Der Wahlkampf ist bereits in vollem Gange. Klar: Schlechte Botschaften passen da nicht ins Konzept. Es fehlt den Parteien an Ehrlichkeit, wenn es um die künftige Rentenpolitik geht.
Am einfachsten wäre es, wenn es in Deutschland in den kommenden Jahren ein so hohes wirtschaftliches Wachstum gäbe, dass die Kassen der Sozialversicherung gefüllt wären und der demografische Wandel sich nicht so hart durchschlägt, wie es viele Experten befürchten. Doch leider geben dies die Prognosen nicht her – im Gegenteil. Ein neues Jahr bricht an, die wirtschaftlichen Probleme bleiben dieselben. Nach der Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird die Wirtschaft in der Stagnation verharren und, wenn überhaupt, gerade mal um 0,1 Prozent wachsen – und das nach zwei Jahren Rezession.
Die Lage ist alarmierend: Hohe Bau- und Finanzierungskosten hemmen die Bauwirtschaft. Die Bauinvestitionen sind 2024 um fast vier Prozent gefallen, 2025 wird mit einem weiteren Rückgang gerechnet. Das IW resümiert: Weil Arbeit und Energie in Deutschland besonders teuer und die Bürokratie besonders umfangreich sind, können die Industrieunternehmen immer weniger mit den Preisen der ausländischen Konkurrenz mithalten. Die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte sind seit 2020 um 40 Prozent gestiegen, die deutschen Exportpreise im gleichen Zeitraum um rund 20 Prozent.
Reformen gefordert
Auch der Mittelstand befürchtet im kommenden Jahr eine rasante wirtschaftliche Talfahrt. Acht von zehn mittelständischen Unternehmen (80 Prozent) rechnen 2025 mit einem beschleunigten Schrumpfen der deutschen Wirtschaft, wie aus einer Umfrage des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) hervorgeht. Der Verband fordert eine Reformpolitik in allen Zweigen der Sozialversicherung, im Bereich des Bürokratieabbaus, der Energiekosten, der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, damit die Unternehmen wieder Hoffnung schöpfen und auch am Standort Deutschland investieren.
Vertrauen wieder herstellen
An erster Stelle im Aufgabenheft der neuen Bundesregierung muss stehen, dass Politik wieder Vertrauen bei den Bürgern schaffen muss. An den Beispielen Wärmepumpe und Elektroautos zeigt sich, wie die politischen Entscheidungsträger das Vertrauen der Menschen verloren haben, da sie widersprüchliche und inkonsistente Entscheidungen getroffen haben. So sagt Bosch-CEO Stefan Hartung nicht zu Unrecht: „Wo Klima- und Energiepolitik widersprüchlich ist, werden Investoren nicht investieren, sondern warten. Wachstum setzt eine klare und berechenbare Förderpolitik voraus.“
Immer höhere Beiträge in der Krankenversicherung
Was passiert, wenn Regierende keine Reformen in der Sozialversicherung vornehmen, ist im Moment sehr gut zu beobachten. Die Beiträge in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung laufen aus dem Ruder. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen, moniert: „Seit rund zehn Jahren erleben wir Gesundheitsminister, die zwar gut darin sind, über neue Gesetze die Ausgaben zu steigern, aber versäumen, die Stabilität der Beiträge in den Blick zu nehmen.“
Lohnzusatzkosten gefährden Arbeitsplätze
Dazu kommt: Der Eintritt der Babyboomer in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) läuft bereits – mit der Konsequenz ebenfalls stark steigender Beiträge. Nach aktuellen Prognosen werden im kommenden Jahr die Sozialversicherungsbeiträge von derzeit etwa 40 auf etwa 42,3 Prozent des Bruttolohns ansteigen. Und der Trend zu weiteren Steigerungen gerade in der GRV wird noch stärker werden. Die Lohnzusatzkosten gefährden mittlerweile den Standort Deutschland, denn schon heute zählen die Lohnzusatzkosten in Deutschland zu den höchsten der Welt. Das wird auch die Zahl der Arbeitslosen weiter nach oben ziehen.
Rentenreform dringend gesucht
Angesichts dieser Ausgangslage wird eine strukturelle Rentenreform immer dringender. Doch ein Blick in die Wahlprogramme der beiden großen Parteien, die wahrscheinlich die neue Bundesregierung stellen werden, enttäuscht. Die SPD will wie gehabt das Rentenniveau bei 48 Prozent des letzten Nettoeinkommens festschreiben, die Regelungen zur Rente nach 45 Beitragsjahren sollen beibehalten werden und die Beiträge können weiter zu Lasten der jüngeren Generation steigen. Auch die CDU will weder am Renteneintrittsalter noch bei der Rente nach 45 Beitragsjahren rütteln. Positiv: Wer über das Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, soll bis zu 2.000 Euro steuerfrei verdienen können.
Und mit einer „Frühstart-Rente“ soll der Staat für jedes Kind vom sechsten Lebensjahr an bis zum 18. Geburtstag monatlich zehn Euro anlegen. Dieses Kapital soll in Aktienfonds angelegt werden. Das alles wird das Demografieproblem nicht lösen können. Einzig bei FDP und Grünen sind neue Ansätze erkennbar, die aber ebenfalls das Problem der immer älter werdenden Bevölkerung nicht lösen können: Die Grünen wollen einen neuen „Bürgerfonds“ gründen, um das Rentenniveau stabil zu halten. Und die FDP hält an ihrer Aktienrente fest.
Was bleibt
Es ist leider kein großer Wurf in der Rentenpolitik zu erwarten, da die Partien unpopuläre Entscheidungen scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Diese sind aber notwendig. Denn es wird aber höchste Zeit, die Rente ab 63 Jahren (heute 64,5 Jahre) abzuschaffen und die Anreize für einen vorgezogenen Ruhestand abzuschaffen. Das Renteneintrittsalter sollte an die gestiegene Lebenserwartung so gekoppelt werden, dass sie nicht alle paar Jahre geändert werden muss. Auch sollte die Politik endlich aufhören, der GRV immer weitere versicherungsfremde Leistungen aufzubürden, sondern sie dagegen verringern.
Autor(en): Bernhard Rudolf