Zahlreiche Menschen in Deutschland beziehen nicht die volle Altersrente. Aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen nehmen sie Abschläge in Kauf, um vorzeitig den Ruhestand anzutreten. Auch die steigende Regelaltersgrenze ist für die Entwicklung verantwortlich.
Von den Personen, die 2022 in die Rentenphase eingetreten sind, bekommt ein Viertel (25,6 Prozent) nicht die vollen Bezüge. Damit waren mehr als 223.500 der rund 875.000 erstmals gezahlten Altersrenten um einen Abschlag gekürzt. Das zeigen Anfang Januar veröffentlichte Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
Bereits 2021 lag der Anteil neuer Rentner mit Kürzungen von 24,5 Prozent auf einem annähernd hohen Niveau. Damals entschieden sich rund 211.000 von rund 858.000 Menschen für einen vorzeitiges Ende der Arbeitstätigkeit. Noch mehr Menschen mit gekürzten Renten gab es Ende der Nullerjahre, als die Wirtschafts- und Finanzkrise die Welt erschütterte: 2010 betraf dies 47,7 Prozent der neuen Ruheständler, 2012 betrug ihr Anteil immerhin noch 39,6 Prozent. Dieser reduzierte sich 2014 schließlich auf 24 Prozent.
Regelaltersgrenze befeuert vorzeitige Rente
"Ein entscheidender Faktor für den Anstieg der Abschläge ist die steigende Regelaltersgrenze", kommentiert das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) die wieder steigenden Zahlen zur vorzeitigen Rente. "Diese nach hinten verschobene Altersgrenze ermöglicht eine abschlagsfreie Rente erst zu einem immer späteren Zeitpunkt, je nach Geburtsjahrgang."
Viele langjährig Versicherte wollen laut DIA "entweder aus persönlichen Gründen früher in den Ruhestand treten oder sehen sich gesundheitlich nicht (länger) in der Lage, bis zum gesetzlichen Rentenalter zu arbeiten". Dies führe dazu, dass immer mehr Menschen bereit sind, Abschläge in Kauf zu nehmen, um ihren Ruhestand früher zu beginnen.
29 Monate früher in Rente
Im Durchschnitt schieden diese Personen 2022 laut DRV 29 Monate früher aus dem Berufsleben aus als Rentenbeziehende ohne Abschläge. Interessant: Die durchschnittliche Netto-Altersrente der vorzeitigen Ruheständler betrug etwa 1.146 Euro. Damit erhalten sie gut 100 Euro mehr als die rund 651.000 Senioren, die abschlagsfrei in Rente gingen. Allerdings kann die Regelaltersrente bei weniger als 35 Versicherungsjahren auch nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden.
Wer früher gehen will, muss Abschläge in Kauf nehmen
Laut dem Portal Statista.de ist das durchschnittliche Renteneintrittsalter seit 1998 (62,1 Jahre) fast kontinuierlich auf 64,4 Jahre im Jahr 2022 angestiegen. Ähnlich lange arbeiteten die Menschen in den 1960er Jahren. Die Statistik weist für 1965 ein durchschnittliches Alter für Neurentner von 64,8 Jahre aus. Dies ist eine Folge der 2006 beschlossenen "Rente mit 67", die seit 2012 eine schrittweise Anhebung des Regeleintrittsalters auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029 vorsieht. Wer früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden möchte, muss entsprechende Abschläge bei der Regelaltersrente in Kauf nehmen.
Der Artikel ist ursprünglich auf Springer Professional erschienen.
Autor(en): Angelika Breinich-Schilly