Deutschland hat gewählt. Und wie! "Eine historische Zeitenwende" für die deutsche Politik konstatiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Doch was das für die Rentenpolitik einer neuen Bundesregierung bedeutet, dafür gibt es erste Vermutungen.
Nach der aktuellen Farbenlehre ist rechnerisch eine stabile Regierung mit einer Mehrheit nur mit CDU/CSU, FDP und Grünen möglich. Auch wenn die Rentenpolitik kaum ein Thema im Wahlkampf war, kann es zu neuen Schwerpunkten kommen.
Union wollte aussitzen
Die Position der CDU/CSU war auf Aussitzen angelegt, sie will eine parteiübergreifende Reformkommission einsetzen, die Vorschläge für die Zeit nach 2030 entwickeln soll. Die demografische Entwicklung mit viel mehr Rentnern und weniger Arbeitnehmern sowie die zunehmende Langlebigkeit könnten angesichts des Nachhaltigkeitsfaktors in der gegenwärtigen Rentenformel gestemmt werden, wenn man das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anheben würde, meint jedenfalls Professor Bernd Raffelhüschen. Da Bundeskanzlerin Angela Merkel genau dies im Rededuell kurz vor der Wahl mit SPD-Kontrahent Martin Schulz ausschloss, sollte das Problem vertagt werden.
Weg mit festem Renteneintrittsalter
Die Lösung könnte ein so genannter Alterskorridor sein, in dem die Bürger selbst über den Renteneintritt entscheiden können. Die FDP war mit diesem Vorschlag in den Wahlkampf gezogen. Auch die Kopplung des Rentenalters an die Entwicklung der Lebenserwartung ist ein mögliches Thema. Hier ging die FDP ebenfalls mit einem Vorschlag im Wahlkampf voran. So meint Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA), dass in den Reihen der CDU/CSU diese Idee zumindest ab und an in der politischen Diskussion als Variante erwähnt worden sei. Eine solche Kopplung hätte den Vorteil, dass die Diskussion über Veränderungen des Renteneintrittsalters endgültig abgeräumt würde.
FDP und Grüne nicht komplett gegensätzlich
Die Grüne fordern eine "Garantierente", die oberhalb der Grundsicherung liegen soll – ohne Bedürftigkeitsprüfung. Zudem sollen nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige, Minijobber, Langzeitarbeitslose und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherungspflicht einbezogen werden. Die Garantierente dürfte mit der FDP nicht zu machen sein. Beim Einbezug insbesondere kleinerer Selbstständiger ohne eigene Absicherung sieht es aber anders aus. Hierzu glaubt Morgenstern, dass es für die Selbstständigen neue Regelungen zur Alterssicherung geben werde, gerade aus dem Bereich der Solo-Selbstständigen und kleinen Gewerbetreibenden, die keine Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung haben. In der letzten schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013 habe es dafür konkrete Pläne gegeben. Sie wurden damals durch einen FDP-Parteitag gekippt. „Das wird sicherlich kein zweites Mal passieren“, so der DIA-Mann.
Chance für Online-Rentenkonto
Eine Jamaika-Koalition könnte auch, so Morgenstern, einer anderen Idee zum Durchbruch verhelfen: der Einführung eines säulenübergreifenden Online-Rentenkontos, auf dem jeder einfach und übersichtlich seine künftigen Rentenansprüche ablesen kann. Die FDP hat ein solches Konto vorgeschlagen. Die CDU hatte 2013 dies Punkt selbst ins Gespräch gebracht. Die Grünen werden dem Rentenkonto schnell zustimmen, weil sie ohnehin immer für mehr Transparenz plädieren. Mit Hilfe eines solchen Kontos könnten Bürger genau ihre Rentenlücke ablesen, die sie mit Hilfe privater und betrieblicher Vorsorge stopfen sollten.
Autor(en): Bernhard Rudolf