Kommt Zillmerungsverbot für Betriebsrenten?

Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen, die gezillmerte Tarife vorsehen, sind unwirksam. Diese Rechtsmeinung vertritt Dr. Gerhard Reinecke, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG). Eine ausführliche Begründung lieferte er auf einer Fachtagung zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) nach. Diese Pflichten ergäben sich aus verschiedenen gesetzlichen Regelungen, die sehr verstreut seien, insbesondere das Betriebsrentengesetz (§ 4a BetrAVG), das 7. Gesetz zur Änderung des Versicherungs-Aufsichtsgesetzes vom 29. August 2005 (Anlage zum VAG, Abschnitt III, Teil D) und das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 613a Absatz 5 BGB). Reinecke, der dem "Ruhegeld-Senat" beim obersten deutschen Arbeitsgericht seit 1991 vorsteht, verweist darauf, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerinteressen wie ein Treuhänder zu wahren hat. Daraus folgert er: Arbeitgeber dürfen bei der Auswahl des Versorgungsträgers und des Vertragsmodells keine sachfremden Kriterien zugrunde legen. Das heißt: Arbeitgeber müssen aufpassen, mit welchem Produktgeber sie sich einlassen und auch bei der Tarifwahl Sorgfalt walten lassen. So meinte das BAG, dass zum Beispiel eine Direktversicherung nur Sinn macht, wenn sie wegen der günstigeren Versicherungsbedingungen als Gruppenversicherung durchgeführt wird (Az.: 3 AZR 502/04 A).

Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen müssen dem Gebot der Wertgleichheit genügen (nach § 1 Absatz 2 Nr. 3 BetrAVG). Die Anlage zum VAG verpflichtet den Versorgungsträger zudem, bei Vertragsbeginn über die Vertragsbedingungen und die Risiken (sowie die Art und Aufteilung dieser Risiken) zu informieren. Entsprechen die Vereinbarungen nicht dem Gebot der Wertgleichheit, "ist die Vereinbarung unwirksam", interpretiert der Bundesarbeitsrichter. Der Arbeitnehmer habe dann Anspruch auf eine entsprechend höhere Betriebsrente. Die BaFin beanstandet so genannte gezillmerte Tarife nicht, konstatiert Reinecke. "Das bedeutet aber nicht, dass sie bei der Entgeltumwandlung ohne weiteres zulässig sind", so der Richter. Im Gegenteil: "Als Bestandteil von Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen sind gezillmerte Tarife unzulässig", sagt Reinecke. Gründe: Sie verstoßen gegen das Prinzip der Wertgleichheit, das auch während der Anwartschaftsphase anzuwenden ist und sie halten der Inhaltskontrolle (nach § 307 BGB) nicht stand.

Letzteres hatte bereits das Arbeitsgericht Stuttgart bemängelt und einen Arbeitgeber zu Schadenersatz verurteilt, weil der Arbeitnehmer durch Wahl gezillmerter Tarife finanzielle Nachteile erlitten hatte. Die Firma schulde ihm vorherige Risiko-Belehrung oder nachträgliche Haftung (Az.: 19 Ca 3152/04). "Der Arbeitgeber schuldet die Differenz unabhängig vom Verschulden", meinte Reinecke - bezogen auf das Stuttgarter Urteil - in seinem Vortrag. Damit lehnte sich der Bundesarbeitsrichter weit aus dem Fenster. Zwar gibt es dazu noch kein BAG-Urteil. Und die entscheidende Aussage seines Fachvortrages relativierte er mit der Einfügung "meines Erachtens". Dennoch hat seine Stimme zu großes Gewicht bei der bAV-Gerichtsbarkeit, um ignoriert zu werden. So fielen die Reaktionen denn auch heftig aus - je nachdem, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette Betroffene tätig sind.

Jürgen Beiler, Makler aus Freiburg, findet die Argumentation gegen die Zillmerung in der bAV durchaus nachvollziehbar und korrekt. Dies "allerdings mit der Wertgleichheit zu begründen macht jede rückgedeckte Altersversorgung unmöglich", so der Vorsorge-Experte. Wie sonst könnten beim Produktanbieter die Verwaltungs- und andere Kosten abgedeckt werden, richtet Beiler öffentlich die Frage zurück an den Bundesarbeitsrichter.

Autor(en): Detlef Pohl

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