Der Bundesgerichtshof hat gestern die lang erwartete Begründung zum Urteil vom 14. Januar 2016 nachgeliefert, mit der einem Versicherungsmakler unter Androhung hoher Geldstrafen verboten wurde, im Auftrag eines Versicherers Schäden zu regulieren.
Die Urteilsbegründung wird den Versicherungsmaklern und ihren Interessenvertretungen nicht gefallen. Wer als Versicherungsmakler im Auftrag eines Versicherers Schäden reguliert, verstößt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Schadenregulierung „gehört im Regelfall nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers“.
Regulierung von Kleinschäden
Das Urteil vom 14. Januar 2016 (Aktenzeichen I ZR 107/14, siehe auch ) sorgt für erhebliche Aufregung unter Maklern. Was war der Sachverhalt?
Ein dem Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) angehörendes Maklerunternehmen hatte ein Textilreinigungsunternehmen bei der Zurich versichert. Im Rahmen des Betriebshaftpflichtvertrags hatte der Makler die Aufgabe, die zahlreichen Kleinschäden aus beschädigter und zerstörter Kleidung im Auftrag des Versicherers zu regulieren. Dazu wurden standardmäßige Schreiben an die Anspruchsteller versandt, die dem Anspruchsteller die Rechtslage erklären und eine Anspruchsermittlung einschließlich auch Aussagen zur Zeitwertberechnung enthalten. Ein Muster ist in der Urteilsbegründung abgedruckt.
Schadenregulierung nicht typisch für das Berufsbild?
Die Rechtsanwaltskammer Köln sah darin einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz, nach dem nur solche Rechtsdienstleistungen als Nebentätigkeit zu einer anderen Haupttätigkeit als derjenigen des Rechtsanwalts erlaubt sind, die als typisch für das Berufsbild anzusehen sind. Nach Meinung der Anwaltskammer gehört aber die Schadenregulierung gerade nicht zum typischen Berufsbild eines Versicherungsmaklers.
Nachdem die Vorinstanzen Landgericht Bonn und Oberlandesgericht Köln diese Rechtsauffassung nicht teilten, hat nun der Bundesgerichtshof das ursprüngliche Urteil kassiert. Nach seiner Auffassung führt die Schadenregulierung zu einem Interessenkonflikt, weil der Versicherungsmakler als Sachwalter des Kunden anzusehen ist.
Schwierigkeitsgrad der Rechtsfrage spielt keine Rolle
Es spielt seiner Ansicht nach auch keine Rolle, dass es sich hier um Kleinstschäden handelt, bei denen eine "einfache Rechtsfrage" mit standardisierten Texten beantwortet wird. "Der Begriff der Rechtsdienstleistung in § 2 Abs. 1 RDG erfasst jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht", heißt es in den amtlichen Leittexten zum Urteil. Der Schwierigkeitsgrad der Rechtsfrage sei unerheblich.
Der betroffene Versicherungsmakler muss jetzt bei jeder Zuwiderhandlung mit einem Ordnungsgeld von 250.000 Euro rechnen. Der Berufsverband VDVM will allerdings dieses Urteil nicht gelten lassen und sein Glück beim Bundesverfassungsgericht versuchen, so eine erste Stellungnahme gegenüber dem Versicherungsmonitor.
Wer ist wirklich Geschädigter?
Für die Versicherer wie die Makler ist eine wirtschaftliche Abwicklung von Versicherungsverträgen mit Kleinstschäden nach dieser Urteilsbegründung wohl verbaut. Die Frage ist, wem diese Entscheidung nützt. Denn sie kann am Ende nur bedeuten, dass entweder der Versicherer zusätzliche, teure Personalkapazitäten zur Bearbeitung von Kleinstschäden aufbauen muss, oder er muss einen Rechtsanwalt damit beauftragen. Beides wird am Ende in die Betriebshaftplichtversicherungs-Prämien umgelegt werden.
Diese erhöhte Prämie wiederum trägt der Versicherungsnehmer, den der Bundesgerichtshof als Opfer des Interessenkonflikts wähnt. Denn wenn der Makler im Auftrag des Versicherers reguliert, könnte er stärker die Interessen des Versicherers nach einer geringen Schadenlast als das Interesse des Kunden nach einer großzügigen Regulierung verfolgen. Dieses Argument sticht aber nicht, denn der Versicherungsnehmer hat letztlich genauso ein Interesse an einer sparsamen Schadenregulierung, damit seine Versicherungsprämie nicht steigt. Steigende Versicherungsprämien werden zu höheren Preisen für die Kunden und damit zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Anbietern führen.
Argument überzeugt nicht
Der Bundesgerichtshof geht offenbar davon aus, dass der Versicherungsmakler eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt, wenn er für den Versicherer Schäden reguliert. Auch dieses Argument überzeugt wenig, wenn man bedenkt, dass der Kunde - hier eine Reinigung - ohne Weiteres den Makler wechseln kann, wenn das Gesamtpaket aus Versicherungsvermittlung und Schadenregulierung des Maklers für ihn zu höheren Versicherungsprämien führt als bei anderen Versicherern, die die Schadenregulierung selbst übernehmen.
Der Sinn einer Schadenregulierung durch den Versicherungsmakler wird ja gerade darin liegen, dass diese billiger ist als diejenige durch den Versicherer. So zahlen Versicherungsmakler ihren Mitarbeitern oft nicht dieselben hohen Gehälter wie Versicherer nach dem dort geltenden Tarifvertrag. Und die innere Organisation eines Maklers wird auch nicht den Komplexitätsgrad eines großen Versicherers aufweisen. Lebenssachverhalte sollten nicht einseitig nur unter juristischen anstatt auch unter ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden.
