Mehr Anlegerschutz bei stillen Beteiligungen

Eine Belehrung von Verbrauchern über ihr 14-tägiges Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften muss klarstellen, wann genau diese Frist zu laufen beginnt. Sonst liegt ein Verstoß vor, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 18. April 2005 (Az.: II ZR 224/04).

Mit dieser eher harmlos klingenden Entscheidung öffnete der BGH Kapitalanlegern eine juristische Hintertür, die in ihrer Wohnung zum Beispiel eine stille Beteiligung der Göttinger Gruppe (GG) unterschrieben, inzwischen aber aus den langjährigen Verpflichtungen aussteigen und ihr Geld zurück haben wollen. Dies war in der Vergangenheit kaum gelungen. Grund: Die Drahtzieher verfügen über exzellentes Wissen und haben ihre dubiosen Angebote damit juristisch wasserdicht gemacht. Die besondere Qualifikation des langjährigen Dreigestirns der Göttinger Gruppe:
- Ex-Vorstand Erwin Zacharias ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater; Gründer des Unternehmens (1986), inzwischen per Haftbefehl gesucht und laut DFI-gerlach-report untergetaucht,
- Vorstand Jürgen Rinnewitz ist Rechtsanwalt (heute: Vorstand der Securenta AG),
- Vorstand Michael Hebig ist Diplom-Kaufmann (heute: Geschäftsführer der Göttinger Gruppe Vermögens- und Finanzholding GmbH & Co. KGaA).

Freilich blieb die Göttinger Gruppe bisher den Nachweis schuldig, dass ihre Offerten für die Anleger sinnvoll sind. Im aktuellen BGH-Fall hatte ein Mann mehrere Beteiligungen als stiller Gesellschafter in seiner Wohnung gezeichnet. Das Besondere: Der Anleger, laut DFI-gerlach-report ehemals selbst Vermittler bei der Göttinger Gruppe und überzeugt von dem Produkt, zeichnete 1997 eine atypisch stille Beteiligung. Ende 1999 waren von seinen 200.000 DM laut Kontoauszug nur noch 179.000 DM übrig. Ende 2001 kündigte er vertragsgemäß. Am Ende sollten die Auseinandersetzungsguthaben aus beiden Ratenverträgen über einen Zeitraum von zehn bzw. zwölf Jahren in monatlichen Raten ausgezahlt werden. Nun verlangte der Mann jedoch das gesamte Kapital zurück. Begründung: falsche Beratung, Nichtigkeit bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen einer Untersagung der Ratenauszahlung der Auseinandersetzungsguthaben durch die Finanzaufsicht.

Während des Rechtsstreits hat der Anleger seine Vertragserklärungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen. Die Göttinger Gruppe lehnte die Forderungen ab, weil die Frist längst verstrichen sei. Das sah der BGH jedoch nicht so. Anders als das OLG Braunschweig sah es die Frist zum Widerruf als noch nicht verstrichen an.

Als Begründung bediente sich der BGH einer juristischen Spitzfindigkeit: Die vorgedruckte Belehrung über das Widerrufsrecht ließ nicht eindeutig erkennen, ob die Frist mit Unterzeichnung durch den Kunden, den Vertragspartner oder den Vermittler zu laufen beginne. Damit habe die Frist letztlich noch gar nicht angefangen, als der Anleger später von den Verträgen zurücktrat, so der BGH. Nach dem Gesetz (§ 2 Absatz 1 HaustürWG) beginne der Lauf der Frist erst, wenn dem Kunden eine Widerrufsbelehrung ausgehändigt wird, die drucktechnisch deutlich gestaltet und geeignet ist, einen rechtsunkundigen Empfänger vollständig, zutreffend und unmissverständlich über die Voraussetzungen seines Widerrufsrechts zu belehren. Daran fehle es hier.

Dennoch erhält der Anleger nicht seine kompletten Einzahlungen zurück, sondern nur das Auseinandersetzungsguthaben. Dies ist bei der Göttinger Gruppe in der Vergangenheit jedoch häufig negativ gewesen, so dass Betroffene gar kein Geld zurückbekommen haben. Erst wer sich als atypisch stiller Gesellschafter an der GG nach dem 31. Dezember 1997 beteiligt hat, kann seine Einzahlungen komplett zurückverlangen, entschied der BGH in fünf Urteilen vom 21. März 2005 (u. a.: Az.: II ZR 124/03). Damit steht fest: Der Mann hat seine Beteiligung zu früh gezeichnet. Erst für Verträge ab 1998 greift die verschärfte Prospekthaftung.

Auch die BaFin verstärkt den Druck auf neue Angebote aus dem Dunstkreis der GG. So wurde jetzt die Abwicklung des Deutschen Vermögensfonds I angeordnet. 18 Millionen Euro aus dem Fonds sollen in eine Art Auffanggesellschaft für zerschlagene Vertriebsgruppen der Göttinger Gruppe geflossen sein. Zudem sei als rechtlicher Konzeptionär Jürgen Rinnewitz verantwortlich.

Autor(en): Detlef Pohl

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