Die Bundesregierung will betriebliche Altersversorgung fördern und legte einen Gesetzesentwurf zur Überarbeitung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes vor. Was von den wichtigsten Neuerungen zu halten ist.
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) hat in den vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. So stieg die Zahl der aktiven Anwartschaften seit 2001 von knapp 14,6 auf rund 21,2 Millionen. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf. So ist die Verbreitungsquote der bAV seit 2015 leicht gesunken, weil die Zahl der Beschäftigten stärker gewachsen ist als die bAV-Verträge. Immer noch hat knapp die Hälfte (46 Prozent) der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hierzulande keine bAV. Ein Armutszeugnis!
Unterversorgt sind in erster Linie immer noch kleine und mittelständische Betriebe. Generell ist auch im Osten Deutschlands die bAV weit weniger verbreitet als im Westen. Eigentlich wäre wegen der demografischen Entwicklung eine größere Rentenreform in der ersten Säule notwendig. Das ist jedoch aufgrund der derzeitigen politischen Konstellation in dieser Legislaturperiode nicht zu erwarten. Daher setzt die Bundesregierung vor allem auf die Förderung der zweiten Säule, der bAV.
Mehr Förderung für Geringverdiener
Bisher gelten Arbeitnehmer mit einem monatlichen Einkommen von bis zu 2.575 Euro im ersten Dienstverhältnis als Geringverdiener. Zukünftig soll die Grenze auf bis zu 2.718 Euro steigen. Außerdem soll diese Grenze dynamisiert werden und drei Prozent der Beitragsbemessungsgrenze betragen. Gewährt der Arbeitgeber Mitarbeitern mit einem maximal geförderten Monatsbrutto bis zu maximal 360 Euro jährlich für die bAV (bisher 288 Euro), kann er 30 Prozent der fälligen Lohnsteuer behalten.
Kommentar: Diese Verbesserung ist zielführend, denn sie kann einen deutlichen Schub für die Mitarbeiter bringen, die aus finanziellen Gründen bisher keine Entgeltumwandlung vorgenommen haben. Und Geringverdiener fallen künftig nicht mehr aus der Förderung heraus, wenn sie aufgrund allgemein steigender Löhne und Preise etwas mehr verdienen.
Öffnung des Sozialpartnermodells
Beim Thema Sozialpartnermodell (SPM) scheint die Bundesregierung ideologisch gefangen. Ähnlich wie seine Vorgängerin Andrea Nahles setzt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf die Förderung der so genannten Sozialpartnermodelle, die bis dato nur mit Beteiligung der Gewerkschaft tarifvertraglich gestaltet werden können. Zwar will die Bundesregierung den Zugang Dritter zu solchen Modellen erleichtern. Aber anstatt vom grundsätzlichen Tarifvorbehalt abzuweichen, wird es wieder kompliziert gemacht. Zwei Konstellationen sieht der Entwurf mit Zustimmung der das SPM tragenden Tarifvertragspartner vor: Der für das Arbeitsverhältnis einschlägige Tarifvertrag hat eine entsprechende Öffnungsklausel – so genannter „Öffnungs-Tarifvertrag“. Oder das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Organisationsbereich der Gewerkschaft, die das SPM trägt – die Gesetzesbegründung weist auf das SPM in der Chemiebranche hin, das zum Beispiel von der Papier- und Keramikindustrie oder der Wasserwirtschaft genutzt werden kann, erklärt die Unternehmensberatung Deloitte.
Kommentar: Hier hätte der Gesetzgeber das SPM meines Erachtens für nicht-tarifgebundene Unternehmen weiter öffnen können – auch ohne diese Krücke über spezielle Öffnungsklauseln.
Kein Obligatorium, aber Opting-out
Auch künftig setzt der Gesetzgeber auf Freiwilligkeit und nicht auf obligatorisches Sparen, obwohl damit die Verbreitungsquote signifikant gestiegen wäre. Allerdings können Unternehmen auf betrieblicher Ebene ein Opting-out-System einführen. Dies muss nicht mehr in einem Tarifvertrag festgeschrieben sein. Künftig ist dies auch mit einer Betriebsvereinbarung möglich. Dies setzt jedoch voraus, dass es in dem Unternehmen überhaupt einen Betriebsrat gibt. Voraussetzung für ein Opting-out-Modell ist, dass sich der Arbeitgeber mit mindestens 20 Prozent finanziell beteiligt – also mit etwas mehr als bei dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzuschuss von 15 Prozent bei Entgeltumwandlungen. Es bleibt, dass die Beschäftigten der Einbindung widersprechen können.
Kommentar: Die Regelung ist zu begrüßen, allerdings sind es oft die kleineren Betriebe ohne Betriebsrat, deren Mitarbeiter ohne bAV dastehen. Hier hat der Gesetzgeber eine Chance für ein flächendeckendes Opting-out-Modell versäumt. Ein Obligatorium wäre vielleicht die noch bessere Lösung gewesen.
Garantien bleiben
Die vorgeschriebenen Garantien außerhalb von den Sozialpartnermodellen sollen auch künftig nicht gelockert werden. „Wir wünschen uns mehr Flexibilität, damit Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds die Chancen des Kapitalmarkts stärker nutzen können. Dadurch könnten höhere Renditen erwirtschaftet werden, wovon die Versicherten profitieren“, meint dazu GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen.
Kommentar: Schade, dass in dem Entwurf keine Änderung vorgesehen ist. Denn die derzeitige Regelung ist nicht sinnvoll, da durch die Garantievorgaben die Versicherer Renditen nicht voll ausschöpfen können, was letztlich den Versicherten zugutekäme.
Wie es weitergeht
Es muss die wichtigste Aufgabe sein, die Verbreitung der Betriebsrenten weiter zu erhöhen. Dazu ist der Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes ein erster Schritt. Nicht mehr und nicht weniger.
Ende August soll das Gesetz vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Danach geht es in den Bundestag. Auch der Bundesrat muss dem Entwurf zustimmen. Bleibt zu hoffen, dass das Gesetz nach dem Abstimmungsverfahren verbessert herauskommt.
Autor(en): Bernhard Rudolf