„Teilweise verfassungswidrig“ lautete kürzlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz des Bundes. Die Protestbewegung "Fridays for Future" sieht das Urteil als "großen Tag für viele". Als „durchaus historisch“ bezeichnet auch Detlef Frank, Vorsitzender des Ausschusses Schadenversicherung von Huk 24, dieses Urteil. Frank moderierte die Diskussionsrunde zum Thema Klimawandel auf der Jahrestagung von DAV und DGVFM.
Am dritten Tag der E-Jahrestagung von Deutscher Aktuarvereinigung (DAV) und der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik (DGVFM) standen der Klimawandel und seine (möglichen) Folgen für Mensch und Umwelt auf der Agenda und wie die Versicherungswirtschaft darauf reagiert und noch effektiver reagieren muss. Denn die Folgen des Klimawandels werden sich zunehmend auf die Sparten Krankenversicherung, Lebensversicherung und die Kapitalanlagen auswirken, mit höheren Krankenständen, "einer Volatilität der Sterblichkeit" und daraus resultierenden Kosten. Aber auch, weil Kunden immer stärker auf nachhaltige und grüne Kapitalanlagen setzen wollen. Die Versicherungsbranche würde hier auch adäquat reagieren und sich „als langfristig orientierter Geldgeber“ erweisen.
Wachsende Nachfrage steht zu beschränktem Angebot gegenüber
Auch Guido Bader, Past-President der Deutschen Aktuarvereinigung, betont die verantwortungsbewusste Rolle seiner Branche bei den Kapitalanlagen: „Als wichtige Langfristinvestoren werden die Versicherer die nachhaltige Transformation aktiv unterstützen. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen verbessert werden“, unterstrich der Aktuar. Einer wachsenden Nachfrage stehe ein bisher noch zu beschränktes Angebot an nachhaltigen Anlageoptionen gegenüber. „Der erste deutsche Green Bond war trotz Negativzinssatz mehrfach überzeichnet. Und bei renditestärkeren nachhaltigen Infrastruktur- oder Energieprojekten sieht es nicht besser aus“, erläuterte der ehemalige DAV-President. Vor diesem Hintergrund warnte er vor Blasenbildungen bei Green Investments, die langfristig sogar die Finanzmarktstabilität gefährden könnten.
Schäden durch Hitzewellen werden unterschätzt
Schwere Herbststürme, Hagel- und/oder Starkregenereignisse mit Überschwemmungsgefahr - solche Extremwetterereignisse haben die Versicherungsunternehmen schon lange im Blick. Dies gilt aber nicht für Hitzewellen. Diese Ansicht vertrat jedenfalls Professorin Friederike Otto, Klimaforscherin von der Oxford University, auf der Online-Tagung: „Regierungen und Versicherer weltweit unterschätzen, welche Schäden durch Hitzewellen verursacht werden“. Und wenn zu den Hitzewellen dann noch eine (hohe) Luftverschmutzung hinzukomme, würden die Schaden nochmal stärker ausfallen.
Dass der Klimawandel Naturereignisse verschärft, zeige sich auch an den letztjährigen Feuern in Australien, so Andreas Märkert, Vice Chair von CRO Forum, auf der Tagung. „Ohne den Klimawandel wären diese dort nicht so aufgetreten“, zeigte sich Märkert überzeugt. Auch die früheren Obstblüten, zum Beispiel in Frankreich und Deutschland, seien auf diesen Wandel zurückzuführen. Infolgedessen käme es zu höheren Frostschäden und so oft zu großen wirtschaftlichen Schäden.
Interdisziplinäre Teams aus Aktuaren, Physikern und anderen Experten
Um derartige Risiken zu bewerten, bilden Erst- und Rückversicherern seit Jahren immer häufiger interdisziplinäre Teams aus Aktuaren, Physikern und Experten anderer Fachrichtungen gebildet, die unter anderem mithilfe der Verknüpfung von aktuariellen Modellen mit Data-Science-, KI-Anwendungen und Klima-Projektionen gemeinsam neue Modelle entwickelten. „Durch diese modernen Methoden lassen sich Risiken noch genauer analysieren und kalkulieren. Dadurch besteht die Möglichkeit, Schadenschwerpunkte, Schadenmuster und -entwicklungstendenzen frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, skizziert Guido Bader die Arbeit seines Berufstands.
Wissenschaftliche Klimamodelle und Schadenmodelle der Versicherer besser zusammenführen
Die Klimaforscherin Otto betonte in der Diskussionsrunde, dass es künftig aber wichtig sei, die diversen Klimamodelle der Wissenschaft und die Schadenmodelle der Versicherungswirtschaft noch besser zusammenzuführen, dass es noch mehr Wissenschaftsbegleitung für die Versicherungsmodelle geben sollte, um eine aussagekräftige und nutzbringende Klimaforschung zu erbringen. In ihrer Wissenschaft seien die Untersuchungen in der Vergangenheit oft zu sehr auf bestimmte Regionen und Ländern fokussiert gewesen, hier hätte es in den vergangenen fünf Jahren schon Veränderungen gegeben, aber der Blick müsse noch globaler und breiter werden.
„Wissenschaft und Wirtschaft sind schon auf einem gemeinsamen guten Weg“, kommentiert auch Ernst Rauch, Chefklimaforscher der Munich Re, die Aktivitäten der beiden Disziplinen. Die Zusammenarbeit müsse aber künftig noch enger werden, dafür sei es auch wichtig, längere Zeitskalen einzusetzen. „Und wir müssen uns intensiver mit der Frage beschäftigen, was wir in Zukunft - nicht - mehr tun sollen/wollen, also zum Beispiel auf fossile Brennstoffe verzichten und stärker auf erneuerbare Energien setzen“.
Autor(en): Meris Neininger