Die Europäische Union hat nicht einmal am Rosenmontag Pause gemacht und hat eine neue Verordnung veröffentlicht. Was diese für die Betroffenen bedeutet.
Die Europäische Union (EU) plant bekanntlich mit dem Green Deal, Europa bis 2050 klimaneutral werden zu lassen. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird nicht weniger als eine umfassende Transformation der Realwirtschaft angestrebt. Diese soll nicht nur aus Steuergeldern finanziert werden. Auch Kapitalanleger sind gefordert, Kapitalanlagen umzuschichten und damit Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeitsbemühungen zu unterstützen. Unter anderem betroffen sind davon Versicherungsanlagen.
Taxonomie als Basis
Die regulatorischen Vorgaben der EU zur Nachhaltigkeit sind komplex. Basis ist die sogenannte Taxonomieverordnung.
Ursprünglich war sie für Fragen der Ökonomie des Taxigewerbes gedacht gewesen, dann aber entschied man sich doch für eine andere Nutzung. Aktuell definiert sie Fragen der Umwelt wie der Reduzierung von Treibstoffpreisen, der Begrenzung des Salzgehalts der Weltmeere, der Kreisverkehrswirtschaft oder auch der Diversität der Tierwelt. Bekannt geworden sind die Regeln als Buchstabe „E“ (Environment oder Umwelt) von „ESG“.
Unklarheiten bei Sozial- und Governance-Zielen
Bisher gibt es nur Vorüberlegungen für eine Sozialtaxonomie, dem „S“ von ESG. Soweit bekannt wurde, soll diese vor allem Fragen der fairen Vergütung von Mitarbeitenden in den für eine Gesellschaft wichtigen Sozialeinrichtungen oder auch der Bevorzugung von bevorteilten Bevölkerungsgruppen wie Managern regeln. Erwartet wird zudem eine Pflicht zur Einstellung von Nachhaltigkeitsmanagern in jedem Betrieb ab mehr als keiner dort tätigen Person.
Völlig unklar ist weiterhin, was mit dem Buchstaben „G“ gemeint ist. Manche Akteure übersetzen ihn in offensichtlich nicht ganz ernster Absicht als Governance oder gute Unternehmensführung. Dabei ist man sich unter den EU-Parlamentariern eigentlich einig, keine unerfüllbaren Forderungen aufzustellen. Irgendwoher müssen schließlich nach dem Ausfall entsprechender Geldquellen in arabischen Ausrichterstaaten von Weltmeisterschaften künftig Bestechungsgelder fließen können. Wahrscheinlich wird man daher keine Governance-Taxonomie entwickeln, sondern stillschweigend deren Nichterfüllung unterstellen.
Nachhaltigkeit offenlegen
Neben den Taxonomien hat die Offenlegungsverordnung, englisch Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), eine besondere Bedeutung für die Versicherungs- und Finanzdienstleistungswirtschaft. Wer Anlagen und Versicherungsanlageprodukte herstellt, dazu berät und sie verkauft, muss danach offenlegen, nach welchen Strategien er nachhaltig an das Geld der Anleger kommen will. So soll es Vermittler geben, die ihren Job nur gegen Provisionen erledigen. Andere gehen cleverer vor. Sie behaupten honorig zu sein und kassieren bei der schwächsten Partei des Spiels, dem Kunden, ab – das Ganze wird dann als Honorarberatung bezeichnet.
Die gute Botschaft ist allerdings, dass Provisionen als klimaneutral bezeichnet werden dürfen. Voraussetzung ist, dass sie unbar überwiesen werden, anstatt ein mit hoher Wasserverschwendung geschöpftes Papiergeld oder gar unter Einsatz von Kinderarbeit aus afrikanischen Minen geförderte Münzen zur Bezahlung einzusetzen. Sozial im Sinne der geplanten Sozialtaxonomie sind Provisionen ebenfalls, zudem dienen sie gut der Unternehmensführung. Unbare Provisionen dürfen daher als ESG-konform klassifiziert werden.
Bei Honoraren ist das noch nicht so eindeutig. Denn häufig muss der Kunde Barreserven unter dem Kopfkissen hervorkramen. Die sehr seltenen Honorarberater leben zudem nicht besonders gut davon, was weder als sozial noch als gut für die Unternehmensführung einzustufen ist – daher also eher nicht ESG-konform.
