Vermittler stehen immer stärker unter wirtschaftlichem und persönlichem Druck. Manche sehen ihr Lebenswerk in Gefahr, weil der Nachwuchs fehlt. Professor Dr. Jan Ostarhild (im Bild) von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart sowie Gründer und Wissenschaftlicher Leiter von Denken in Ergebnissen zeigt im Versicherungsmagazin-Interview Wege auf, sich dieser Situation zu stellen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, mit denen sich Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler derzeit auseinandersetzen müssen?
Jan Ostarhild: Wenn auch auf den ersten Blick Digitalisierung und Regulierung als die größten Herausforderungen erscheinen, so liegen die größten Herausforderungen letztlich doch immer in uns selbst: Reagieren wir bloß, starren wir wie ein Kaninchen auf die Schlange, schieben wir die Verantwortung auf andere ab oder besitzen wir den Mut und die Bereitschaft, uns den äußeren Herausforderungen zu stellen und das Heft wieder selbst in die Hand zu nehmen?
Ist die zunehmende Regulierung der Branche eher eine Belastung oder doch eher auch eine Chance, und für wen?
Jan Ostarhild: Das kommt auf die jeweiligen Stärken und Schwächen eines Vermittlerbetriebes an, insbesondere, inwieweit dieser fähig und bereit ist, mit zunehmender Regulierung auf elegante Weise umzugehen. Dies impliziert beispielsweise die Offenheit, einen Großteil regulatorischer Aufgaben zu automatisieren oder outzusourcen. Dann kann Regulierung durchaus eine Chance bedeuten.
Die Vermittlerbranche ist traditionell von Klein- und Kleinstunternehmen geprägt. Ist das eine zukunftsträchtige Struktur, oder werden sich die Groß- und die professionellen Onlinevertriebe durchsetzen?
Jan Ostarhild: Kein Experte kann die Zukunft vorhersagen, insofern halte ich mich mit Prognosen zurück. Vorbereitung für die Zukunft tut hingegen not: In jedem Fall scheint es mir für Kleinst- und Kleinunternehmen notwendig zu sein, sich eine Nische zu suchen und sich in hohem Maße zu spezialisieren. Und sehr gut vernetzt zu sein und mit anderen Dienstleistern zu kooperieren, insbesondere mit solchen, welche die Chancen der Digitalisierung bereits für sich erfolgreich nutzen.
Ihr eigener beruflicher Hintergrund ist die Maklertätigkeit. Die große Mehrheit der Vertriebe ist als Vertreter tätig. Muss man Makler werden, um sich unternehmerisch selbstverwirklichen zu können?
Jan Ostarhild: Nein, unternehmerische Selbstverwirklichung ist sicherlich auch als Versicherungsvertreter möglich, auch wenn die Freiheit eines Versicherungsmaklers kraft Status selbstredend größer ist. Allerdings ist für dieses Mehr an Freiheit auch ein Preis zu bezahlen, denn neben der Beratungstätigkeit gewinnen weitere Tätigkeiten wie Organisation und Marketing an Bedeutung.
Sie nennen Ihr Unternehmen und Ihr Programm "Denken in Ergebnissen (). Sind wir nicht in der Praxis viel eher vom "Denken in Problemen" geprägt? Und ist das nicht sozusagen ein Bestandteil unserer Kultur, so zu denken?
Jan Ostarhild: Ja, für eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung trifft diese These nach meiner Beobachtung zu. In der Versicherungsbranche kommt dann noch ein gehöriges Maß an Veränderungsaversion hinzu. Auf äußere Einflüsse zu reagieren und das meiste davon negativ zu interpretieren, haben wir bewusst oder unbewusst gelernt und sind nun quasi so konditioniert. Verunsicherung, Sorgen und Ängste sind die logische Konsequenz dieser Art des Denkens. Aus meiner Beratungspraxis weiß ich jedoch, dass jeder - wirklich jeder - dieses gewohnheitsmäßige Denken in Problemen durch ein Denken in Ergebnissen ersetzen kann.
Manche Trainer vertreten die Philosophie, dass "alles möglich ist, wenn man nur positiv denkt". Ist das eine realistische Haltung, oder läuft man damit nicht ständig Gefahr, enttäuscht zu werden?
