In einem Gastbeitrag der Zeitschrift Versicherungswirtschaft zeigt der CEO der Prisma Life, wie viele Anforderungen Lebensversicherer im grenzüberschreitenden Verkehr erfüllen müssen.
Der Heimatmarkt der Prisma Life AG in Liechtenstein ist mit 40.000 Einwohnern „einfach zu klein“, so Vorstandschef Holger Beitz. Deshalb nutzt der Lebensversicherer, der seit Anfang des Jahres mehrheitlich zur Barmenia gehört, die Freihandelsmöglichkeiten von EFTA und EWR. Dadurch kann das Unternehmen die Dienstleistungsfreiheit sowohl im Europäischen Binnenmarkt als auch in der Schweiz nutzen.
Per Notifizierung überall willkommen?
Theoretisch sollte das kein Problem sein. Denn die Idee eines Binnenmarktes ist, dass ein in seinem Heimatland zugelassener und beaufsichtigter Versicherer in allen Mitgliedsländern tätig werden kann und dafür lediglich eine Anzeige bei der Gastlandaufsicht vornehmen muss (Notifizierung). Dieses Verfahren gibt es seit 1994 und wurde mit der früheren Versicherungsvermittlerrichtlinie 2002 auch auf die Versicherungsvermittler übertragen.
So ganz einfach ist es dann doch nicht, so Beitz. „Hierbei zeigt sich, dass die eigentlich angestrebte Harmonisierung oftmals noch nicht gelingt, da das Tempo der Umsetzung in den jeweiligen Märkten manchmal sehr unterschiedlich ist, was die Anbieter zu aufwändigen Prüf- und Anpassungsprozessen zwingt.“
Nationale Besonderheiten
Grundsätzlich leistet die Heimatlandaufsicht die Aufsicht über die Finanzstabilität (Solvabilität), Rechtsaufsicht und die sogenannte Conduct of Business-Aufsicht über den Versicherer. Bei letztere geht es um die Einhaltung der diversen europarechtlichen Vorgaben.
Allerdings haben auch die Gastaufsichtsbehörden Kompetenzen, die sie ausspielen können. In erster Linie geht es dabei um die „General Good Provisions“, das sind nationale Vorgaben an Versicherer. So können Mitgliedsländer eigene Regeln beispielsweise zu Informationspflichten, Berichterstattungen oder dem Umgang mit Beschwerden erlassen.
Wie viele solcher Regeln es gibt, macht die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA in einer Linksammlung und einem zusammenfassenden Bericht deutlich. Beispielsweise werden dort für Deutschland die generelle Beratungspflicht, verschärfte Regeln für den Vertrieb von Restschuldversicherungen oder das Provisionsabgabeverbot und die Provisionsdurchleitung bei Versicherungsberatern genannt. Das bedeutet nichts anderes, als dass ausländische Versicherer diese Regeln zusätzlich zu den allgemeinen europarechtlichen Bestimmungen beachten und umsetzen müssen. Genau das beklagt Beitz als Hemmnis bei der Nutzung des Binnenmarktes.
Zielmarkt „Wer nicht bei drei auf den Bäumen ist“ reicht nicht
Oft seien es aber auch Interpretationsunterschiede derselben Bestimmungen, führt er am Beispiel der Zielmarktbestimmung im Produktfreigabeverfahren aus. So könne „in Deutschland die Zielmarktdefinition eher etwas generischer ausfallen“, andere Länderaufsichten verlangten aber sehr konkrete und enge Beschreibungen. Dadurch würden die Zielgruppen für Produkte kleiner, entsprechend müssten „mehr differenzierte Tarife aufgelegt werden“.
Beitz sieht hier einen Konflikt mit der Flexibilität des Versicherers, auf sich verändernde Kundenbedürfnisse einzugehen.
Mehrkosten durch enge oder durch breite Zielmarktdefinitionen?
Ergänzen kann man, dass im Zuge der „Value for Money“-Doktrin der EIOPA und auch der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gerade das Thema Tarifvielfalt in die Kritik geraten ist. In einer an die Aufsichtsbehörden gerichteten Stellungnahme vom November 2021 weist die EIOPA auf die steigenden Kosten beispielsweise der Beratung hin, die durch komplexe Produkte und damit einhergehende, enge Zielmarktdefinitionen entstehen können.
Die Bafin führt demgegenüber in ihrem „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ aus, dass umgekehrt eine breite Zielmarktdefinition zu erhöhtem Beratungsaufwand und damit erhöhten Abschlusskosten führen könne, was gegen den Nutzen abzuwägen sei. Diese Unklarheiten in den Auslegungen der europarechtlichen Vorgaben wie in diesem Fall zum Produktfreigabeverfahren sind es, die laut Beitz einem Versicherer im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr das Leben schwer machen.
Aber Beitz müsste seine langjährige Vertriebserfahrung verleugnen, käme er nicht doch letztlich zu einem positiven Ausblick. Die Unternehmen würden aus den praktischen Erfahrungen dazulernen. Auch erwartet Beitz offensichtlich Veränderungen durch die Kleinanlegerstrategie, die derzeit in Brüssel vorbereitet wird. Hier sieht er die Chance von mehr Qualität und Reputation für die Lebensversicherer, aber auch Anpassungsbedarf im Vermittlermarkt und bei den Vergütungsformen. Die Digitalisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz könnten hierbei helfen. Von den Aufsichtsbehörden wünscht er sich „Augenmaß“, denn die Altersvorsorge bleibe „eine große gesellschaftliche Aufgabe“.
Autor(en): Matthias Beenken