„Unsere Rolle ist es, die schwarzen Schafe zu finden und Übertreibungen aus dem Markt zu nehmen“, sagte Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Auf dem „SZ-Versicherungstag 2024“ kündigte Branson an, dass die Behörde die sogenannte Wohlverhaltensaufsicht deutlich verschärfen will.
„Wir prüfen, ob die Produkte der Assekuranzen für die Kunden geeignet sind und die Preise angemessen“, so der Bafin-Chef. Nach Erkenntnis von Branson hätten viele bei Vorsorgeprodukten für die Lebensversicherung zu viel verdient und zwar zu Lasten der Kunden. „Das führt zu Enttäuschungen und kann nicht im Interesse der Versicherungsbranche sein.“ Mit der Kontrolle der Fairness beim Preis-Leistungs-Verhältnis würde die Aufsicht dafür sorgen, dass die Branche ihre Versprechen einhalten kann.
Ein Versicherer schon geläutert
Nach Erkenntnis der Bafin würde der Lebensversicherungsmarkt bei langlebigen Sparprodukten nicht funktionieren. „Vertriebskosten und Provisionen haben daran einen wesentlichen Anteil. Zudem sind Interessenkonflikte im Vertrieb leicht möglich“, erläuterte Branson. Aktuell hat die Aufsicht bei der Exzess-Kontrolle rund zehn Lebensversicherer im Fokus. Mit ihnen würden die Produkte durchgegangen. Branson: „In einem Fall haben wird schon Änderungen erreicht, was nun neuen Kunden zu Gute kommt.“
Die Bafin-Strategie wird vom Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) unterstützt. „Wir finden das richtig“, sagte BVK-Präsident Michael Heinz. „Natürlich gibt es in der Branche Verwerfung. Die Aufsicht kann aber nur auf die Versicherer einwirken und ihnen die Vertriebe nennen, die sich als schwarze Schafe entpuppt haben“, erläuterte Heinz. Neue gesetzliche Regelungen lehnt der BVK ab. Branson warnte die Assekuranzen. „Will die Branche das liberale Provisionssystem beibehalten, müssen Exzesse rausgenommen werden. Sonst kommt ein Provisionsdeckel oder ein Provisionsverbot.“
Künftig nur noch 100.000 Vermittler
Nach Einschätzung von Marco Adelt von der Clark Germany GmbH wird sich der Vermittlermarkt in den nächsten zehn Jahren grundlegend ändern. „Dann wird es nur noch 100.000 Vermittler geben“, so Adelt. Die heutigen rund acht Milliarden Euro für Provisionen würden “nicht mehr haltbar“ sein. Künftig würden die Vermittler immer weniger den Zugang zu Kunden steuern können, wenn sie nicht in hohem Umfang im Netz aktiv wären. „Die Kunden sind heute acht bis neun Stunden online unterwegs, da ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man sie über TikTok, Instagram oder Huk 24 abholen kann“, so Adelt.
Künftig werden die Erstzugangswege immer digitaler. Davon ist Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandsprecher der Huk-Coburg-Gruppe, überzeugt. „Die Reise der Kunden wird immer öfter digital beginnen, auch im personalen Vertrieb“, so Heitmann. Der Manager warnte davor, dass digitale Versicherungsmakler, wie Check 24, so künftig stärker würden. Zudem befürchtet er das künftig digitale Großanbieter, wie Amazon, in den Versicherungsvertrieb direkt eindringen könnten. Schon heute würde Google sehr viel Geld mit Assekuranzen verdienen. Heitmann: „Der Zugang zum Kunden wird künftig viel teurer werden.“
Erfolgsmodell Budget-Tarife
Mit guten Ideen kann die Branche über Versicherungsmakler sehr erfolgreich sein. Das erläuterte Alexandra Markovic-Sobau, Vertriebsleiterin der Hallesche Krankenversicherung. „Wir haben am Tisch der Unternehmen gesessen und ihnen versucht unsere Gesundheitsprodukte zu verkaufen. Meist konnte es dann keine Einigung auf ein Produkt geben“, so Markovic-Sobau. Dann habe die Hallesche den Budget-Tarif für die betriebliche Krankenversicherung (bKV) entwickelt. Hier könnten sich die Mitarbeitenden aus einem Strauß von Angeboten selbst etwas aussuchen. Nun wäre das ein Trend in der gesamten PKV-Branche und würde der Halleschen Millionen in die Kassen spülen.“
Auch Markovic-Sobau geht davon aus, dass sich die persönliche Betreuung künftig dezimieren wird. „Daher müssen wir viel mehr Schnittstellen mit Kooperationen besetzen“, rät die Vertriebsexpertin. Jungen Menschen, die im Vertrieb von Versicherungen aktiv werden wollen, rät Start-Up-Experte Adelt sich eine Nische zu suchen, die einen überregionalen, digitalen Kundenzugang ermöglicht. „Das können Hunde sein oder Soldaten“, so Adelt.
IT-Dienstleister stärker in der Kontrolle
Kompromissbereit gab sich Bafin-Chef Branson hinsichtlich der Zulassung neuer Insurtechs, die eine Versicherungslizenz beantragen wollen. „Ich habe hier der Kritik in den Vorträgen, die Bafin sei zu strikt bei den Auflagen, sehr genau zugehört“, so der Aufseher. Demgegenüber wird die Bafin IT-Auslagerungen an Dienstleister noch schärfer kontrollieren. Die Versicherer müssten nicht nur solvent sein, sondern auch operativ wiederstandfähig. „Mittlerweile gibt es externe Dienstleister, die über ihre IT Millionen von Versicherungskunden bedienen.“ Sie wären heute noch unbeaufsichtigt.
Über das neue Regulierungsinstrument DORA (Digital Operational Resilience Act) würde es nun möglich, auch diese Dienstleister zu kontrollieren. Als besonders gefährdet sieht Branson derzeit mittelgroße Versicherer an. Sie wären auf eine Auslagerung der IT in die Cloud angewiesen, um die fixen Kosten zu senken. „Wird an einen Profi ausgelagert, dann muss es auch ein Profi sein“, so Branson. Der Aufseher verwies daher darauf, dass die Bafin mittlerweile eine umfangeiche Datenbank habe, mit der man erkennen könne, wer was für wen macht.
P.S.: Von den positiven Änderungen, die die BaFin bereits bei einem Lebensversicherer erreicht hat, der zu der Gruppe von Assekuranzen gehört, die deutlich zu hohe Vertriebskosten verlangen, werden nicht nur Neu-, sondern auch Altkunden profitieren. Das teilte die BaFin nachträglich mit.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek