Das Softwareunternehmen Guidewire hat eine Studie zum Thema "Image, Kundennähe und Marktpotenzial der Versicherer" veröffentlicht. Versicherungsmagazin sprach mit dem Guidewire-Experten René Schoenauer unter anderem über die Lehren, die Versicherer aus der Umfrage ziehen sollten.
Ihre Studie zeigt, dass sich das Image der deutschen Versicherer in der Corona-Pandemie leicht verbessert hat. Was müssen die Versicherer tun, damit in der "neuen Normalität" das Vertrauen in die Unternehmen nicht wieder sinkt?
René Schoenauer: Es ist richtig, dass Initiativen der Versicherer während der COVID-19-Pandemie bei fast jedem Vierten der deutschen Befragten zu einem positiveren Bild der Branche geführt haben. Hier zeichnet sich eine Tendenz ab. Aber immer noch sind rund 30 Prozent der Verbraucher der Ansicht, dass die Versicherer während der Pandemie insgesamt nicht genug für die Menschen getan haben. Das Image der Versicherer ist weiterhin von kritischen Vorbehalten geprägt.
Für die Zukunft ist es für Versicherer entscheidend, ihr Potenzial in punkto Kundennähe und Customer Experience weiter auszubauen, um das Vertrauen der Verbraucher zu stärken. Ein wichtiger Punkt ist hier die Anpassung an veränderte Produktpräferenzen, die sich während der COVID-19-Pandemie entwickelt haben. Unsere Studie zeigt, dass sich der Fokus bei der Nachfrage nach Versicherungsprodukten verschoben hat. Die Bedeutung von Krankenversicherungen (mit bundesweit 43 Prozent) und Reiserücktrittspolicen (38 Prozent) ist ebenso deutlich gestiegen wie die Absicherung gegen Arbeitsplatzverlust (37 Prozent). Jeder vierte Deutsche würde sich außerdem gerne gegen das Risiko von Zahlungsausfällen wappnen.
Wie können sich die Versicherer besser auf die Kundenerwartungen einstellen?
Unsere Studie zeigt deutlich, dass ein großes Marktpotenzial für konsolidierte, personalisierte und nutzungsabhängige Services besteht:
- Beinahe drei Viertel der deutschen Verbraucher würden gerne ihre Versicherungspolicen konsolidieren und nur mit einem Versicherungspartner zu tun haben, der in der Lage ist, ihnen ein individuelles Versicherungspaket anzubieten;
- Die Hälfte der deutschen Verbrauer sieht den Wert von nutzungsabhängigen Versicherungsmodellen. Guidewire bietet zum Beispiel eine solche Lösung für Usage-Based Insurance (UBI) im Bereich Kfz, die den gesamten Lebenszyklus einer Versicherung, einschließlich Angebot, Tarifierung und automatischer Schadenaufnahme unterstützt; und
- Über 80 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Unterstützung bei der Schadenprävention und sind offen für mehr proaktive Versicherungsservices, die unter anderem auch Risikowarnungen beinhalten.
Auch in der "neuen Normalität" wird das Thema Homeoffice bleiben, denn viele Unternehmen planen hybride Arbeitsmodelle. Unsere Studie zeigt, dass drei von fünf der befragten Deutschen nicht wissen, welchen Versicherungsschutz ihre Hausratversicherung beim Arbeiten im Homeoffice bietet. Hier sind die Versicherer in der Pflicht, ihre Kunden proaktiv zu informieren, um sich als zuverlässige Partner in veränderten Lebenslagen zu positionieren.
Kann die fortschreitende Digitalisierung den Versicherern helfen, besser mit ihren Kunden zu kommunizieren?
Auf jeden Fall. Die Pandemie hat eine deutliche Beschleunigung von Digitalisierungsmaßnahmen bewirkt - für alle Beteiligten des Versicherungszyklus. Das Omnikanal-Konzept wird deutlich an Bedeutung gewinnen. Es muss jederzeit möglich sein, nahtlos über verschiedene Kanäle hinweg zu kommunizieren, ohne dass Informationen verloren gehen. Voraussetzung dafür sind transparentere Prozesse, Systeme und letztendlich auch Daten.
