Weniger Überschuss für Lebensversicherungs-Kunden?

Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das höhere Beteiligung der Kunden an den Überschüssen als bisher gefordert hat, zum Trotz: Einige Versicherer propagieren verhalten eine Umverteilung ihrer Gewinne: mehr für die eigene Kasse, weniger für die Kunden. Im Visier sind zunächst die Kosten- und Risikoüberschüsse, doch auch die Überschüsse bei der Kapitalanlage scheinen nicht tabu zu sein.

So plädiert Marktführer Allianz Lebensversicherungs-AG für mehr Flexibilität. Gefordert wird eine Änderung der geltenden Vorschriften zur Überschussverwendung, die in der so genannten ZR-Quotenverordnung festgelegt sind. Eine Änderung dieser Verordnung hält man unter den derzeitigen Bedingungen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) allerdings für wenig wahrscheinlich. Dennoch kam vor einiger Zeit Rückendeckung für AG-Versicherer, zu denen dem Vernehmen nach als Vorreiter einer Änderung auch Axa und Victoria zählen: Der Internationale Währungsfonds (IWF) befand, dass die Lebensversicherer einen zu großen Anteil ihrer Erträge an die Kunden ausschütten müssen. Laut Gesetz stehe den Versicherten aber nur eine "angemessene" Beteiligung zu (§ 81c VAG). Wachsende Eigenkapitalanforderungen an die deutschen Versicherer ab 1. März 2007 verstärken den Druck, wieder mehr Reserven aufzubauen und die Attraktivität für Investoren zu erhöhen.

Nach aktueller Rechtslage müssen Kunden mit mindestens 90 Prozent und Aktionäre mit höchstens zehn Prozent an den Erträgen aus der Kapitalanlage beteiligt werden ("90/10-Regelung"). Fiele diese Untergrenze, wäre der Kunde in noch größerem Maße dem Schwankungsrisiko ausgesetzt, falls sich der Anbieter schlechter entwickelt als andere Versicherer. Allerdings hat der Wettbewerb dazu geführt, dass die Branche insgesamt Jahr für Jahr rund 94 Prozent ihrer Gewinne aus Kapitalanlagen an die Kundschaft abgibt. Die Allianz Leben verringerte ihre Quote allerdings von 94,4 Prozent 2001 auf 91,2 Prozent 2002. Kunden von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit seien vor Interessenkonflikten gefeit, da es dort keine Aktionäre gibt.

Solche Prozentsätze sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn entscheidend ist die Bezugsgröße. Dennoch spannend: Die Allianz Leben gibt für 2005 eine Partizipationsrate im Bestand von 14 Prozent für die Aktionäre an. Dies wäre eigentlich ein Verstoß gegen geltendes Recht. Im Detail ist die Angelegenheit noch spannender. Denn als Begründung verweist die Gesellschaft auf die geteilte Rechtslage für Policeninhaber vor und nach der Deregulierung des Marktes Mitte 1994.

Für Alt-Bestände aus der Zeit vor 1. Juli 1994 mussten auch Kosten- und Risikogewinne nach der 90/10-Regel geteilt werden. Bei Policen, die ab 1. Juli 1994 abgeschlossen werden, gelte eine "angemessene Beteiligung" der Kunden an diesen Überschüssen. Die Branche plant hier offenbar eine etwa hälftige Aufteilung, wie auch Allianz-Unterlagen bestätigen. Nach Branchenangaben kommen rund zehn Prozent der Überschüsse aus Risiko- und Kostengewinnen und 90 Prozent aus der Kapitalanlage. Folge: Je mehr jüngere Verträge in den Bestand eingehen, desto höher partizipieren die Aktionäre im Falle börsennotierter Versicherer von den gesamten Brutto-Überschüssen. Bei der Allianz ist zu lesen, dass die Partizipationsrate für die Aktionäre über zehn Prozent 2003 auf sukzessive 14 Prozent 2004 angestiegen ist (Brutto-Gesamtüberschüsse). Auf Analysten-Präsentationen wird damit potenziellen Investoren ein Engagement bei der Allianz schmackhaft gemacht. Gleichwohl wirkte das Management der Allianz Leben beruhigend auf die Kunden ein. Man bekenne sich generell vorbehaltlos zu seinen Garantien.






Autor(en): Detlef Pohl

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