Lebensversicherung: Die Talsohle ist erreicht 

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Das Neugeschäft in der Lebensversicherung läuft. Ärger gibt es mit Unternehmen, die für ihre Produkte besonders hohe Kosten verlangen. Sie bekommen Besuch von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Bei der Reform der geförderten Altersvorsorge gibt es viele offene Fragen.

Das Neugeschäft in der deutschen Lebensversicherung „läuft gut“. Das ist das Fazit von Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung, auf dem "Handelsblatt Strategiemeeting Lebensversicherung 2024". Die Zinsen werden, so die Einschätzung des Managers, längere Zeit auf einem auskömmlichen Niveau bleiben. „Daher können wir als Lebensversicherer ordentlich Geld anlegen“, so Bader. Auch die Aktienmärkte würden sich weitgehend erfreulich entwickeln.

Bader weiter: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind für uns Lebensversicherer durchaus erfreulich.“ Für 2024 erwartet der Manager aber einen erneuten Rückgang der Einmalbeiträge auf 22,7 (i. V. 24,9) Milliarden Euro. Demgegenüber würden die laufenden Beiträge stabil bei 64,3 Milliarden Euro bleiben. Damit rechnet Bader für die Lebensversicherer in 2024 mit Gesamteinnahmen von 87,0 (i. V. 89,2) Milliarden Euro. Seit 2020 sind die gebuchten Beiträge der Lebensversicherer somit um zehn Prozent zurückgegangen. "Wir haben jetzt aber die Talsohle erreicht", sagte Bader. Die laufenden Beiträge würden in den nächsten Jahren leicht steigen und die Einmalbeiträge würden sich auf diesem Niveau stabilisieren.

Wiederanlagegeschäft forcieren

Das ist auch die Einschätzung von Volker Priebe, Mitglied des Vorstands der Allianz Lebensversicherung. Sein Unternehmen würde in den Bereichen, private Vorsorge, Risikoabsicherung und betriebliche Altersvorsorge im Neugeschäft zweistellige Wachstumsraten verzeichnen, wie der Vorstand am Rande der Konferenz mitteilte. Allein das Einmalbeitragsgeschäft schwächelt. Es soll nun durch ein forciertes Wiederanlagegeschäft gestützt werden. Dafür hat die Allianz auch das Portal "Mein Geld" gestartet. "Wir schaffen es in der Regel durch intensiven persönlichen Kontakt, dass unsere Berater die ersten sind, die die Kunden auf die Neuanlage auslaufender Lebensversicherung ansprechen“, erläuterte Priebe.

Der Risikoschutz wird günstiger

Durch die Anhebung des Höchstrechnungszinses von 0,25 auf ein Prozent zum 1.Januar 2025 werden Risikolebensversicherungen, Berufsunfähigkeits-Produkte sowie Grundfähigkeits- und Dread-Disease-Produkte günstiger, die Zahlbeiträge sinken. "Deshalb räumen zahlreiche Anbieter in ihren neu policierten Verträgen kostenlose Wechselmöglichkeiten in die neuen Tarife ein." Es gebe dann keine erneute Gesundheitsprüfung.

Mit Spannung erwartet Bader ab Januar die Ergebnisse von Vergleichen. "Dann wird sich zeigen, ob die Beitragsreduktionen in voller Höhe an die Kunden weitergegeben werden." Durch die Erhöhung des HRZ werden Risikolebensversicherung zwischen einem und drei Prozent günstiger, bei BU-Produkten, die einen höheren Sparanteil aufbauen, liegt der Effekt bei fünf bis zehn Prozent. Vor allem junge Menschen profitieren aufgrund der längeren Laufzeit besonders.

Keine pauschale Garantie

Deutlich warnte Bader aus seiner Verantwortung als Aktuar davor, die Wechselgarantie für Kunden pauschal zu organisieren. „Mir ist ganz wichtig, dass der Kunde bewusst wählt und unterschreibt“, so Bader. Denn es wäre möglich, dass über Jahre hinweg, die neue Produktgeneration, etwa durch den Wegfall von Überschüssen, schlechter ausfallen könnte. Bei Sparprodukten würden die höheren Garantien wieder die Darstellung des Bruttobeitragserhalts möglich machen, wie er für Riester- und Betriebsrenten mit Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) benötigt werde. Der garantierte Rentenfaktor steigt bei fondsgebundenen und hybriden Produkten und es sind höhere endfällige Garantien möglich. Auch hier hätten zahlreiche Anbieter in neu policierten Verträgen versprochen, die garantierten Rentenfaktoren auf das Niveau von 2025 anzuheben.

Aufsicht: Jagd auf „schwarze Schafe“

Sehr energisch hat Julia Wiens, Bafin-Exekutivdirektorin Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, auf „schwarze Schafe“ in der Branche hingewiesen. Zudem hat sie deutlich gemacht, dass die Bafin gegen sie Maßnahmen ergreifen wird. Notfalls sogar gegen die verantwortlichen Manager. Gleichzeitig veröffentlich die Behörde heute den Beitrag „Kundennutzen im Fokus“ im BaFinJournal. Hier werden die Ergebnisse der Kundennutzenprüfung im Detail vorgestellt.