Gerade bei Schadenmeldungen kommunizieren Versicherungsnehmer in Deutschland immer noch am liebsten per Telefon (60 Prozent laut unserer Studie). Aber der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Schadenbearbeitung - und auch im Verkaufsprozess - wird zunehmen. Dabei geht es darum, den persönlichen Kundenkontakt, der einen hohen Stellenwert hat, sinnvoll durch KI zu ergänzen. So kann KI zum Beispiel in der Kommunikation bei einfachen Schäden den Versicherungsnehmer entlasten, indem ein Schaden schnell automatisiert oder über einen Chatbot gemeldet wird. Entscheidend ist hierbei immer, dass der Kunde den von ihm bevorzugten Kommunikationsweg wählen kann. Beim Einsatz von KI ist darauf zu achten, dass die getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar sind, um Intransparenz zu vermeiden.
Welches ist die dringendste Maßnahme, die die Assekuranz in Angriff nehmen muss?
Versicherer müssen sich so aufstellen, dass sie schnell auf veränderte Marktbedingungen reagieren können. Sie müssen agil sein und Innovationen vorantreiben - dann bleiben sie auch nahe am Kunden und können Marktpotenziale ausschöpfen.
Eine wichtige Grundlage für künftigen Erfolg liegt für Versicherer darin, ihre IT zu verschlanken und zu vereinfachen. In der IT-Modernisierung sehen wir daher eine Maßnahme mit hoher Priorität. Dabei führt der logische nächste Schritt in die Cloud. Der Vorteil von cloudbasierten Lösungen liegt dabei auf der Hand: Versicherer können vermehrt Verantwortlichkeiten in die Hand des Anbieters legen. Nach demselben Muster, wie schon andere SaaS-Lösungen betrieben werden, kümmert sich der externe Partner sowohl um den Systembetrieb, Updates und Compliance sowie um das Thema Datensicherheit.
Darüber hinaus sollten Versicherer daran arbeiten, Ökosysteme und Plattformen in Betracht zu ziehen, die über die reine Versicherung hinausgehen. Dazu können sie mit anderen Unternehmen außerhalb ihres Kerngeschäfts kooperieren. Versicherungen sind dann eigenständiger Teil eines weiterführenden Angebots. Versicherer könnten beispielsweise eine Reiseplattform schaffen oder Teil einer solchen werden, bei der dann auch die Versicherung mit angeboten wird. Solche Plattformen bieten zudem den Vorteil, dass die Interaktionsrate sich erhöht. Kunden melden sich dann nicht mehr nur bei ihrem Versicherer, wenn sie einen Schadenfall haben. Und Versicherer erhalten durch die höhere Interaktionsrate mehr Einsichten in die Bedürfnisse ihrer Kunden und können dies vermehrt für personalisierte Produktangebote nutzen.
Das Image der Branche ist in der Presse in der Regel schlecht. Was sollten die Versicherer tun, um gegen diese Darstellung anzugehen?
Versicherer sollten proaktiv und kontinuierlich über die Medien mit der Öffentlichkeit kommunizieren. Hier ist vor allem Transparenz gefragt. Wenn Versicherer in die Kritik geraten, sollten sie zeitnah Stellung nehmen, umfassend informieren und etwaige Fehler eingestehen. Dies trägt zu einem positiven Image bei. Selbstverständlich sollte jeder Versicherer die Öffentlichkeit über neue Produkte und Services auf dem Laufenden halten und sich als Experte zu Branchenthemen positionieren, um das eigene Know-how zu unterstreichen.
Personalisierte Versicherungsangebote können dazu dienen, näher an den Kunden heranzurücken, ihm maßgeschneiderte statt Standardlösungen anzubieten, und so ein engeres und vertrauensvolleres Verhältnis zu schaffen.
René Schoenauer ist Director Product Marketing EMEA bei Guidewire Software.
Autor(en): Alexa Michopoulos