Goldene Geschäfte mit silbernen Schläfen

Rund 17 Milliarden Euro Gewinn könnten Lebensversicherer und Finanzdienstleister jährlich in Europa machen - wenn sie sich auf die Klientel der über 50-Jährigen einstellen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "50+" der Unternehmensberatung Mercer Oliver Wyman. "Jene, die sich aber nicht auf die 30- bis 50-Jährigen ausgerichtet haben, werden gegen sinkende Kundenpotenziale ankämpfen und sich komplett neu ausrichten müssen", prophezeit Bernhard Kotanko, Senior Project Manager. Senioren sparten in der Regel nicht mehr an, sondern verbrauchen ihre Rücklagen.

Für durchschnittlich 17 Jahre Rentenbezugszeit wird Geld zum Leben und zunehmend für die Gesundheit gebraucht. Diese Versorgungslücke könnten sie mit neuen Finanzprodukten absichern. Die Finanzdienstleister hätten auf den demographischen Wandel bisher kaum reagiert. Nach Schätzungen von Mercer Oliver Wyman haben etwa 60 Prozent der Lebensversicherer das bestehende Geschäftsmodell ergänzt (etwa Allianz). Nur rund zehn Prozent hätten echte Neuausrichtungen umgesetzt (etwa Ideal), 30 Prozent agierten völlig ohne gezielte strategische Maßnahmen.

Für die nächsten 30 Jahre ist diese Kundengruppe die einzige, die wächst. Immerhin elf Prozent der heute über 50-Jährigen verfügen über ein persönliches Vermögen von 170.000 Euro oder mehr. Viele davon sind derzeit im Alter zwischen 50 und 59 Jahren und damit bei der Ruhestandsvorbereitung, wo das Vermögen neu geordnet wird. Dann fällen die Kunden richtungweisende Finanzentscheidungen und setzen zunehmend auf kurzfristige Anlageformen, hat Mercer Oliver Wyman beobachtet. Die Absicherung von Pflege-, Gesundheits- und Langlebigkeitsrisiken wird im passiven Ruhestand (ab etwa 75) besonders wichtig. Über 50 könne niemand mit seiner Altersvorsorge spekulieren, weil keine Zeit sei, Verluste wieder auszugleichen. "Senioren fordern Sicherheit", so Kotanko.

Die Anbieter sollten hier Rentenprodukte, Lebensversicherungen mit einfacher Gesundheitsprüfung und Sparprodukte mit Vermögensschutz anbieten. Die niedrigeren regelmäßigen Einkünfte werden außerdem zu zeitweiligen Finanzierungslücken führen. Die Analyse von Mercer Oliver Wyman geht davon aus, dass Renten mit flexiblen Ein- und Auszahlungsoptionen und Beleihung von Wohneigentum gangbare Möglichkeiten für das Liquiditätsmanagement sind. Des Weiteren, so der Experte, sollten sich die Versicherer darauf einstellen, dass Pflegeversicherungen zunehmend privatwirtschaftlich organisiert werden und Treuhänder für Pflegebedarf nachgefragt würden. Auch das Thema Vererbung fordere spezielle steuerbegünstigte Lebensversicherungspolicen und Übertragungspakete für Kinder und Enkel.

Vor allem beim Vertrieb müssten die Unternehmen umdenken. Viele Senioren sind unzufrieden mit der bestehenden Beratung und nehmen sie oft als reine Verkaufsabsicht wahr. Unternehmen sollten nachhaltiges Vertrauen aufbauen, beispielsweise mit älteren und erfahrenen Vermittlern. Die Studie kann gratis per E-Mail bezogen werden unter: publicationsCE@mow.com.

Autor(en): Detlef Pohl

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