Bild: © Onypix /Fotolia.com
Die Urteilsbegründung wird den Versicherungsmaklern und ihren Interessenvertretungen nicht gefallen. Wer als Versicherungsmakler im Auftrag eines Versicherers Schäden reguliert, verstößt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Schadenregulierung „gehört im Regelfall nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers“.
Regulierung von Kleinschäden
Das Urteil vom 14. Januar 2016 (Aktenzeichen I ZR 107/14, siehe auch ) sorgt für erhebliche Aufregung unter Maklern. Was war der Sachverhalt?
Ein dem Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) angehörendes Maklerunternehmen hatte ein Textilreinigungsunternehmen bei der Zurich versichert. Im Rahmen des Betriebshaftpflichtvertrags hatte der Makler die Aufgabe, die zahlreichen Kleinschäden aus beschädigter und zerstörter Kleidung im Auftrag des Versicherers zu regulieren. Dazu wurden standardmäßige Schreiben an die Anspruchsteller versandt, die dem Anspruchsteller die Rechtslage erklären und eine Anspruchsermittlung einschließlich auch Aussagen zur Zeitwertberechnung enthalten. Ein Muster ist in der Urteilsbegründung abgedruckt.
Schadenregulierung nicht typisch für das Berufsbild?
Die Rechtsanwaltskammer Köln sah darin einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz, nach dem nur solche Rechtsdienstleistungen als Nebentätigkeit zu einer anderen Haupttätigkeit als derjenigen des Rechtsanwalts erlaubt sind, die als typisch für das Berufsbild anzusehen sind. Nach Meinung der Anwaltskammer gehört aber die Schadenregulierung gerade nicht zum typischen Berufsbild eines Versicherungsmaklers.
Nachdem die Vorinstanzen Landgericht Bonn und Oberlandesgericht Köln diese Rechtsauffassung nicht teilten, hat nun der Bundesgerichtshof das ursprüngliche Urteil kassiert. Nach seiner Auffassung führt die Schadenregulierung zu einem Interessenkonflikt, weil der Versicherungsmakler als Sachwalter des Kunden anzusehen ist.
Schwierigkeitsgrad der Rechtsfrage spielt keine Rolle
Es spielt seiner Ansicht nach auch keine Rolle, dass es sich hier um Kleinstschäden handelt, bei denen eine "einfache Rechtsfrage" mit standardisierten Texten beantwortet wird. "Der Begriff der Rechtsdienstleistung in § 2 Abs. 1 RDG erfasst jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht", heißt es in den amtlichen Leittexten zum Urteil. Der Schwierigkeitsgrad der Rechtsfrage sei unerheblich.
Der betroffene Versicherungsmakler muss jetzt bei jeder Zuwiderhandlung mit einem Ordnungsgeld von 250.000 Euro rechnen. Der Berufsverband VDVM will allerdings dieses Urteil nicht gelten lassen und sein Glück beim Bundesverfassungsgericht versuchen, so eine erste Stellungnahme gegenüber dem Versicherungsmonitor.
Wer ist wirklich Geschädigter?
Für die Versicherer wie die Makler ist eine wirtschaftliche Abwicklung von Versicherungsverträgen mit Kleinstschäden nach dieser Urteilsbegründung wohl verbaut. Die Frage ist, wem diese Entscheidung nützt. Denn sie kann am Ende nur bedeuten, dass entweder der Versicherer zusätzliche, teure Personalkapazitäten zur Bearbeitung von Kleinstschäden aufbauen muss, oder er muss einen Rechtsanwalt damit beauftragen. Beides wird am Ende in die Betriebshaftplichtversicherungs-Prämien umgelegt werden.
Diese erhöhte Prämie wiederum trägt der Versicherungsnehmer, den der Bundesgerichtshof als Opfer des Interessenkonflikts wähnt. Denn wenn der Makler im Auftrag des Versicherers reguliert, könnte er stärker die Interessen des Versicherers nach einer geringen Schadenlast als das Interesse des Kunden nach einer großzügigen Regulierung verfolgen. Dieses Argument sticht aber nicht, denn der Versicherungsnehmer hat letztlich genauso ein Interesse an einer sparsamen Schadenregulierung, damit seine Versicherungsprämie nicht steigt. Steigende Versicherungsprämien werden zu höheren Preisen für die Kunden und damit zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Anbietern führen.
Argument überzeugt nicht
Der Bundesgerichtshof geht offenbar davon aus, dass der Versicherungsmakler eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt, wenn er für den Versicherer Schäden reguliert. Auch dieses Argument überzeugt wenig, wenn man bedenkt, dass der Kunde - hier eine Reinigung - ohne Weiteres den Makler wechseln kann, wenn das Gesamtpaket aus Versicherungsvermittlung und Schadenregulierung des Maklers für ihn zu höheren Versicherungsprämien führt als bei anderen Versicherern, die die Schadenregulierung selbst übernehmen.
Der Sinn einer Schadenregulierung durch den Versicherungsmakler wird ja gerade darin liegen, dass diese billiger ist als diejenige durch den Versicherer. So zahlen Versicherungsmakler ihren Mitarbeitern oft nicht dieselben hohen Gehälter wie Versicherer nach dem dort geltenden Tarifvertrag. Und die innere Organisation eines Maklers wird auch nicht den Komplexitätsgrad eines großen Versicherers aufweisen. Lebenssachverhalte sollten nicht einseitig nur unter juristischen anstatt auch unter ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden.
Bild: © Onypix /Fotolia.com
Autor(en): Matthias Beenken