Vermittlerbüros werden nachhaltiger

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Fast jeder zweite Versicherungsvermittler hat im eigenen Betrieb Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit ergriffen. Welche das sind und wie ansonsten die Haltung zu dem Thema ist.

Alle zwei Jahre befragt der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) zusammen mit Partnern die Versicherungsvermittlerinnen und Versicherungsvermittler zu ihren betriebswirtschaftlichen Strukturen. Die aktuelle Befragung erfolgte im Zeitraum Dezember 2022 bis April 2023 online.

Insgesamt konnten 1.842 Betriebe in die Auswertung einbezogen werden. Dabei handelte es sich zu 90 Prozent um Ausschließlichkeitsvertreter. Knapp vier Prozent waren Mehrfachvertreter und gut sechs Prozent Makler.

Nachhaltigkeit Vermittlerbüros

Fast jeder Zweite hat gehandelt

Die drei Vertriebswege weisen keine größeren Unterschiede beim Thema Maßnahmen zur Nachhaltigkeit im Vermittlerbetrieb auf. 48 Prozent der Teilnehmenden geben an, aktiv geworden zu sein.

Rund 500 Teilnehmende machten nähere Angaben zur Art der Maßnahmen, die sie umgesetzt haben. Dabei handelt es sich zu 97 Prozent um ökologisch motivierte Maßnahmen, im branchentypischen ESG-Kürzel also um den Buchstaben „E“ (Environmental). Der verbleibende Rest ist dem Buchstaben „S“ und damit sozialen Maßnahmen zuzuordnen, keine dagegen dem Buchstaben „G“ wie Governance oder gute Unternehmensführung.

Papierverbrauch im Fokus

Dieses Verhältnis entspricht allerdings auch dem Verständnis der Nachhaltigkeit in der Bevölkerung, die einer anderen aktuellen Umfrage zufolge ebenfalls fast ausschließlich ökologische Themen unter dem Begriff Nachhaltigkeit versteht.

Besonders oft wurde von den Befragten als konkrete Maßnahme eine Reduzierung des Papierverbrauchs genannt. Auch nicht wenige tauschten ihre Beleuchtung im Büro gegen energiesparende Leuchtmittel aus und sparten an der Heizung. Wenig überraschend, wurde auch ein Verzicht auf unnötige Autofahrten häufiger genannt, außerdem die Anschaffung von Photovoltaikanlagen.

Die genannten Maßnahmen haben allesamt auch einen Kostenspareffekt und sind damit betriebswirtschaftlich sinnvoll. Auch darin sind sich die Versicherungsvermittler mit der Bevölkerung einig – nachhaltig heißt auch Verzicht auf verschwenderischen Umgang mit Energie und mit Rohstoffen.

Makler meist ohne Strategie

Bei anderen Themen der nachhaltigen Transformation in den Vermittlerbüros zeigt sich Entwicklungspotenzial, selbst wenn diese regulatorisch getrieben und nicht wie die Maßnahmen im Büro im Prinzip freiwillig sind.

So veröffentlichen beispielsweise mehr als zwei Drittel der befragten Versicherungsmakler keine Nachhaltigkeitsstrategie, entweder, weil sie keine Strategie haben (42 Prozent) oder weil sie erstaunlicherweise keine Homepage besitzen (27 Prozent). Auch Mehrfachvertreter fallen hier mit mehr als vier von zehn Teilnehmern auf, keine Veröffentlichung vorzunehmen. In der Ausschließlichkeit trifft das auf jeden dritten Vertreter zu. Das hängt jedoch nicht damit zusammen, dass Kleinstbetriebe mit weniger als drei Mitarbeitenden keine Veröffentlichung vornehmen müssen. Die meisten Betroffenen machen von dieser Ausnahme keinen Gebrauch, was auch sinnvoll ist.

Die Ausschließlichkeitsvertreter wiederum zeigen wenig überraschend, wenn, dann weit mehrheitlich eine Strategie, die ihr Vertragspartner Versicherer entwickelt hat. Selbst entwickelte Nachhaltigkeitsstrategien haben derzeit in allen Vertriebswegen Seltenheitswert.

Befragung des Kunden noch keine Selbstverständlichkeit

Makler haben auffallend oft ihre Geeignetheitsprüfung bisher nicht um eine Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ergänzt, obwohl das seit 2. August 2022 verpflichtend ist. Gut jeder zweite Makler hat das nicht umgesetzt oder eine Umsetzung erst geplant. In der Ausschließlichkeit hingegen hat weniger als jeder Fünfte diese regulatorische Anforderung noch nicht umgesetzt. Mehrfachvertreter liegen zwischen beiden Vermittlergruppen.

Sehr ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Frage, ob den Kunden mithilfe einer Art Erstinformation erläutert wird, was unter dem Begriff Nachhaltigkeit zu verstehen ist und welche Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunde äußern kann. Bei der Beratung setzt die Ausschließlichkeit weit mehrheitlich auf die Software des Versicherers. Auch bei Mehrfachvertretern ist die Versicherer-Software das relativ am häufigsten gewählte Hilfsmittel. Bei Maklern dominieren einfache Checklisten oder Fragebögen, wenn überhaupt eine Beratung geboten wird. Keine größere Rolle in allen Vertriebswegen spielen bisher Softwarelösungen von Produktrating-Anbietern.

Betreuungsversprechen weit verbreitet

In allen drei Vertriebswegen hingegen steht die Betreuung der Kunden hoch im Kurs. Das ist gerade bei Versicherungsanlageprodukten wichtig, weil die Zusammensetzung der Anlagen – meist Fonds – im Zeitablauf an die Wert- und Marktentwicklung anpassen sollte. Dem Kunden nützen keine Fondswechsel-Optionen, wenn sich niemand um deren Wahrnehmung kümmert.

Vertreter unterscheiden sich von Maklern lediglich darin, dass sie deutlich mehrheitlich regelmäßig die laufende Überprüfung vornehmen, wohingegen Makler gleich oft auch nur anlassabhängig versprechen tätig zu werden.

Makler verpassen Chancen

Makler sind etwas kritischer in der Bewertung des Angebots nachhaltiger Lebens- und anderer Versicherungen als die Vertreter, dasselbe gilt für die Informationen zu solchen Angeboten. Das allein erklärt aber nicht, warum Makler insgesamt zurückhaltend auf die Umsetzung der Nachhaltigkeits-Regulatorik reagieren.

Dabei werden unter Umständen Chancen verpasst – und wenn die nur in einer Kostenersparnis und einer großen Übereinstimmung mit den Kunden besteht, dass Kosteneinsparungen bei Energie und Ressourcen nachhaltig sind. Vermittler haben immer schon am besten überzeugt, wenn sie selbst an ihre Themen und Angebote glauben.

Mehr Informationen

Die Studie „Betriebswirtschaftliche Strukturen des Versicherungsvertriebs – BVK-Strukturanalyse 2022/2023“ ist im Versicherungsjournal Verlag erschienen. Sie enthält auf 168 Seiten umfangreiche Daten zu weiteren Strukturdaten, der Konjunktur im Vermittlerbetrieb, den Vergütungsstrukturen, zur Weiterbildung, zu den Folgen der Corona-Pandemie und als neues, aktuelles Thema zum Umgang mit den nachhaltigkeitsbezogenen Pflichten der Vermittler.

Autor(en): Matthias Beenken

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