Makler als ausgelagerte Versichererfunktion

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Die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) verfolgt das Ziel, dass der Kunde im bestmöglichen Interesse beraten wird und dafür auch nur geeignete Produkte angeboten erhält. Letzteres müssen also die Konzipienten von Versicherungsprodukten sicherstellen. Laut der dazu existierenden, Europäischen Delegierten Verordnung 2017/2358 können auch Versicherungsvermittler Konzipienten sein.

Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings die Verantwortung allein beim Versicherungsunternehmen verortet. Nach § 23 Abs. 1a bis 1d VAG muss ein Versicherer neue oder wesentlich veränderte Produkte einem internen Genehmigungsprozess unterziehen, der unter anderem sicherstellt, dass die Produkte nur an den jeweils definierten Zielmarkt vertrieben werden.

Auch Makler stellen Produkte her

Deshalb weist Kaj Hanefeld, Mitarbeiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), in seinem in dem Buch "Das interne Produktfreigabeverfahren" abgedruckten Referat darauf hin, dass der Versicherer auch dann verantwortlich bleibt, wenn ein Vermittler als Produkthersteller auftritt. Namentliches Beispiel ist der Assekuradeur, also ein mit besonderen Vollmachten ausgestatteter Versicherungsvertreter.

Produkte werden aber auch von Versicherungsmaklern entwickelt und Risikoträger dazu aussucht. In diesem Fall vertritt der Bafin-Vertreter die Ansicht, bei "Beauftragung eines Dritten mit der Produktherstellung dürfte es sich regelmäßig um eine Ausgliederung in diesem Sinne handeln. In diesem Fall sind die Bestimmungen nach § 32 VAG über die Ausgliederung zu beachten. Das dürfte Makler allerdings in eine konfliktträchtige Rolle zwischen der Sachwaltertätigkeit für den Kunden und der vertraglichen Einordnung als Funktion des Versicherers bringen. Ausgenommen von der Problematik sind Versicherungen für Großrisiken oder auch hochindividuelle Verträge nur für einen einzelnen Kunden, aber dennoch bleibt das Problem im Massengeschäft mir Privat- und mit Gewerbekunden bestehen.

Qualifiziert ja, aber nach welchen Regeln?

Zur Weiterbildung führt der Referent aus, dass laut der europäischen Verordnung diejenigen Mitarbeiter, die an der "Herstellung von Versicherungsprodukten" beteiligt sind, "ausreichend qualifiziert sind". Sie sollen richtig verstehen, was die „Interessen, Ziele und Merkmale der zum Zielmarkt gehörenden Kunden“ sind. Allerdings sei die Produktherstellung keine Vertriebstätigkeit, sodass die Vorgaben von § 48 Abs. 2 VAG nicht anzuwenden sind. Mit anderen Worten, es gelten nicht die Anforderung einer angemessenen Ausbildung und von 15 Stunden jährlicher Weiterbildung, aber irgendwie sollen die Mitarbeiter doch qualifiziert sein.

Selbst wenn das formal richtig ist, so klingt doch zwischen den Zeilen eine verbreitete, enge Auslegung durch, wonach die IDD nur Außendienstler und selbstständige Verkäufer betreffen würde. Wenn der Verkäufer sich aber auf denjenigen verlassen muss, der die Versicherungen "im Innendienst" konzipiert, ebenso wie auf denjenigen, der sie später beim Versicherer "im Innendienst" verwaltet und den Schaden reguliert, dann reißt die von der IDD gedachte Linie der vollständigen Ausrichtung auf das bestmögliche Kundeninteresse, die von der Konzeption über Beratung und Verkauf bis hin zur Vertragserfüllung - insbesondere im Schadensfall - reicht.

Werbung für eine Neuerung ist eine Neuerung

Eine andere wichtige Frage ist, wann eine "wesentliche Anpassung" eines Versicherungsprodukts vorliegt, bei der ein Genehmigungsprozess notwendig ist. Hier wird der Hinweis gegeben, dass eine kundenindividuelle Kombination von bestehenden Bausteinen einer Deckung keine solche Änderung darstellt, sehr wohl aber die Ergänzung des bestehenden Versicherungsschutzes um einen neuen Baustein. Ob es sich dabei im Einzelnen um ein "neues" oder ein "wesentlich verändertes" Produkt handelt, spielt gar keine Rolle, denn beide Sachverhalte sind gleich zu behandeln. Wesentliche Änderungen können bei den im Versicherungsfall versprochenen Leistungen, der Prämienhöhe abgesehen von vertraglich vorgesehenen Anpassungsmechanismen, den Kosten, dem Risiko oder beim Zielmarkt, also den geeigneten Zielkunden, vorliegen.

Eine sehr pragmatische Auslegung ist nach den Worten des Bafin-Vertreters, dass es wohl um eine genehmigungsbedürftige Neuerung geht, wenn der Versicherer "mit der Neuheit oder Änderung wirbt". Eine weitere Festlegung betrifft den Rhythmus, in dem Versicherungsprodukte überprüft werden sollen. Dafür gebe das Gesetz keine konkrete Angabe her, aber die Aufsicht halte eine Überprüfung mindestens alle drei Jahre für angebracht.

Rückkehr zur alten Produktaufsicht durch die Hintertür

Nicht nur an dieser Auslegung übt Jürgen Bürkle deutliche Kritik. Weiter befürchtet er, dass die Produktgenehmigungsvorgaben zu einer teilweisen Rückkehr zur behördlichen Vorabgenehmigung von Versicherungsbedingungen führen kann, obwohl diese nach den Solvency II-Bestimmungen nicht zulässig ist. Zudem könnte sich die Angebotsauswahl reduzieren, weil Versicherern der Aufwand für die internen Verfahren zu groß wird. "Die Vermischung von verbraucherschutzbezogenen und unternehmensbezogenen Regelungen" führt nach Meinung von Meinrad Dreher "zu erheblicher Intransparenz mit nachteiligen rechtlichen Folgen".

Ein von mehreren Autoren diskutiertes Thema ist, ob und inwieweit sich ein Kunde direkt auf die Produktgenehmigungsvorgaben beziehen kann, beispielsweise wenn er sich falsch beraten sieht. Denn diese sind öffentlich-rechtliche Vorgaben an den Versicherer und haben keine direkte zivilrechtliche Wirkung.

Manfred Wandt weist aber darauf hin, dass eine besondere Begründung des Rates erforderlich sein kann, wenn dem Kunden ein Produkt angeboten wird, obwohl der Kunde nicht zum Zielmarkt gehört. Dabei muss deutlich werden, warum das Produkt trotzdem ausnahmsweise für diesen Kunden am besten geeignet ist. Außerdem ist die fortlaufende, anlassabhängige Beratungspflicht des Versicherers betroffen. Wenn ein Versicherer im Rahmen seines Produktfreigabeverfahrens erkennen muss, dass ein Produkt für den Kunden nachteilig geworden ist, muss er nach dieser Ansicht reagieren und dem Kunden unter Umständen eine Beratung anbieten, wie er mit der veränderten Situation umgehen sollte.

Lesetipp

Meinrad Dreher, Manfred Wandt: Das interne Produktfreigabeverfahren, Band 41 der Frankfurter Reihe, IBSN 978-3-96329-195-1, 190 Seiten, 45 Euro, 2019 Verlag Versicherungswirtschaft

Autor(en): Matthias Beenken

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