Unruhe bei der Gothaer

Die Informationspolitik der Gothaer Versicherungen, mit ihren zwei Hauptverwaltungen in Köln (Konzernsitz) und Göttingen, ist in die Kritik geraten. Mitarbeiter und auch Politiker sind sauer. Ein empfindlicher Arbeitsplatzabbau sei längst beschlossene Sache.

Die Beteiligungsgremien nach dem Betriebsverfassungsgesetz, Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss, sind nach eigenen Angaben nicht informiert worden. Erst vor wenigen Tagen war durchgesickert, dass der Konzern rund 500 Arbeitplätze einsparen will. Eine offizielle Stellungnahme zu dem Gerücht gab es nicht.

Die Bombe platzte


Die Bombe platzte dann in der letzten Woche auf einer Betriebsversammlung bei der Konzern-Tochter Gothaer Lebensversicherung AG in Göttingen. Ohne Vorwarnung verkündete Konzernchef Werner Görg in der niedersächsischen Universitätsstadt, dass am Gothaer Standort Göttingen der Status "Hauptverwaltung" gestrichen werde und dass 300 Stabsstellen des zu den fünfzehn größten deutschen Lebensversicherern zählenden Unternehmens nach Köln (Konzern-Standort) verlagert werden. Weitere Stelleneinsparungen konzernweit seien möglich.

Unverfänglich verpackt


Die Problematik hatte der Vorstandsvorsitzende der Gothaer Gruppe, die 4,11 Milliarden Euro konsolidierte Beitragseinnahmen im Jahr 2003 verzeichnete, ganz unverfänglich verpackt. "Nachdem wir bereits im Bereich der Produktentwicklung und der Mathematik die Kompetenzen unserer Personenversicherer gebündelt haben, machen wir jetzt einen weiteren Schritt in Richtung einer kundenorientierten Struktur", erläuterte Görg das Ziel, die Leistungsbereiche des Konzerns "für den Kunden leichter verständlich und zugänglich zu machen".

Mit Blick auf mehr Service sei eine neue Ressortaufteilung der Gesellschaften unter dem Dach der Gothaer Versicherungsbank VVaG zwingend. Deshalb hätten die Aufsichtsräte der Gothaer Leben AG dem Konzernchef Görg jetzt auch den Vorstandsvorsitz des Lebensversicherers der Gruppe übertragen, nachdem der bisherige Lebenchef Reinhard Blei zum 1. April 2004 aus dem Konzern ausgeschieden war.

Insider hatten sich getäuscht


Gothaer Insider hatten eigentlich damit gerechnet, dass nun Martin Wagener, seit zwölf Jahren Vorstandsmitglied der Gothaer Leben, Nachfolger von Blei werde. Wagener bekam den Vorstandsvorsitz nicht und wird stattdessen nun auch Vorstandsmitglied der Gothaer Allgemeine Versicherung AG, wo er das Ressort Industrie übernimmt.
Wagener, der bisher vom LV-Hauptverwaltungsort Göttingen aus agierte, wird künftig wie 300 Göttinger Inhaber von Gothaer Stabsstellen verstärkt in Köln tätig sein. Am Unternehmenssitz Göttingen mit derzeit etwa 1.200 Beschäftigten sollen nach Unternehmensangaben lediglich die Abteilungen für die Antragsbearbeitung und die Vertragsverwaltung der Lebensversicherung sowie Teile der Sach- und Krankenversicherung des Konzerns bestehen bleiben.

Auf die Frage, ob bei der Gothaer demnächst mit betriebsbedingten Kündigungen zu rechnen sei, antwortete Werner Görg: "In dieser schwierigen Situation können wir nichts ausschließen. In 2004 allerdings geschieht nichts."

Politiker kritisieren Intransparenz


Inzwischen haben Politiker – vor allem aus dem Bundesland Niedersachsen - die Intransparenz der Gothaer Konzernleitung öffentlich verurteilt. So gehe man nicht mit Menschen um, kritisierten sie in Zeitungsberichten. Es sei am Tage der Entscheidung und Bekanntgabe noch nicht einmal möglich gewesen, persönlich mit dem Vorstand in Kontakt zu treten. Noch vor kurzem hätte außerdem der Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft der CDU-Fraktion im Hause der Gothaer getagt. Damals habe der Gothaer Vorstand zugesichert, dass man sich um die Gothaer und den Göttinger Standort keine Sorgen machen müsse. Mit der Verlagerung hunderter Arbeitsplätze nach Köln und weiterem möglichen Stellenabbau werde Göttingen nun aber empfindlich im wirtschaftlichen Kern getroffen.

Erhalt des Unternehmens


Gothaer Chef Görg gab inzwischen bekannt, dass nahezu alle circa zwanzig Gothaer Gesellschaften, zu denen auch die Gothaer Krankenversicherung sowie die Unternehmen der Asstel Versicherungen zählen, auf dem Prüfstand stehen. "Der Wettbewerb ist scharf, der Kostendruck eklatant. Es geht hier nicht darum, in Göttingen Arbeitsplätze abzubauen, sondern um den Erhalt des Unternehmens, den Erhalt des Konzerns." Der Konzern beschäftigt derzeit insgesamt rund 6.400 Menschen.

Noch im Dezember 2003 hatte Görg verkündet: "Die Schwächephase des Marktes haben wir gut überstanden und blicken gestärkt in die Zukunft. Das erfreuliche Ergebnis zeigt, dass unser Unternehmen auch in schwierigen Zeiten bestehen kann." Für das Geschäftsjahr 2003 hatte er damals mitgeteilt, dass die Eigenkapitalrendite des Konzerns bei rund fünf Prozent liege. "Mittelfristig wollen wir über die Zehn-Prozent-Marke hinaus", so Görg.

Autor(en): Marianne Storck

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