Im Dieselskandal gibt es Bewegung bei dem Volkswagenkonzern und Verbraucherschützern. Der Autokonzern hat nun erstmals angekündigt, dass er die betroffenen Autokäufer entschädigen will. Das dürfte auch eine gute Botschaft für die Rechtsschutzversicherer sein. Denn scheitert die Musterfeststellungsklage, dürfte es weiterhin gehäuft Streitigkeiten geben.
"Volkswagen und der Verbraucherzentrale Bundesverband haben sich darauf geeinigt, Gespräche über einen möglichen Vergleich aufzunehmen", heißt es in einer Mitteilung der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv). Gesucht werde eine "pragmatische Lösung im Sinne der Kunden". Die Gespräche befänden sich aber in einem sehr frühen Stadium. Ob es zu einem Vergleich kommt, sei noch offen. Die Gespräche beider Parteien sollen erstmal vertraulich bleiben.
Mehrheit entscheidet
Nach Einschätzung von Automobilexperten dürfte es dem Autohersteller nun schwer fallen noch einen Rückzieher zu machen. Daher wird schon in den kommenden zwei bis drei Monaten mit einem Vergleichsangebot gerechnet. Davon könnten alle rund 444.000 Kläger profitieren, die sich an der Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig beteiligt haben (Az.: 4 MK 1/18). Sie wollen damit Ansprüche gegen den Volkswagenkonzern (VW) wegen des Wertverlusts ihrer Autos im Abgasskandal durchsetzen. Die Verbraucherschützer sehen in dem Gesprächsangebot von VW schon einen Erfolg. Das Unternehmen hatte nämlich bisher mit Verweis auf mangelnde Vergleichbarkeit der Einzelfälle einen solchen Schritt immer verweigert.
Kommt es zu einem Vergleich, hat aber die Mehrheit der Teilnehmer an der Sammelklage das letzte Wort. Wenn mehr als 70 Prozent der angemeldeten Verbraucher den Vergleich gelten lassen, ist der Rechtsstreit für diese Verbraucher endgültig abgeschlossen.
Wenn der Vergleich wegen zu vieler Abmeldungen - 30 Prozent oder mehr - scheitert, fällt das Gericht ein Urteil. Dann müssen alle Betroffenen ihre Forderung weiterhin eigenständig verfolgen. Entscheidend dürfte nun sein, welche Entschädigungsleistung VW den betrogenen Käufern anbietet. In den USA hatte der Automobilhersteller rund 300.000 Autos zurückgekauft und dabei sehr hohe Preise gezahlt. Für einen ein Jahr alten Audi A3 waren um die 40.000 Dollar geflossen.
Alle Rechtschutzversicherer gewähren Schutz
Noch ist der Dieselskandal eine große Belastung für die Rechtsschutzversicherer. Nach anfänglichem Zögern, gewähren nun alle Unternehmen ihren Kunden Schutz, wenn sie gegen den Volkswagenkonzern oder andere Automobilhersteller streiten wollen. "Wir rechnen damit, dass uns der Dieselskandal mindestens 30 Millionen Euro kosten wird", stellte der Rechtsschutzversicherer Arag vor kurzem fest.
Allein die Arag hat 10.000 Kunden im Dieselskandal gegen die Automobilindustrie unterstützt. In rund 9.000 Fällen ging es dabei um einen Streit gegen den Volkswagenkonzern. Die meisten Streitfälle, bei denen beispielsweise die Kunden vom Kaufvertrag zurücktreten wollen, werden laut dem Versicherer bisher außergerichtlich verglichen. Dabei fallen für die Rechtsschutzversicherung Kosten an, beispielsweise für Anwälte. "Der Dieselskandal wird die Rechtsschutzversicherer noch lange begleiten", heißt es bei der Arag. Weiterhin gehen allein bei dem Düsseldorfer Unternehmen pro Tag rund 20 neue Fälle zum Dieselskandal ein. Ein Vergleich im Musterverfahren könnte viele Streitigkeiten mit Verbrauchern beenden.
Neue Investorenklagen
Gleichzeitig gibt es aber auch Klagen, die von Investoren angestrengt wurden. Nach Mitteilung der Anwaltskanzlei Tilp wurde am 30. Dezember 2019 Klage gegen die Daimler AG vor dem Landgericht Stuttgart auf Schadensersatz in Höhe von 896 Millionen Euro eingereicht. Die klagenden Investoren werfen Daimler die Verletzung kapitalmarktrechtlicher Pflichten im Zusammenhang mit dem Dieselskandal vor.
Der Vorwurf lautet insbesondere, dass Daimler die Verwendung von illegalen Abschalteinrichtungen in seinen Diesel-Fahrzeugen und die hiermit verbundenen Risiken und Kosten dem Kapitalmarkt verschwiegen und diesen über die wahren Umstände getäuscht habe. Während der Desinformationsphase vom 10. Juli 2012 bis 20. Juni 2018 sank der Kurs der Daimler-Aktie von über 90 Euro auf unter 60 Euro. Die dadurch erlittenen Schäden sind Gegenstand der jetzigen Klagen. Auch hier wird ein Musterverfahren gestartet. Eine ähnliche Investorenklage hat die Kanzlei Tilp vor dem Oberlandesgericht Braunschweig gegen die Volkswagen AG und die Porsche Automobil Holding SE angestrengt. Solche Verfahren sind aber in der Regel sehr selten rechtschutzversichert.
Verbraucher schließen häufiger Rechtsschutzversicherungen ab
Trotzdem haben die vielen Rechtsstreitigkeiten anscheinend viele Verbraucher wachgerüttelt, denn Rechtsschutzversicherung werden verstärkt verkauft. Für 2019 rechnet die Arag damit, dass der Markt um 2,5 Prozent wachsen wird. Selbst konnte der Versicherer das Geschäft um 5,8 Prozent steigern.
Weitere Details zur Entwicklung der Rechtsschutzversicherungen in Deutschland können Sie auch in der neuen Ausgabe des Versicherungsmagazins (02/2020) in der Titelgeschichte "Turbulente Zeiten" nachlesen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek