Beratung und Vertrieb von Versicherungen und Kapitalanlagen sind teuer. Und nach Ansicht der europäischen Regulierer anfällig für Interessenkonflikte.
"Erster Robo-Advisor für Versicherungsmakler geht an den Start", betitelte der Maklerpool Fonds Finanz dieser Tage eine Pressemitteilung (siehe auch: ). In wenigen Tagen soll gemeinsam mit der Firma Softfair der dort als Beratersoftware bekannte Finanzlotse 3.0 nun auch als Endkundenversion freigeschaltet werden. Damit sollen Makler ihre Homepages um "einen spartenübergreifenden, ganzheitlichen Beratungsprozess" zu ermöglichen. Dieser soll Bedarfsanalyse, Angebote sowie die Beratungsdokumentation "quasi nebenbei" erledigen. Eine Smartphone-App werde auch vorbereitet, wird angekündigt.
Wettlauf mit Fintechs
Bei aller Begeisterung fragt sich, warum es dann überhaupt noch den Makler und seine Homepage bedarf. Nicht nur im Privatkundengeschäft, auch bei Kleingewerbeversicherungen bieten einige Versicherer Angebotsrechner an, bei denen per Handy eine Versicherung abgeschlossen wird - sozusagen mit "drei Klicks".
Die Beratungskompetenz des Maklers wird damit augenscheinlich für verzichtbar erklärt.
Als Begründung nennt Fonds Finanz den "Wettlauf", in dem sich der Pool und seine Makler mit "FinTechs und Online-Portalen" befänden. Und damit befindet sich der Pool in guter Gesellschaft. So befeuern Blau Direkt und Jung, DMS & Cie. beispielsweise auch schon seit einiger Zeit diesen Wettlauf um die Kundenschnittstelle. Digitale Versicherungsordner sollen die Bindung zum Kunden herstellen, die analog möglicherweise nicht mehr ausreichend gelingt.
Nach dem Vermittlersterben kommen die Robo-Adviser
In Großbritannien gilt der "Robo-Advice" als Rettung aus der verloren gegangenen Beratungskapazität. Die Regulierung RDR (Retail Distribution Report) wird in einem Bericht der britischen Finanzaufsicht und des britischen Finanzministeriums zwar als gelungen bezeichnet. "Aber es müssen Schritte unternommen werden, um das Angebot von Beratung und Unterstützung für den Massenmarkt kostengünstiger zu gestalten", so der versteckte Hinweis auf das Problem der "Beratungslücke" bei weniger vermögenden Kunden.
"Wir unterbreiten eine Reihe Empfehlungen mit dem Ziel Anbietern zu erlauben, dass sie schlankere Dienstleistungen entwickeln und mit Kunden in einer effektiveren Art in Kontakt kommen. Das schließt den Vorschlag ein, dass die Finanzaufsicht FCA ein engagiertes Team einsetzt, das die Anbieter bei der Entwicklung von automatisierten Beratungsanwendungen für den Massenmarkt unterstützt und diese schneller in den Markt bringt", heißt es weiter. Mit anderen Worten, erst werden klassische Vermittler aus dem Markt herausreguliert und dann durch Roboteranwendungen ersetzt. Deren Entwicklung dürfte aber auch kostenintensiv sein.
Bitte nur mit voller Haftung
Und der Robo-Advice bringt neue Risiken mit sich. Das hatte schon vor dem zitierten Bericht eine Studie des Marktforschungsinstituts Europe Economics im Auftrag der FCA ergeben. Danach würden potenzielle Anbieter solcher Beratungssysteme neue regulatorische Risiken sehen.
Und dass diese Sorge berechtigt ist, belegt ein anderes Zitat. So schreibt die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA in ihrem "Konsultationspapier zum Technischen Rat über mögliche delegierte Rechtsakte die IDD betreffend" vom 4. Juli: "Wenn die Beratung über Versicherungsanlageprodukte ganz oder in Teilen über automatisierte oder teilautomatisierte Systeme erfolgt, dann soll die Verantwortung für die Eignungsprüfung bei dem Vermittler oder Versicherer liegen, der den Dienst anbietet und darf nicht auf die Nutzung eines elektronischen Systems bei der Erstellung einer persönlichen Empfehlung reduziert werden" (vorstehende Zitate in freier Übersetzung aus dem Englischen).
