Die neuen Beschäftigten-Statistiken des Arbeitgeberverbands der Branche zeigen einen bedenklichen, langjährigen Trend.
Die Zahl der Beschäftigten in der Versicherungswirtschaft ist im letzten Jahrzehnt um 5,3 Prozent geschrumpft. Der Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e.V. (AGV) verzeichnet für 2021 eine Anzahl von 204.100 Beschäftigten, 11.400 Personen weniger als 2011. In der kurzfristigen Betrachtung eines Jahres allerdings gab es einen leichten Beschäftigtenzuwachs um 800 Personen.
Innendienst wächst, Außendienst und Ausbildung schrumpfen
Der langjährige Rückgang ist nur auf Außendienstangestellte (minus 26,1 Prozent oder 10.900 Personen) und Auszubildende (minus 21,1 Prozent oder 2.800 Personen) zurückzuführen. Dagegen liegt die Zahl der Innendienstmitarbeitern mit 2.300 Personen um 1,4 Prozent höher als 2011.
Das Bild wird vollständiger, wenn man in derselben Zeit die Entwicklung der Zahl der Vermittler betrachtet. Diese ging um 25,2 Prozent oder rund 65.000 im Vermittlerregister eingetragene Personen und Unternehmen zurück. Mit insgesamt rund 192.800 Eingetragenen gab es Anfang 2022 weniger Vermittler als Versicherungsangestellte (204.100), das Verhältnis war mal deutlich andersherum.
Regulatorische Anforderungen versus Digitalisierung
Der Trend bei den Innendienstmitarbeitern kann zu einem Teil durch die stark steigende Regulierung erklärt werden. Die Versicherer müssen immer mehr Fachpersonal beschäftigen, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Allein die Berichterstattungen an Aufsichtsbehörden und Öffentlichkeit, aber auch eine ausreichende personelle Ausstattung der vier Schlüsselfunktionen neben dem Vorstand und ihrer Stäbe hat zu einem Personalaufwuchs beigetragen.
Andererseits müsste eigentlich im Zug der Digitalisierung ein Produktivitätsfortschritt entstanden sein, durch den einfache, sich ständig wiederholende Tätigkeiten automatisiert werden. Offensichtlich sind diese Erfolge bisher zu gering, als dass sie den Zuwachs an Fachkräften an anderer Stelle ausgleichen oder gar übersteigen könnten.
Mehr Verwaltung, weniger Vertrieb?
Bedenklich ist das Gesamtbild: Die Versicherungswirtschaft scheint sich Stück für Stück von der Kundenschnittstelle zurückzuziehen, dafür aber die reinen Verwaltungsbereiche zu stärken. In dieses Bild passen auch die Rückgänge bei den Außendienstangestellten sowie beim Nachwuchs-Reservoir der Branche, den Auszubildenden.
Der agv zeigt auch die Altersstruktur der Beschäftigten, in der eine weitere, demografische Herausforderung schlummert. Die Angestellten im Innendienst, ohne Auszubildende, sowie die Außendienstangestellten waren 2002 – die neueren Zahlen fehlen hier noch – im Schnitt 43 Jahre alt. Das erscheint zwar gegenüber den Vermittlern noch vergleichsweise jung. Dort zeigen verschiedene Erhebungen ein Durchschnittsalter eher um die 50 Jahre (Ausschließlichkeit) und deutlich darüber (Makler).
Ähnlich wie in der bundesdeutschen Bevölkerung wandelt sich die Alterspyramide bei den Versicherungsbeschäftigten jedoch drastisch. Befand sich 2010 noch ein „Bauch“, also ein Schwerpunkt der Innendienst-Beschäftigten, im Altersbereich zwischen Ende 30 und Mitte 40, so ist dieser 2020 deutlich auf Ende 40 bis Ende 50 gerutscht. Im Außendienst ist die Entwicklung noch etwas weiter fortgeschritten. Die Masse der Beschäftigten befindet sich im Alter zwischen 50 und Anfang 60.
Sehr viele Beschäftigte werden bald in den Ruhestand gehen
Mit anderen Worten, sehr viele Beschäftigte zunächst des Außendienstes und wenige Jahre später des Innendienstes werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand eintreten. Da gleichzeitig die Zahl der Auszubildenden seit Jahren sinkt, wird die Beschäftigtenzahl in der Branche bald deutlich sinken. Gleichzeitig dürfte der Druck steigen, schnellere Fortschritte in der Digitalisierung und Prozessautomatisierung zu erreichen.
Autor(en): Matthias Beenken