Konsolidierung auf leisen Sohlen

„Die Versicherungsaufsicht ist unter Druck. Die Versicherungswirtschaft ist unter Druck. Europa ist unter Druck!“ Mit diesen Worten heizte Dr. Thomas Steffen von der BaFin die Gesprächsatmosphäre bei der Euroforum-Konferenz „Versicherungsrecht und Versicherungsaufsicht“ an. In der Branche spricht man von notwendiger Konsolidierung. Insider nehmen den schleichenden Prozess wahr.

Vor zahlreichen Aktuaren, Juristen und anderen Spezialisten der Versicherungsbranche verdeutlichte Steffen in seiner Funktion als Erster Direktor der Versicherungsaufsicht in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die gegenwärtige Brisanz.

Steffen ließ die Turbulenzen an den Kapitalmärkten in den letzten Jahren Revue passieren, die vor allem die Lebensversicherer (LV) stark belastet hatten. Die stillen Lasten sind mittlerweile nahezu vollends aus den Büchern verschwunden. Ende 2004 habe der ernorme Aufschwung der Branche zudem herausragende Ergebnisse beschert.

Mit Blick auf die Entwicklung der Marktanteile der LV-Produkte mit wachsenden Anteilen bei Renten- und fondsgebundenen LV-Produkten werde aber deutlich, dass sich die Lebensversicherer verstärkt einem sektorenübergreifenden Wettbewerb stellen müssen; beispielsweise wenn Kapitalanlagegesellschaften mit Garantieprodukten den Marktzugang suchen.

Im Schaden- und Unfallbereich begrüße er zahlreiche Produktinnovationen, bekräftigte Steffen. Neue Marktfelder werden vor allem mit den so genannten Assistance-Versicherungen im Senioren-Bereich beschritten. „Ich glaube, dass hier ein zukunftsträchtiger Markt entwickelt werden kann.“

Mit Blick über den Tellerrand ins europäische Ausland verdeutlichte der BaFin-Repräsentant, dass jeder Wettbewerb Sieger und Verlierer kenne. Die Finanzstärke (bzw. -Schwäche) einzelner Versicherungsgesellschaften berge, angesichts der Planungen von Solvency II, mit dem künftig die Solvabilität der Unternehmen transparenter werden soll, viel Zündstoff. Die Versicherungsbranche sei von den länderübergreifenden Konzentrationsprozessen bisher weitgehend verschont geblieben - mit Ausnahme der Mannheimer Versicherungsgruppe, die von der österreichischen Uniqa-Gruppe übernommen worden war. Trotzdem sei der Trend zu Konzentrationen unverkennbar. Steffen: Die Anzahl der beaufsichtigten Unternehmen ist zwischen 1996 und 2003 in den Segmenten Leben und Schaden/Unfall um jeweils rund 13 Prozent zurückgegangen.“ Man kann durchaus von einer Konsolidierung - aber auf leisen Sohlen - sprechen.

Die wahren Herausforderungen des Marktes liegen aber nach Steffens Ansicht „in der rauen See des europäischen Wettbewerbs“. Seit Mitte der neunziger Jahre können Versicherungsunternehmen unbürokratisch von ihrem Sitzland aus Geschäfte in allen in EU-Staaten grenzüberschreitend tätigen. Als Meilenstein dafür gelten die erste bis dritte „Richtlinie Leben und Nicht-Leben“. 1994 kam es für die Branche zur Einführung des „europäischen Passes“. Die Anzahl der in Deutschland angemeldeten ausländischen Versicherungsunternehmen stieg in den letzten vier Jahren um rund 30 Prozent auf knapp 700 Gesellschaften.

Es wäre nun falsch die Idee des europäischen Binnenmarktes nur auf die Dienstleistungsfreiheit zu fokussieren, denn auch zugleich seien in Deutschland Töchter großer europäischer Versicherungsgruppen sehr aktiv. Sie haben sich durch Unternehmensübernahmen eingekauft und konkurrieren auf Grundlage der etablierten nationalen Produkte der zugekauften Firmen. Der Markt erlebt eine Konsolidierung auf leisen Sohlen.

Autor(en): Ellen Bocquel

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