Jan Ostarhild: Wenn man unter positivem Denken versteht, sich alles schön zu reden und in Lethargie zu verfallen oder sich auf einem Motivationsseminar temporär in einen euphorischen Zustand versetzen zu lassen oder deutliche Warnsignale zu ignorieren, dann sehe ich diese Gefahr durchaus. Ich spreche lieber von einer positiven Einstellung, die sich idealerweise so zeigt: Negatives Feedback wird durchaus wahrgenommen, woraus eine gewisse Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation resultiert. Diese Energie wird genutzt, um sich nun voll und ganz auf einen besseren Zukunftszustand zu fokussieren und sich mit diesem emotional zu verbinden. In diesem Sinne führt positives Denken in Verbindung mit positiven Emotionen zu positiven Handlungen, woraus auf längere Sicht betrachtet zwangsläufig positive Ergebnisse resultieren.
Wie könnte denn eine erfolgsorientierte, gleichzeitig aber auch realistische Haltung zu sich selbst als Unternehmer/-in im Finanzdienstleistungssektor aussehen?
Jan Ostarhild: Die beste Definition von Erfolg, die ich kenne, stammt von Earl Nightingale: Erfolg ist die progressive Realisierung eines wertvollen Ziels. Erfolgreich ist jemand also dann, wenn man für sich ein wertvolles Ziel klar und eindeutig definiert hat: Wo will ich in circa drei Jahren stehen? Und wenn man sich auf die Reise zu diesem Ziel begeben hat.
Muss man sich manchmal auch eingestehen, den Herausforderungen des Berufs als Vermittler/-in nicht gewachsen zu sein, und den Beruf wechseln? Welche Anzeichen sprechen aus Ihrer Sicht für eine solche Entscheidung?
Jan Ostarhild: Steve Jobs hat es mal folgendermaßen auf den Punkt gebracht: "Jeden Morgen habe ich in den Spiegel geschaut und mich gefragt: 'Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich dann das tun wollen, was ich im Begriff bin, heute zu tun?' Und wann immer die Antwort ein Nein an zu vielen Tagen hintereinander gewesen ist, wusste ich, dass ich etwas ändern sollte." Ist es nicht ideal, wenn man seine Arbeit so sehr liebt, dass man sie gar nicht als Arbeit empfindet? Wenn man sich vorstellen kann, bis an sein Lebensende Vermittler/-in zu sein? Wenn alles jedoch als sehr anstrengend empfunden wird, in erster Linie nur wegen des Geldverdienens geschieht und ein möglichst schnelles Aufhören das Ziel ist, sollte man sich ernsthafte Gedanken über eine berufliche Veränderung machen.
Als Hochschullehrer haben wir auch Nachwuchs für die Finanzdienstleistungsbranche auszubilden. Viele Führungskräfte beklagen, dass die Generation Y nicht mehr bereit ist, die "Ochsentour" im Vertrieb zu machen, sondern mit Forderungen nach einer "Work-Life-Balance" bei gleichzeitig attraktivem und gesichertem Gehalt auftritt. Ist das auch Ihre Wahrnehmung der jungen Generation?
Jan Ostarhild: Ja, absolut. Allerdings entspricht es ja durchaus rationalem Verhalten, sich für die unter dem Strich am attraktivsten erscheinende Alternative zu entscheiden. Möglicherweise ist ein wesentlicher Grund hierfür auch darin zu sehen, dass es vielfach an einer glaubhaften attraktiven Perspektive fehlt, die nach der von Ihnen skizzierten Ochsentour in Aussicht steht.
Wie können traditionelle Unternehmen wie Versicherer junge Leute für die Tätigkeit im Vertrieb begeistern?
Jan Ostarhild: Meines Erachtens gelingt das am besten durch überzeugende Vorbilder: Vermittler/-innen, die mit Leichtigkeit, Gelassenheit und Freude wirklich große Ziele im Vertrieb erreichen. Die ihren Kunden helfen, vernünftige Entscheidungen zu treffen, so dass ihre Kunden einen viel größeren Nutzen aus der Beratung ziehen als den Preis, den sie dafür bezahlen. Auf die sich ihre Kunden jederzeit verlassen können. Und die ihren finanziellen Erfolg zu ihrem eigenen Wohle und dem Wohle anderer einsetzen, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren. Und die bereit sind, Mentoren für junge Menschen zu sein und ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Nur: Wie viele dieser Vermittler/-inne/n kennen wir? Das ist eine wirklich seltene Spezies, wirklich wenige Prozentpunkte. Von dieser Sorte Vertriebler brauchen wir mehr.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, mit denen sich Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler derzeit auseinandersetzen müssen?
Jan Ostarhild: Wenn auch auf den ersten Blick Digitalisierung und Regulierung als die größten Herausforderungen erscheinen, so liegen die größten Herausforderungen letztlich doch immer in uns selbst: Reagieren wir bloß, starren wir wie ein Kaninchen auf die Schlange, schieben wir die Verantwortung auf andere ab oder besitzen wir den Mut und die Bereitschaft, uns den äußeren Herausforderungen zu stellen und das Heft wieder selbst in die Hand zu nehmen?
Ist die zunehmende Regulierung der Branche eher eine Belastung oder doch eher auch eine Chance, und für wen?
Jan Ostarhild: Das kommt auf die jeweiligen Stärken und Schwächen eines Vermittlerbetriebes an, insbesondere, inwieweit dieser fähig und bereit ist, mit zunehmender Regulierung auf elegante Weise umzugehen. Dies impliziert beispielsweise die Offenheit, einen Großteil regulatorischer Aufgaben zu automatisieren oder outzusourcen. Dann kann Regulierung durchaus eine Chance bedeuten.
Die Vermittlerbranche ist traditionell von Klein- und Kleinstunternehmen geprägt. Ist das eine zukunftsträchtige Struktur, oder werden sich die Groß- und die professionellen Onlinevertriebe durchsetzen?
Jan Ostarhild: Kein Experte kann die Zukunft vorhersagen, insofern halte ich mich mit Prognosen zurück. Vorbereitung für die Zukunft tut hingegen not: In jedem Fall scheint es mir für Kleinst- und Kleinunternehmen notwendig zu sein, sich eine Nische zu suchen und sich in hohem Maße zu spezialisieren. Und sehr gut vernetzt zu sein und mit anderen Dienstleistern zu kooperieren, insbesondere mit solchen, welche die Chancen der Digitalisierung bereits für sich erfolgreich nutzen.
Ihr eigener beruflicher Hintergrund ist die Maklertätigkeit. Die große Mehrheit der Vertriebe ist als Vertreter tätig. Muss man Makler werden, um sich unternehmerisch selbstverwirklichen zu können?
Jan Ostarhild: Nein, unternehmerische Selbstverwirklichung ist sicherlich auch als Versicherungsvertreter möglich, auch wenn die Freiheit eines Versicherungsmaklers kraft Status selbstredend größer ist. Allerdings ist für dieses Mehr an Freiheit auch ein Preis zu bezahlen, denn neben der Beratungstätigkeit gewinnen weitere Tätigkeiten wie Organisation und Marketing an Bedeutung.
Sie nennen Ihr Unternehmen und Ihr Programm "Denken in Ergebnissen (). Sind wir nicht in der Praxis viel eher vom "Denken in Problemen" geprägt? Und ist das nicht sozusagen ein Bestandteil unserer Kultur, so zu denken?
Jan Ostarhild: Ja, für eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung trifft diese These nach meiner Beobachtung zu. In der Versicherungsbranche kommt dann noch ein gehöriges Maß an Veränderungsaversion hinzu. Auf äußere Einflüsse zu reagieren und das meiste davon negativ zu interpretieren, haben wir bewusst oder unbewusst gelernt und sind nun quasi so konditioniert. Verunsicherung, Sorgen und Ängste sind die logische Konsequenz dieser Art des Denkens. Aus meiner Beratungspraxis weiß ich jedoch, dass jeder - wirklich jeder - dieses gewohnheitsmäßige Denken in Problemen durch ein Denken in Ergebnissen ersetzen kann.
Manche Trainer vertreten die Philosophie, dass "alles möglich ist, wenn man nur positiv denkt". Ist das eine realistische Haltung, oder läuft man damit nicht ständig Gefahr, enttäuscht zu werden?
