Seit der Rentenreform im Jahr 1999, bei der das Renteneintrittsalter für Frauen von 60 auf 63 Jahre angehoben wurde, sparen die Jahrgänge ab 1952 während ihrer Erwerbstätigkeit weniger für das Alter. Doch durch ihre längere Lebensarbeitszeit ergibt sich daraus für die Betroffenen nicht zwangsläufig ein Nachteil.
"Sie haben insgesamt mehr Einkommen zur Verfügung, vor allem in der Rente", stellt Björn Fischer, Wissenschaftler am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim, fest.
Der Forscher vom Bereich Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen bildet mit Experten der Universität Mannheim ein Team von Studienautoren. Diese haben anhand von Daten der deutschen Einkommens- und Vermögensstichprobe (EVS) und der deutschen Befragten im Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) das Sparverhalten von Frauen nach der Reform untersucht. Insgesamt wurden mit den EVS-Daten fast 25.000 Haushalte betrachtet, im Rahmen der Share-Befragung wurden über 1.500 Frauen befragt.
Mehr Geld für Freizeitaktivitäten
"Während ihrer Berufstätigkeit unterscheiden sich die verfügbaren Einkommen von Frauen der verschiedenen Jahrgänge kaum. Haushalte mit ab 1952 geborenen Frauen geben allerdings während der Erwerbsphase mehr Geld für Freizeitaktivitäten aus", erläutert Fischer die Studienergebnisse. Entsprechend sank während der längeren Berufstätigkeit ihre Sparquote um durchschnittlich 1,5 Prozentpunkte im Vergleich mit früher geborenen Frauen.
Durch die Reform steige das Einkommen der Betroffenen über die gesamte Rentenzeit allerdings um durchschnittlich 12,7 Prozent. Sie bezogen länger ein Gehalt und zahlten daher auch länger Beiträge in das System ein. Durch die geringere Sparquote verschiebe sich nun ein Teil des Einkommenszuwachses in die Phase vor der Rente. Dennoch steht ihnen rund zehn Prozent mehr Einkommen in der Rente zur Verfügung als es bei früher geborenen Frauen der Fall ist, die mit 60 in Rente gingen.
Höheres Renteneintrittsalter ist Sicherungsmaßnahme
Die Anhebung des Renteneintrittsalters soll nach dem Willen der Politik die Finanzierung der Rentensysteme in einer alternden Gesellschaft stabilisieren. "Fast 30 Prozent des in Deutschland erwirtschafteten Bruttosozialprodukts wird für soziale Sicherungsmaßnamen ausgegeben. Wesentliche Herausforderung ist die Finanzierung der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung in Zeiten des demografischen Wandels", stellen auch Barbara Kaschützke und Raimond Maurer in Ihrem Springer-Buchbeitrag "Reform der staatlichen Rentenpolitik und Teilnahme am Arbeitsmarkt" fest.
Die beiden Wirtschaftswissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt beziehen sich dabei auf Daten der OECD. Diese prognostiziert, dass aufgrund geringer Geburtenraten und steigender Lebenserwartung der Altenquotient aus den 15- bis 64-Jährigen und Personen mit mehr als 65 Lebensjahren von derzeit 39 Prozent bis zum Jahr 2050 auf 59 Prozent ansteigen wird. Folglich werden Beiträge und Steuerzuschüsse ansteigen, das Leistungsniveau sinken oder das abschlagsfreie Renteneintrittsalter ansteigen, sind sich Kaschützke und Maurer sicher.
Im Rahmen der Eigenversorge bauen die Bürger einen individuellen Kapitalstock bestehend aus Finanz- und Sachvermögen auf, der im Bedarfsfall verwendet werden kann, um allgemeine Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege, Sachschäden und anderes sowie den Altersruhestand zu finanzieren", so die Springer-Autoren.
Menschen passen Sparverhalten an
Ob sich durch die Erhöhung des Renteneintrittsalters Veränderungen im Sparverhalten der Verbraucher bemerkbar machen, wurde bislang allerdings kaum untersucht. Die aktuellen Ergebnisse belegen nun: "Die Menschen reagieren auf solche Reformen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit und passen ihr Sparverhalten an. Das sollte die Politik bedenken und das Sparen für die Rente im Gleichschritt mit solchen Reformen fördern", resümiert Experte Fischer.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Springer Professional.
Autor(en): Angelika Breinig-Schilly