhung kann auch eingeklagt werden
Wenn ein Unternehmen der Anpassung von Betriebsrenten nicht nachkommt, kann diese auch eingeklagt werden. Das kann auch durch die Erbinnen und Erben des Betriebsrentners geschehen, da diese ebenfalls darauf Anspruch haben. Viele Unternehmen haben in den Pandemiejahren die Betriebsrente nicht erhöht und dies damit begründet, dass es ihre finanzielle Situation nicht zulässt. Dies muss aber belegt werden können, im Klagefall müssten Arbeitgeber also finanzielle Interna offenlegen.
Dazu hätten viele Unternehmen das Ausbleiben der Betriebsrenten-Anpassung nicht sauber dokumentiert, sagt Alexander Brix, Senior Key Account Manager für betriebliche Altersversorgung bei der NVS Netfonds. Er nennt es ein "Damokles-Schwert", das über den Arbeitgebern schwebe. Wenn eine Betriebsrentnerin oder ein Betriebsrentner vor Gericht gehe, "fliegt es den allermeisten Arbeitgebern um die Ohren", so Brix. Deshalb hätten die Wirtschaftsprüfer der großen Unternehmen diesen auch dringend angeraten, die Betriebsrenten zu erhöhen.
Um solche Situationen in Zukunft zu verhindern, könnte es sich für Arbeitgeber lohnen, vorauszudenken. So könnten künftige Inflationen auch schon bei der Arbeitsvertragsschließung mit einbezogen werden, sagt der selbstständige Finanzberater Achim Eigenschenk. Eine regelmäßige stärkere Erhöhung der Betriebsrente durch den Arbeitgeber, die im Vertrag bereits festgelegt ist, könne hier beispielsweise Abhilfe schaffen. Damit würden laut Eigenschenk die Unternehmen den Arbeitnehmern auch ihre Wertschätzung für langfristige Treue beweisen.
Autor(en): Frederik Schmidt