Corona prägte 2020, 2021 war die Flutkatastrophe beherrschend, 2022 ist der Angriffskrieg auf die Ukraine DAS Thema. Das hat Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, Wirtschaft und natürlich auch auf die Versicherungswirtschaft. Die Gothaer hat diese Erschütterungen ebenfalls zu spüren bekommen, sie zeigt sich aber noch zufrieden mit ihrem Jahresrückblick.
Der Konzernrückblick für einzelne Sparten in Zahlen
Der Gothaer Konzern erwartet für das Jahr 2022 Beitragseinnahmen in Höhe von voraussichtlich 4,6 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Rückgang von 2,4 Prozent im Vergleich zum außergewöhnlichen starken Jahr 2021. Während die Segmente Komposit- und Krankenversicherung ein Wachstum von fünf beziehungsweise einem Prozent verzeichnen würden, wären die schwierigen Rahmenbedingungen im Segment Leben mit einem Rückgang der Beitragseinnahmen von 16 Prozent bemerkbar.
Trotz Inflation und Rezessionssorgen werde aber die Konzerneigenkapitalbasis 2022 weiter gestärkt: Zum Jahresende werde voraussichtlich ein Wert von rund 1,5 Milliarden Euro (Vorjahreswert 1.4 Milliarden Euro) erreicht. Der Konzern-Jahresüberschuss steige voraussichtlich um 1,1 Prozent auf 83 Millionen Euro.
Im Segment der Unternehmenskunden konnte die Gothaer ihre führende Position weiter ausbauen. Die gebuchten Bruttobeiträge werden voraussichtlich mit 1.448 Millionen Euro um 7,2 Prozent über dem Niveau von 2021 liegen. Treiber des Wachstums sind das Kompositgeschäft, die kollektive Biometrie und die betriebliche Krankenversicherung (bKV).
Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Allgemeine werden mit voraussichtlich 2.133 Millionen Euro 5,5 Prozent über dem Niveau von 2021 liegen. Trotz Schadeninflation zeigt der Sachversicherer laut eigener Einschätzung in einem erneut anspruchsvollen Jahr resilient und leistet einen wichtigen Beitrag zum Konzernergebnis. Stärkster Wachstumstreiber bei den Beitragseinnahmen ist das Geschäft mit Unternehmerkunden, das voraussichtlich um rund elf Prozent wächst. Im Privatkundengeschäft erwartet der Versicherer ein Plus von mehr als vier Prozent erwartet.
Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Lebensversicherung werden 2022 voraussichtlich um 18 Prozent auf 1.082 Millionen Euro sinken. Hingegen bleibt das Unternehmerkundengeschäft mit Bruttobeitragseinnahmen in Höhe von 272 Millionen Euro weitgehend stabil.
Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Krankenversicherung steigen voraussichtlich um ein Prozent auf 918 Millionen Euro. Erstmals in seiner Geschichte versichert das Unternehmen mehr als 700.000 Menschen. Das Neugeschäft wächst in diesem Jahr segmentübergreifend um fünf Prozent. Die betriebliche Krankenversicherung legt mit 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr besonders deutlich zu.
Gothaer sieht sich als besonders glaubwürdiger Nachhaltigkeitsvertreter
Das Thema Nachhaltigkeit spielt für die Gothaer nicht nur eine herausragende Rolle, sondern sie ist auch überzeugt, dass sie auf diesem Segment „besonders glaubwürdig ist“. Dies zeige sich unter anderem darin, dass sie bis dato 30 Prozent aller Windkraftanlagen in Europa versichert haben und mit 1,4 Milliarden Euro den höchsten Investmentanteil der Branche in Erneuerbare Energien verzeichnen kann.
Klimaneutrale Kapitalanlagen, nachhaltige Versicherungslösungen, klimaneutrale Unternehmen und soziales Engagement sind die vier Segmente in denen sich die Gothaer positioniert. Im Segment „Klimaneutralität in den Kapitalanlagen“ strebt die Gothaer den Ausstieg aus der kohlebasierten Energiewirtschaft bis 2040 an und bis 2050 sollen alle Kapitalanlagen klimaneutral sein. Bezogen auf das eigene Unternehmen soll bis 2024 Klimaneutralität konzernweit gegeben sein, die Hauptverwaltung ist seit diesem Jahr bereits CO2-neutral. Aber auch die Mitarbeitenden bei der Gothaer können und sollen einen nachhaltigen Beitrag leisten. Das zeigt sich unter anderem darin, dass zehn Prozent der variablen Vergütung an Nachhaltigkeitsziele gebunden sind.
Stolz ist der Versicherer auch auf seine Position im Nachhaltigkeitsranking der Versicherungsindustrie. Dort belegt das Unternehmen Platz 3 im deutschen Versicherungsmarkt. Das ist jedenfalls das Ergebnis des Zielke Research Benchmarking 2022.