Jan Ostarhild: Wenn man unter positivem Denken versteht, sich alles schön zu reden und in Lethargie zu verfallen oder sich auf einem Motivationsseminar temporär in einen euphorischen Zustand versetzen zu lassen oder deutliche Warnsignale zu ignorieren, dann sehe ich diese Gefahr durchaus. Ich spreche lieber von einer positiven Einstellung, die sich idealerweise so zeigt: Negatives Feedback wird durchaus wahrgenommen, woraus eine gewisse Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation resultiert. Diese Energie wird genutzt, um sich nun voll und ganz auf einen besseren Zukunftszustand zu fokussieren und sich mit diesem emotional zu verbinden. In diesem Sinne führt positives Denken in Verbindung mit positiven Emotionen zu positiven Handlungen, woraus auf längere Sicht betrachtet zwangsläufig positive Ergebnisse resultieren.
Wie könnte denn eine erfolgsorientierte, gleichzeitig aber auch realistische Haltung zu sich selbst als Unternehmer/-in im Finanzdienstleistungssektor aussehen?
Jan Ostarhild: Die beste Definition von Erfolg, die ich kenne, stammt von Earl Nightingale: Erfolg ist die progressive Realisierung eines wertvollen Ziels. Erfolgreich ist jemand also dann, wenn man für sich ein wertvolles Ziel klar und eindeutig definiert hat: Wo will ich in circa drei Jahren stehen? Und wenn man sich auf die Reise zu diesem Ziel begeben hat.
Muss man sich manchmal auch eingestehen, den Herausforderungen des Berufs als Vermittler/-in nicht gewachsen zu sein, und den Beruf wechseln? Welche Anzeichen sprechen aus Ihrer Sicht für eine solche Entscheidung?
Jan Ostarhild: Steve Jobs hat es mal folgendermaßen auf den Punkt gebracht: "Jeden Morgen habe ich in den Spiegel geschaut und mich gefragt: 'Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich dann das tun wollen, was ich im Begriff bin, heute zu tun?' Und wann immer die Antwort ein Nein an zu vielen Tagen hintereinander gewesen ist, wusste ich, dass ich etwas ändern sollte." Ist es nicht ideal, wenn man seine Arbeit so sehr liebt, dass man sie gar nicht als Arbeit empfindet? Wenn man sich vorstellen kann, bis an sein Lebensende Vermittler/-in zu sein? Wenn alles jedoch als sehr anstrengend empfunden wird, in erster Linie nur wegen des Geldverdienens geschieht und ein möglichst schnelles Aufhören das Ziel ist, sollte man sich ernsthafte Gedanken über eine berufliche Veränderung machen.
Als Hochschullehrer haben wir auch Nachwuchs für die Finanzdienstleistungsbranche auszubilden. Viele Führungskräfte beklagen, dass die Generation Y nicht mehr bereit ist, die "Ochsentour" im Vertrieb zu machen, sondern mit Forderungen nach einer "Work-Life-Balance" bei gleichzeitig attraktivem und gesichertem Gehalt auftritt. Ist das auch Ihre Wahrnehmung der jungen Generation?
Jan Ostarhild: Ja, absolut. Allerdings entspricht es ja durchaus rationalem Verhalten, sich für die unter dem Strich am attraktivsten erscheinende Alternative zu entscheiden. Möglicherweise ist ein wesentlicher Grund hierfür auch darin zu sehen, dass es vielfach an einer glaubhaften attraktiven Perspektive fehlt, die nach der von Ihnen skizzierten Ochsentour in Aussicht steht.
Wie können traditionelle Unternehmen wie Versicherer junge Leute für die Tätigkeit im Vertrieb begeistern?
Jan Ostarhild: Meines Erachtens gelingt das am besten durch überzeugende Vorbilder: Vermittler/-innen, die mit Leichtigkeit, Gelassenheit und Freude wirklich große Ziele im Vertrieb erreichen. Die ihren Kunden helfen, vernünftige Entscheidungen zu treffen, so dass ihre Kunden einen viel größeren Nutzen aus der Beratung ziehen als den Preis, den sie dafür bezahlen. Auf die sich ihre Kunden jederzeit verlassen können. Und die ihren finanziellen Erfolg zu ihrem eigenen Wohle und dem Wohle anderer einsetzen, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren. Und die bereit sind, Mentoren für junge Menschen zu sein und ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Nur: Wie viele dieser Vermittler/-inne/n kennen wir? Das ist eine wirklich seltene Spezies, wirklich wenige Prozentpunkte. Von dieser Sorte Vertriebler brauchen wir mehr.
Autor(en): Matthias Beenken