Offensichtlich will EIOPA, die eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der IDD und deren späterer Überwachung spielt, jedenfalls bei Lebensversicherungsanlageprodukten keinen Unterschied zwischen persönlicher und automatischer Beratung akzeptieren. Beide sollen von vergleichbarer Qualität sein und sonst den Anbieter in die Haftung bringen.
Noch verkauft der Robo-Adviser keine Altersvorsorge
Und ein falsch programmierter Algorithmus kann rasch zu massenhaften Fehlberatungen und entsprechenden Schadenersatzforderungen führen. Bei persönlichen Beratungen dürften Fehler rascher auffallen und beseitigt werden können. Auch deshalb verwundert die Begeisterung, die teilweise Behörden und Marktteilnehmer für das Thema Robo-Advice aufbringen.
Zudem ist noch die Frage offen, wie denn den Robo-Advisern das gelingen soll, woran Generationen von klassischen Vermittlern zu knapsen haben: Gerade bei Vorsorge- und teilweise selbst bei einsichtigen Existenzsicherungsthemen müssen viele Kunden erst mühsam und wiederholt angesprochen und der Bedarf verdeutlicht werden. Es ist nicht verwunderlich, dass sich viele der Fintechs beziehungsweise Insurtechs gerade nicht auf komplexe Altersvorsorgeberatungen und Gebäude- oder Gewerbekonzepte fokussieren, sondern das schnelle Massengeschäft mit kleinen, preiswerten Reise- und Garantieversicherungen bevorzugen.
Kein eigenständiger Vertriebskanal
Deshalb sind die Ansätze von Robo-Advice sehr zu begrüßen - aber nicht als eigenständiger Vertriebskanal, sondern nur als Hilfsmittel für Vermittler. Und die Vermittler wiederum sollten sehr genau überlegen, wie leicht sie sich überflüssig machen, wenn sie ihre Kunden bequem nur noch auf ihre Homepage verweisen, weil es ihnen zu lästig ist, zum Beispiel eine Kfz-Versicherung zu verkaufen.
Irgendwann lernen die Kunden, dass man Vermittler gar nicht braucht. Bis dann auch in Deutschland Behörden und Politiker eine "Beratungslücke" entdecken und "engagierte Teams" einsetzen, die der Versicherungsbranche in Sachen Robo-Advice auf die Sprünge helfen. Denn viele Kommunen können es nicht mehr schaffen, noch mehr Grundsicherungen im Alter und Sozialhilfe zu zahlen.
"Erster Robo-Advisor für Versicherungsmakler geht an den Start", betitelte der Maklerpool Fonds Finanz dieser Tage eine Pressemitteilung (siehe auch: ). In wenigen Tagen soll gemeinsam mit der Firma Softfair der dort als Beratersoftware bekannte Finanzlotse 3.0 nun auch als Endkundenversion freigeschaltet werden. Damit sollen Makler ihre Homepages um "einen spartenübergreifenden, ganzheitlichen Beratungsprozess" zu ermöglichen. Dieser soll Bedarfsanalyse, Angebote sowie die Beratungsdokumentation "quasi nebenbei" erledigen. Eine Smartphone-App werde auch vorbereitet, wird angekündigt.
Wettlauf mit Fintechs
Bei aller Begeisterung fragt sich, warum es dann überhaupt noch den Makler und seine Homepage bedarf. Nicht nur im Privatkundengeschäft, auch bei Kleingewerbeversicherungen bieten einige Versicherer Angebotsrechner an, bei denen per Handy eine Versicherung abgeschlossen wird - sozusagen mit "drei Klicks".
Die Beratungskompetenz des Maklers wird damit augenscheinlich für verzichtbar erklärt.
Als Begründung nennt Fonds Finanz den "Wettlauf", in dem sich der Pool und seine Makler mit "FinTechs und Online-Portalen" befänden. Und damit befindet sich der Pool in guter Gesellschaft. So befeuern Blau Direkt und Jung, DMS & Cie. beispielsweise auch schon seit einiger Zeit diesen Wettlauf um die Kundenschnittstelle. Digitale Versicherungsordner sollen die Bindung zum Kunden herstellen, die analog möglicherweise nicht mehr ausreichend gelingt.
Nach dem Vermittlersterben kommen die Robo-Adviser
In Großbritannien gilt der "Robo-Advice" als Rettung aus der verloren gegangenen Beratungskapazität. Die Regulierung RDR (Retail Distribution Report) wird in einem Bericht der britischen Finanzaufsicht und des britischen Finanzministeriums zwar als gelungen bezeichnet. "Aber es müssen Schritte unternommen werden, um das Angebot von Beratung und Unterstützung für den Massenmarkt kostengünstiger zu gestalten", so der versteckte Hinweis auf das Problem der "Beratungslücke" bei weniger vermögenden Kunden.
"Wir unterbreiten eine Reihe Empfehlungen mit dem Ziel Anbietern zu erlauben, dass sie schlankere Dienstleistungen entwickeln und mit Kunden in einer effektiveren Art in Kontakt kommen. Das schließt den Vorschlag ein, dass die Finanzaufsicht FCA ein engagiertes Team einsetzt, das die Anbieter bei der Entwicklung von automatisierten Beratungsanwendungen für den Massenmarkt unterstützt und diese schneller in den Markt bringt", heißt es weiter. Mit anderen Worten, erst werden klassische Vermittler aus dem Markt herausreguliert und dann durch Roboteranwendungen ersetzt. Deren Entwicklung dürfte aber auch kostenintensiv sein.
Bitte nur mit voller Haftung
Und der Robo-Advice bringt neue Risiken mit sich. Das hatte schon vor dem zitierten Bericht eine Studie des Marktforschungsinstituts Europe Economics im Auftrag der FCA ergeben. Danach würden potenzielle Anbieter solcher Beratungssysteme neue regulatorische Risiken sehen.
Und dass diese Sorge berechtigt ist, belegt ein anderes Zitat. So schreibt die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA in ihrem "Konsultationspapier zum Technischen Rat über mögliche delegierte Rechtsakte die IDD betreffend" vom 4. Juli: "Wenn die Beratung über Versicherungsanlageprodukte ganz oder in Teilen über automatisierte oder teilautomatisierte Systeme erfolgt, dann soll die Verantwortung für die Eignungsprüfung bei dem Vermittler oder Versicherer liegen, der den Dienst anbietet und darf nicht auf die Nutzung eines elektronischen Systems bei der Erstellung einer persönlichen Empfehlung reduziert werden" (vorstehende Zitate in freier Übersetzung aus dem Englischen).
Offensichtlich will EIOPA, die eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der IDD und deren späterer Überwachung spielt, jedenfalls bei Lebensversicherungsanlageprodukten keinen Unterschied zwischen persönlicher und automatischer Beratung akzeptieren. Beide sollen von vergleichbarer Qualität sein und sonst den Anbieter in die Haftung bringen.
Noch verkauft der Robo-Adviser keine Altersvorsorge
Und ein falsch programmierter Algorithmus kann rasch zu massenhaften Fehlberatungen und entsprechenden Schadenersatzforderungen führen. Bei persönlichen Beratungen dürften Fehler rascher auffallen und beseitigt werden können. Auch deshalb verwundert die Begeisterung, die teilweise Behörden und Marktteilnehmer für das Thema Robo-Advice aufbringen.
Zudem ist noch die Frage offen, wie denn den Robo-Advisern das gelingen soll, woran Generationen von klassischen Vermittlern zu knapsen haben: Gerade bei Vorsorge- und teilweise selbst bei einsichtigen Existenzsicherungsthemen müssen viele Kunden erst mühsam und wiederholt angesprochen und der Bedarf verdeutlicht werden. Es ist nicht verwunderlich, dass sich viele der Fintechs beziehungsweise Insurtechs gerade nicht auf komplexe Altersvorsorgeberatungen und Gebäude- oder Gewerbekonzepte fokussieren, sondern das schnelle Massengeschäft mit kleinen, preiswerten Reise- und Garantieversicherungen bevorzugen.
Kein eigenständiger Vertriebskanal
Deshalb sind die Ansätze von Robo-Advice sehr zu begrüßen - aber nicht als eigenständiger Vertriebskanal, sondern nur als Hilfsmittel für Vermittler. Und die Vermittler wiederum sollten sehr genau überlegen, wie leicht sie sich überflüssig machen, wenn sie ihre Kunden bequem nur noch auf ihre Homepage verweisen, weil es ihnen zu lästig ist, zum Beispiel eine Kfz-Versicherung zu verkaufen.
Irgendwann lernen die Kunden, dass man Vermittler gar nicht braucht. Bis dann auch in Deutschland Behörden und Politiker eine "Beratungslücke" entdecken und "engagierte Teams" einsetzen, die der Versicherungsbranche in Sachen Robo-Advice auf die Sprünge helfen. Denn viele Kommunen können es nicht mehr schaffen, noch mehr Grundsicherungen im Alter und Sozialhilfe zu zahlen.
Autor(en): Matthias Beenken