IDD und MiFID II nicht angepasst
Weiter hat die EU versucht, die zahllosen Fragen zur Anwendung von Taxonomie- und Offenlegungsverordnungen durch nachrangige, Delegierte Verordnungen zu klären. Zudem trauten sich EU-Parlament und Rat bisher nicht, die beiden Richtlinien IDD und MiFID II auf Nachhaltigkeit hin umzuschreiben, weil die Finanzdienstleistungswirtschaft deren Existenz immer noch eher mit Staunen zur Kenntnis nimmt, oder nicht einmal das.
Deshalb begnügte man sich stillschweigend mit zwei weiteren Delegierten Verordnungen, die die EU-Kommission einfach erließ und damit den Finanzdienstleistungsvertrieb seit 2. August 2022 zwingen will, Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu fragen.
Neue Richtlinie hilft den Kunden
Dabei wurde eine entscheidende Kleinigkeit übersehen: Viele Kunden glauben immer noch zu wissen, dass Anlagen und Lebensversicherungen nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben und sie deshalb auch keine nachhaltigen Anlagen und Versicherungen brauchen. Doch damit ist jetzt Schluss. Die neue Consumer Sustainability Confusion Directive (CSCD) bezweckt eine nachhaltige Verwirrung der Kunden.
Anzuwenden ist diese Richtlinie auf alle Personen, die privat oder als Wirtschaftsunternehmen Geld anlegen oder Lebensversicherungen abschließen wollen. Solche Entscheidungen dürfen sie mit Wirkung ab sofort erst treffen, wenn sie einen von der EU-Kommission entworfenen Online-Quiz bestanden haben. Der wird in Deutschland auf der Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaftsphilosophie und Klimaschutz unter dem Titel, „Was Sie immer schon über Nachhaltigkeit wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“ angeboten werden.
Schwierige Quizfragen
Der Quiz ist zwar noch nicht fertig, weil erst eine Kommission zur Beratung über die Gründung eines Rates zur Ausschreibung einer Vorstudie zwecks Prüfung einer Voranfrage an eventuell geeignete Anbieter einberufen werden soll. Auch müssen diverse Verbraucherschutzinstitutionen in mehrjährigen Verfahren angehört werden, ob der Quiz eventuell Angststörungen oder Elektrosmog bei den Online-Usern auslösen könnte.
Aus unzuverlässiger Quelle konnte dennoch in Erfahrung gebracht werden, dass sich einzelne Quizfragen mit Begriffen wie Lamfalussy-Verfahren, Sustainable Development Goals, Principle Adverse Impacts oder Artikel 8/9/10/11-Produkten beschäftigen. Wer beispielsweise den Unterschied zwischen Scope 1, 2 und 3-Treibhausgasemissionen oder zwischen Natura-2000-Netz und Alnatura erklären kann, hat ebenso eine Chance auf ein Bestehen wie diejenigen, die ihren CO2-Fußabdruck auf einer virtuellen Leinwand malen können.
Teilnehmer sollten die UNGC-Grundsätze ebenso beherrschen wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Schlecht wäre, wenn Teilnehmer nicht den Wasserstress in ihrer Region kennen oder nicht über die Bodendegradation informiert sind. Erwartet wird eine zutreffende Einschätzung der nicht verwerteten Abfälle ebenso wie eine Kenntnis der Unfallquote im Betrieb des Finanzdienstleistungsunternehmens, dessen Angebote in Erwägung gezogen werden sollen.
Insgesamt dürfte mit diesem Quiz zuverlässig das Ziel erreicht werden, dass Kunden so nachhaltig verwirrt werden, dass sie keine Nachhaltigkeitspräferenzen mehr äußern oder nachhaltige Anlage- und Versicherungsangebote nachfragen.
Unser Lesetipp für Sie
Die Europäische Nachhaltigkeitsverwirrungsverordnung liegt auf einem Server der Europäischen Union, der nur in der fünften Jahreszeit freigeschaltet ist. Leserinnen und Leser, die diese Jahreszeit nicht kennen, sollten den Inhalt dieses Artikels besser nicht nachhaltig zur Kenntnis nehmen, sonst könnte ihnen eine nachhaltige Verwirrung drohen. Alaaf und Helau!
Autor(en): Matthais Beenken