Bafin kann Manager entlassen

Bisher sind 13 Lebensversicherer als Ausreißer aufgefallen, weil sie Produkte anbieten, die den Kunden keinen Nutzen bieten. „Es können aber noch mehr werden“, betonte Wiens. Viel zu teuer wären etwa Fondspolicen, die effektive Kosten von vier Prozent aufweisen würden. Es gäbe dann erst einen Kundennutzen, wenn die Anlage besser performe als vier Prozent. „Würden Sie solche Produkte ihren guten Freunden empfehlen“, fragte die Aufseherin provokativ, die in der Veranstaltung versammelten Lebensversicherer.

Einen Missstand hat die Bafin auch bei Produkten festgestellt, die von den Kunden sehr frühzeitig gekündigt wurden. Zudem bemängelte die Aufseherin Rückvergütungen von Fonds an Vertriebe der Versicherer. „Das ist ein Zubrot, das von Kundinnen und Kunden finanziert wird und keinen Nutzen für sie bringt“, so Wiens. Außerdem hätten Lebensversicherer das Produktfreigabeverfahren, zu dem die Bafin schon 2018 Leitlinien herausgegeben habe, missachtet.

Als Fazit formulierte die Exekutivdirektorin: „Solche Praktiken, die eindeutig zu Lasten der Kundinnen und Kunden gehen, sind nicht akzeptabel. Sie sind ein Missstand, wie er im Buche steht.“ Die Aufseherin verwies darauf, dass nicht nur der Verkauf von Produkten oder die Aktivitäten von Vertrieben untersagt werden könnten, sondern es auch möglich sei, direkt gegen Vorstände der Lebensversicherer vorzugehen.

Auf Rückfrage erläuterte Wiens, dass die BaFin hier die Möglichkeit von drei Stufen habe. So könnte eine Missbilligung in einem Schreiben ausgedrückt werden. Strenger sei eine Verwarnung gegen einen Versicherungsmanager, die auch anonym veröffentlicht werde. Und möglich ist es der Bafin auch, den Vorstand von seinem Posten zu entlassen. „Das passiert aber nicht aus heiterem Himmel“, so Wiens. Die Ausreißer-Unternehmen würden zwar der gesamten Lebensversicherung schaden. Es gäbe aber derzeit noch kein umfassendes Branchenproblem. Die Aufseherin bestätigte zudem, dass die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen gegeben sei. 

Unsicherheiten bei neuer geförderte Altersvorsorge

Große Unsicherheit gibt es bei der Neugestaltung der geförderten privaten Altersvorsorge. In einem eingespielten Interview bestätigte Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, dass noch sehr viele Detailfragen für das neue Gesetz zum „Altersvorsorgedepot“ offen sind. Zum einen möchte die Regierung einen stärkeren Wettbewerb fördern, auf der anderen Seite sollen die Produkte kostengünstig und standardisiert angeboten werden.

Zudem müssen sie über eine Vergleichsplattform dargestellt werden. Dabei schränkte Toncar ein, dass aber kein produktübergreifender Vergleich vorgeschrieben werde. Auch übergreifende Kostendeckel soll es nicht geben. Toncar rechnet damit, dass es durch die breite Produktlandschaft zu einem Kostenwettbewerb kommt. Er verwies darauf, dass hier auch die Bafin durch ihre Kundennutzenaufsicht gegen überzogene Kosten wirke.

Überflüssige Vorgänge sollen bei neuen Riester-Produkten entfallen

Die Produkte dürfen keinen Hinterbliebenen- oder Invaliditätsschutz enthalten. Vertrieblich soll das Gesetz keine spezielle Beratung vorschreiben. „Ich erwarte, dass die neue geförderte Altersvorsorge sowohl über den digitalen Vertrieb, über Apps, als auch über den traditionellen Vertrieb im Gespräch beraten wird.“ Die operativen Probleme würden parallel zum Gesetz bearbeitet. Toncar: „Wir müssen dafür sorgen, dass alle überflüssigen Vorgänge, die zurzeit bei der Administration von Riester stattfinden, bei den neuen Produkten rausgenommen werden“. Trotzdem, obwohl das Gesetz auch von den Ländern im Bundesrat abgesegnet werden muss, soll es noch so Inkrafttreten, dass zum 1. Januar 2026 die Kunden neue geförderte Altersvorsorgeprodukte kaufen können.

Verrentung nur eine Option

Bei den Zulagen und der steuerlichen Förderung soll es deutliche Vereinfachungen geben. Der maximale Sparbeitrag von derzeit 2.100 Euro soll „spürbar“ nach oben angepasst werden. Für die Förderung soll es eine Liste der zertifizierbaren Produkte geben. Darunter auch Einzeltitel. Sie können keine Garantie haben, aber auch 100 oder 80 Prozent. Zudem soll es flexible Entnahmepläne bis zum Alter von 85 Jahren geben. „Der Kunde wird in allen Produktvarianten Verrentung oder Auszahlungsplan wählen können“, bestätigte Toncar. „Hinsichtlich der lebenslangen Verrentung haben wir die häufigsten Beschwerden und Bedenken bekommen. Es scheint die Leute zu stören, dass man das bisher nur so machen kann.“

Selbst wenn ein Auszahlungsplan mit 85 Jahren erschöpft sei, wäre das vertretbar, da es sich ja um ein überobligatorisches zusätzliches privates Sparen handelt. Bisherige Rister-Kunden können ohne Nachteile in das neue geförderte Produkt wechseln. „Wenn ich von Produkt A nach B wechsele, von Riester 100 Prozent in Riester 80 Prozent, dann muss der Anbieter mir natürliche eine Gegenleistung erbringen“, betont Toncar. Zudem gebe es für alle bestehende Riester-Verträge Bestandschutz.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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