Eine engagierter Partner für kleine und mittelständische Unternehmen
Gut sieht sich die Assekuranz auch bei dem Thema „Partner für den Mittelstand“ aufgestellt. Grundlage für diese führende Position sei „das starke Underwriting und die hohe Innovationskraft“ in diversen Geschäftsfeldern. Zahlreiche Krisenindikatoren wie Zinsanstieg, Inflation, Fachkräftemangel, Lieferkettenprobleme und drohende Energieknappheit würden aber dazu führen, dass sie für ihre mittelständischen Partner nicht nur eine reine Risikotransformation im Gepäck hätten, sondern auch aktiv bei der Transformation zur CO2-Neutralität helfen könnten sowie attraktive Employer-Benefits-Lösungen im Kampf um Fachkräfte und Cyberkapazitäten liefern möchten.
In diesem Kontext verfolgt das Versicherungsunternehmen einen besonders ambitionierten Plan und zwar das Projekt „500-50-5“. Hier sollen 500 mittelständische Unternehmen unterstützt werden, ihren CO2-Ausstoß in den kommenden 5 Jahren um 50 Prozent zu reduzieren.
Maklerinnen und Makler setzen mehr und mehr auf Nachhaltigkeit
Bei diesem Projekt können Mittelständler in den Sektoren E-Mobilität, Gebäude und Energie von der Gothaer Hilfe erhalten. Das bedeutet zum Beispiel, dass ihnen vermittelt wird, wie sie nachhaltig Energie beziehen oder sogar selbst erzeugen können, wie sie ihre Gebäude energetisch sanieren und ihre Energieeffizienz verbessern oder ihre Fahrzeuglogistik optimieren können. Beim Aufbau des Projektes und der dazugehörigen Plattform hat sich nach Aussage des Gothaer-Managements gezeigt, dass vor allem Familienunternehmen sich klar zur Dekarbonisierung bekennen. Mangelhaft wäre hingegen deren Wissen über ihren eigenen CO2-Ausstoß. So hätten hier nur 16 Prozent der KMU einen Überblick über ihren diesbezüglichen Ausstoß.
Als „eine interessante Schnittstelle zwischen Kunde und Versicherungswirtschaft“ hätte sich in diesem Kontext auch der Maklerkanal herausgeschält. Denn Maklerinnen und Makler würden sich zunehmend dem Thema Nachhaltigkeit zuwenden, so dass sich für sie „gute Perspektiven für deutlich vertiefende Kundenbeziehungen“ ergeben würden.
Kleiner Dämpfer für das ambitionierte 500-50-5-Geschäft der Gothaer: Bislang arbeitet der Versicherer hier mit zehn Unternehmen zusammen, bei weiteren 40 Unternehmen laufen wohl Sondierungen. Die Begründung für die große Spanne zwischen Zielgröße und aktueller Unternehmensanzahl lautet: „Wir wollen die Plattform nicht überfordern. Der Aufbau soll schrittweise erfolgen“.
Und wie schätzt die Gothaer das Jahr 2023 ein?
Nach Ansicht des Gothaer-Vorstandsvorsitzenden Oliver Schoeller, ,„ist durch die momentane Dynamik nicht leicht einzuschätzen, was 2023 passieren wird“. Die Gothaer liefert für das kommende Jahr eine eher pessimistische Prognose. So rechnet sie mit Rezession und einem negativen Wirtschaftswachstum. Schoeller kommentiert das Kommende weiter: „Die deutsche Wirtschaft wird 2023 wahrscheinlich schrumpfen und die Inflation wird sicher hoch bleiben.“ Schoeller nannte als Marke sieben Prozent und darüber.
Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen sei aber sicher, dass es für sein Unternehmen in vielen Segmenten noch Wachstumspotenzial gebe, auch im aktuell schwächelnden Sektor der Lebensversicherung. Folglich sieht das Unternehmen noch gute Chancen, in dieser Sparte und grundsätzlich weiter zu wachsen. Aus diesem Grund hat der Versicherer wohl auch noch einige neue Produktideen in der Pipeline, die im kommenden Jahr auf den Markt kommen sollen. Nähere Angaben zu diesen Produktideen wurden nicht geliefert.
Klar ist für die Gothaer aber, dass „Inflation und Zins dominierende Themen bleiben werden" und so die Versicherer und das eigene Haus zwingen werden, ökonomisch diszipliniert im Underwriting und der Versicherungstechnik zu agieren.
Und wie sieht Michael Kurtenbach, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Lebensversicherung, das nächste Jahr? Er meint: „Bei den Unternehmenskunden sehen wir noch Wachstumspotenzial, aber das Jahr 2023 ist ertragsseitig herausfordernd. Es bleibt abzuwarten, ob sich das nominale Wachstum in reales Wachstum ummünzen lässt. Aus diesem Grund zeichnen wir alle Risiken mit Vorsicht, das gilt auch für den D&O-Sektor“.
Autor(en): Meris Neininger