Finanzdienstleister verlagern in Niedriglohnländer

"Offshore" heißt der Angst-Begriff der Arbeitnehmer. Es geht ums Verlagern von Arbeitsplätzen ins Ausland. Die Finanzdienstleistungsbranche will einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zufolge bis 2008 kräftig Innendienstarbeiten auslagern.

Die Finanzdienstleistungsbranche wird in den kommenden Jahren deutlich mehr Aufgaben und damit auch Arbeitsplätze in Niedriglohnländer ("Offshore") verlagern als bisher. Wie aus der Umfrage von PwC hervorgeht, werden in den nächsten zwei bis drei Jahren in jedem zweiten Unternehmen von Versicherungsunternehmen, Banken und Investmenthäusern bis zu 20 Prozent der Beschäftigten "offshore" - in Niedriglohnländern - arbeiten. Derzeit verlagert nur jeder vierte bis fünfte Finanzdienstleister Backoffice-Arbeiten ins Ausland.

An der Umfrage "Offshoring in the financial services industry: Risks and rewards" haben 156 Führungskräfte teilgenommen, die in den Chef-Etagen bei Banken, Versicherern, dem Investment Management- und Immobiliensektor arbeiten.

Als Hauptgrund für die Verlagerung von Arbeitsplätzen führten nahezu 80 Prozent der Finanzdienstleister, die bereits "offshore" arbeiten lassen, dringende Kostensenkungen an. In den meisten Fällen wurden Einsparungen durch das Auslagern erreicht. Allerdings seien die Kostenreduzierungen häufig nicht so schnell und nicht so deutlich wie erwartet erzielt worden, heißt es in der PwC-Studie.

74 Prozent der Führungskräfte gaben an, dass die Kosten auf längere Sicht gesunken seien. Doch im ersten Jahr hatte rund ein Drittel der Unternehmen noch keine Kostensenkung ausmachen können, teilten die Befragten mit. Bei 15 Prozent der Unternehmen konnte selbst nach fünf Jahren Auslagerung der Arbeiten in Niedriglohnlänger keine Veränderung der Kostenbasis festgestellt werden.

Wie die Experten von PricewaterhouseCoopers mitteilten, zeigten sich nur 60 Prozent der Führungskräfte zufrieden mit den erzielten Einspareffekten. Sogar nur 50 Prozent bezeichneten den "Offshore-Schritt" als Erfolg, wenn man die zusätzlichen Faktoren wie Kundenzufriedenheit oder Effizienz-Verbesserungen mit einbeziehe.

Holger Herbert, Partner bei PwC im Bereich Advisory, ist der Ansicht, dass "Finanzdienstleister, die Offshoring als langfristigen Prozess der Unternehmensausrichtung betrachten, größere Erfolge erzielen als Unternehmen, die nur kurzfristige Kostensenkungen im Blick haben." Häufig würden nämlich vor allem steigende Lohnkosten als Folge des intensiven Wettbewerbs um qualifizierte Mitarbeiter zu wenig berücksichtigt.

Zu den Top Five Offshore-Standorten zählen momentan Indien, China, Irland, Malaysia und Singapur. Die befragten Finanzdienstleistungsunternehmen gaben an, dass sie in den kommenden drei Jahren Länder wie Brasilien, die Philippinen und Polen verstärkt in ihre Offshore-Planungen aufnehmen wollen. Es sei jedoch unterm Strich auf jeden Fall schwer, dort qualifizierte Mitarbeiter zu engagieren.

Herbert Sahm, Partner bei PwC im Bereich Financial Services, betont, dass die Aufsichtsbehörden hierzulande der Auslagerung von Kernaktivitäten Grenzen setzen: "Für deutsche Finanzdienstleister, die nicht nur reine Servicefunktionen, sondern auch wesentliche Bereiche verlagern wollen, setzt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hohe Hürden."

Autor(en): Ellen Bocquel

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