Versicherte, die einen privaten Krankentagegeldtarif abgeschlossen haben, müssen bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten mit erheblichen Kürzungen ihrer versicherten Krankentagegeldleistungen rechnen. Bei gravierenden Fällen sogar bis auf null. Vertragsbedingungen sind diesbezüglich mangelhaft oder ungenügend. So jedenfalls die Einschätzung einer Kurzstudie von Premium Circle Deutschland.
Die Ausgangslage: Laut den Vertragsbedingungen der privaten Krankentagegeldversicherung kann maximal das in den vergangenen zwölf Monaten aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen versichert werden. Was konkret dazu zählt, ist nach Einschätzung der Studienersteller unklar.
PKV-Versicherer kann im Leistungsfall Krankentagegeld herabsetzen
Im Leistungsfall kann der private Krankenversicherer (PKV-Versicherer) – trotz vorangegangener Beitragszahlung – das versicherte Krankentagegeld auch während des Leistungsfalls herabsetzen, wenn das Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit in den vergangenen zwölf Monaten entsprechend niedriger war als das versicherte Krankentagegeld. Das ist dann der Fall, wenn Versicherte innerhalb der vergangenen zwölf Monate bereits einmal arbeitsunfähig waren. Dies betraf Kundinnen und Kunden vor allem in der Corona-Pandemie.
In dieser Zeit erhaltene Lohnfortzahlung oder Krankentagegeld zählen vertragsgemäß nicht als Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit und können bei der Ermittlung des im wiederholten Krankheitsfall zu zahlenden Krankentagegeldes vertragsgemäß abgezogen werden.
28 PKV-Versicherer unter die Lupe genommen
Premium Circle hat die Vertragswerke von 28 PKV-Versicherern im Hinblick auf die vertraglich garantierten Leistungen (MB/KT 2009 § 4 Abs. 4 und § 4 Abs. 2 beziehungsweise unternehmensindividuelle Tarifbedingungen) analysiert und im Schulnotensystem mit „sehr gut“, „gut“, „mangelhaft“ und „ungenügend“ bewertet.
Grundlage für die Untersuchung sind wohl verstärkte Nachfragen von privat versicherten Kunden bei der PCD, inwieweit sich die Leistungspraxis diverser PKV-Unternehmen in der Krankentagegeldversicherung in den jeweiligen Vertragsbedingungen widerspiegelt. Offenbar kam es bedingt durch die Pandemie innerhalb von zwölf Monaten oftmals zu wiederholten Arbeitsunfähigkeitszeiten, die teilweise zu erheblichen Leistungskürzungen durch einige PKV-Unternehmen führten.
23 haben geantwortet, drei nicht, drei verweisen auf ihre AVB
Alle 28 Unternehmen wurden zudem mit einem Fragenkatalog zu ihrer diesbezüglichen Leistungspraxis befragt. Dieser wurde von 23 PKV-Versicherern. beantwortet, das entspricht einem Marktanteil von 83,90 Prozent. Drei PKV-Versicherer haben nicht geantwortet. Das sind DEVK, Huk und Universa. Zwei Versicherer haben ausdrücklich geäußert, nicht an der Studie teilnehmen zu wollen. Das sind Allianz und Münchener Verein.
Drei Versicherer (Marktanteil insgesamt 15,60 Prozent) haben unter Verweis auf ihre Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) keine weiteren Angaben zur aktuellen Leistungspraxis erteilt. Das sind die Versicherer Axa, Generali und LVM.
Mit den folgenden vier Fragen wurden die Unternehmen konfrontiert:
- Was gilt nach Ihren Bedingungen konkret als versicherbares (und im Leistungsfall tatsächliches) Arbeitseinkommen und zählt somit gemäß 4 MB/KT als „aus der berufliche Tätigkeit herrührendes Nettoeinkommen“?
- Wird eine innerhalb der letzten zwölf Monate vorangegangene KT-Leistung als Arbeitseinkommen berücksichtigt?
- Wird eine Lohnfortzahlung im AU-Fall ebenso als Arbeitseinkommen berücksichtigt?
- Wird das innerhalb des 12-Monatszeitraumes erzielte Arbeitseinkommen, das gemäß §4 MB/KT als Berechnungsgrundlage dient, auf ein Jahr hochgerechnet, auch wenn es sich nur auf einen Monat beläuft, da für die restlichen elf Monate KT-Leistung oder Lohnfortzahlung als Einkommensersatz gewährt wurde?
Nach der Analyse der vertraglich garantierten Leistungen hat Premium Circle das Fazit gezogen, dass die Vertragsbedingungen - im Falle einer zweiten Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten - bei 21 PKV-Versicherer (70,5 Prozent Marktanteil) „mangelhaft“ und bei sieben (Marktanteil 27,5 Prozent) sogar „ungenügend“ sind.
Bezogen auf die tatsächliche aktuelle Leistungspraxis wurden die Antworten der teilnehmenden Versicherer ausgewertet. Zwölf PKV-Unternehmen (Marktanteil 51,10 Prozent) erhalten danach die Bewertung „sehr gut“, fünf (Marktanteil 10,8 Prozent) „gut“, fünf (Marktanteil 18,3 Prozent) „mangelhaft“ und ein Unternehmen (Marktanteil 3,7 Prozent) „ungenügend“.
Für Versicherte kann erheblicher existenzieller Schaden entstehen
Premium Circle schlussfolgert, dass aufgrund der intransparent und auslegbar formulierten Vertragsbedingungen PKV-Versicherte im Leistungsfall in der Krankentagegeldversicherung sich nicht darauf verlassen können, dass sie Leistungen erhalten. Denn alle analysierten Tarife würden im Leistungsfall ein hohes Überraschungspotenzial bergen.
So könne für Versicherte ein erheblicher existenzieller Schaden entstehen, insbesondere aufgrund des damit verbundenen Auslegungsspielraums im Bereich des §4 Abs. 2 und 4 MB/KT 2009 beziehungsweise der unternehmensindividuellen Vertragsbedingungen.
Der Vertragsabschluss sei aktuell mit einem hohen Risiko im Falle einer zweiten AU innerhalb von zwölf Monaten behaftet. Darum bestehe dringender Handlungsbedarf, den §4 Abs. 2 und 4 MB/KT 2009 zu reformieren beziehungsweise die jeweiligen Vertragsbedingungen der PKV-Versicherer.
Die Leistungspraxis der Versicherer zeige zudem, dass die meisten Unternehmen selbst nicht hinter dem Ergebnis einer strikten Auslegung Ihrer Vertragsbedingungen stehen würden. Wenn die Versicherer/PKV-Verband selbst nicht aktiv werde, müsse der Gesetzgeber für Klarheit sorgen.
Hintergrundinformationen
Premium Circle Deutschland GmbH (PCD) ist eine verbraucherorientierte Beratungs-und Informationsgesellschaft für die Gesundheits-und Versicherungswirtschaft. Ziel der unterschiedlichen geschäftlichen Tätigkeiten ist es, Markt, Marktteilnehmer, Produkte und Vertrieb im Sinne der Verbraucher in Richtung Transparenz und relevanter Leistungen weiter zu entwickeln.
Die Grundlagen hierfür bilden unter anderem Analysen vertraglich garantierter Versicherungsleistungen der PKV-Vollkostentarife, Krankentagegeldtarife, Berufsunfähigkeits-und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen.
Unser Service für Sie
Die Studie kann kostenlos bestellt werden unter www.premiumcircle.de/project/kt-studie-2022
Autor(en): Meris Neininger