In einem weiteren Verfahren ist es dem Bund der Versicherten nicht gelungen, einem Versicherungsberater die Tarifwechsel-Beratung in der privaten Krankenversicherung gegen ein erfolgsabhängiges Honorar verbieten zu lassen.
Wie der Bund der Versicherten nach ersten Medienberichten selbst bekanntgab, hat das Oberlandesgericht München im Berufungsverfahren der Firma Minerva Kundenrechte GmbH Recht gegeben, nachdem sie in der Instanz zuvor noch verurteilt worden war. Minerva betreibt wie einige andere Firmen auch das Geschäft des Tarifoptimierers, der Kunden der privaten Krankenversicherung hilft, ihr Tarifwechselrecht nach § 204 VVG wahrzunehmen. Dafür lässt sich das Unternehmen erfolgsabhängig vergüten, in dem ein Vielfaches der monatlichen Ersparnis verlangt wird. Minerva hat die Erlaubnis eines Versicherungsberaters (§ 34d Absatz 2 GewO, früher § 34e GewO).
Muss ein Versicherungsberater wie ein Anwalt vergütet werden?
Der Bund der Versicherten hält dies für unlauter. "Erfolgsabhängige Honorare geben Fehlanreize und gefährden eine unabhängige Beratung", so Axel Kleinlein, Sprecher des Bundes der Versicherten. Das Landgericht München (Urteil vom 18. Mai 2018, Az. 37 O 8325/17) hatte noch für Recht erkannt, dass ein Versicherungsberater sich nur auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vergüten lassen dürfe. Das schließt erfolgsabhängige Vergütungen weitgehend aus, außer im Einzelfall handelt es sich um einen besonders vermögenden und erfahrenen Mandanten, der die Vergütungsvereinbarung überblicken kann.
Das OLG München nun hat nach Angaben des Versichertenverbands dieses Urteil verworfen, weil die Tarifwechselberatung als Versicherungsvermittlung und nicht als Rechtsberatung einzuordnen sei. Gerade auch das IDD-Umsetzungsgesetz, mit dem die Rolle der Versicherungsberater auf die Vermittlung ausgeweitet wurde, sieht keine Einschränkung bei der Art der Vergütung vor.
Appell an Gesetzgeber
Hierin sieht der Bund der Versicherten eine fehlende "Klarheit über die Rolle der Versicherungsberater", die er sich nun vom Bundesgerichtshof erhofft. Eine Revision sei vom OLG München zugelassen worden, und diesen Weg will der Verband auch beschreiten. Sollte auch der nicht zum gewünschten Erfolg führen, appelliert der Verband jetzt schon an den Gesetzgeber, tätig zu werden.
Das ist nach dem Fall MLP (Makler dürfen Erfolgshonrar erheben) schon die zweite Niederlage in Sachen Tarifwechselberatung für den Bund der Versicherten, auch wenn das Angebot von MLP ein wenig anders gelagert war. Es stellt sich aber generell die Frage, ob das alte Bild des Versicherungsberaters als "kleiner Rechtsanwalt" überhaupt noch gewollt war. Dazu passt ganz nicht, dass mit dem IDD-Umsetzungsgesetz ausdrücklich die Aufgabe der Vermittlung neu für den Versicherungsberater in die Gewerbeordnung aufgenommen worden ist. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich den Berufsstand über die Rechtsberatung und außergerichtliche Vertretung hinaus erweitern auf klassische Maklertätigkeiten.
Berater rückten schon 2007 dicht an den Makler heran
Dazu muss man auch die Vorgeschichte bedenken. Schon 2007 waren die damals noch von Amts- oder Landgerichten zugelassenen Versicherungsberater gegen ihren Willen in die Gewerbeordnung aufgenommen worden, nachdem die EU-Kommission eine Anfrage des Bundesregierung zum Anwendungsbereich der alten EU-Vermittlerrichtlinie IMD entsprechend beantwortet hatte. Denn es war innerhalb der Bundesregierung umstritten, ob Versicherungsberater als Rechtsberater im damals ebenfalls neu verabschiedeten Rechtsdienstleistungsgesetz verankert bleiben sollten, sozusagen übernommen aus dem vorherigen Rechtsberatungsgesetz, oder ob sie unter die IMD fallen. Letzteres bejahte die EU-Kommission, weil Versicherungsberater eine Tätigkeit ausüben, die von der Tätigkeitsbeschreibung "Versicherungsvermittlung" der IMD erfasst wurde, nämlich die Beratung über Versicherungen.
Damit rückten die Versicherungsberater damals schon näher an die Versicherungsmakler heran, die ebenfalls im Kundenauftrag als treuhänderähnliche Sachwalter tätig werden. Und das gilt, selbst wenn sie marktüblich dafür vom Versicherer bezahlt werden - so hatte es schon 1985 der Bundesgerichtshof festgelegt. Ein weiteres Indiz für das Zusammenrücken von Versicherungsberater und Versicherungsmakler war 2007 die Erweiterung der Gewerbeerlaubnis des Versicherungsmaklers auf diejenige des Versicherungsberaters, wenn auch nur für die Rechtsberatung von Kunden, die keine Verbraucher sind, und ohne das Recht auf außergerichtliche Vertretung. Damit aber sind Berater und Makler in einem Kernbereich ihrer Tätigkeit, im Firmengeschäft, faktisch schon vor zwölf Jahren einander gleichgestellt worden.
Förderung der (erfolgsabhängigen) Honorarberatung
Bei der Umsetzung der IDD wollte die Bundesregierung das Ziel der Großen Koalition einer Förderung der Honorarberatung im Versicherungsbereich umsetzen. Man war damals der Meinung, dass die nur rund 300 Versicherungsberater kein ausreichendes Angebot an Honorarberatung sicherstellen können. Um das zu ändern, wurden drei vermeintlich wesentliche Hürden beseitigt: Erstens wurde dem Berater ausdrücklich die Vermittlung erlaubt, was eigentlich nur deklaratorisch war, denn die Begleitung des Kunden bis zum erfolgreichen Vertragsabschluss war Beratern auch vorher ohne weiteres möglich.
Ganz offensichtlich aber sollte damit deutlich gemacht werden, dass diese Tätigkeit analog den Maklern eben auch gegen eine erfolgsabhängige Vergütung möglich sein sollte. Zweitens wurde genau diese Art der Vermittlung und Vergütung erleichtert, indem Versicherer zur Durchleitung von Provisionen verpflichtet wurden, sofern ein Versicherungsberater einen Bruttotarif vermittelt und den Kunden sonst doppelt belasten müsste - durch sein Honorar und die in den Tarif einkalkulierte, aber nicht auszuschüttende Provision. Auch damit hat der Gesetzgeber mehr als deutlich gemacht, dass er eine erfolgsabhängige Tätigkeit der Versicherungsberater beabsichtigt hat. Es liegt völlig auf der Hand, dass ein Versicherungsberater im Vermittlungsfall sein Honorar am einfachsten an der Höhe der durchzuleitenden Provision ausrichten wird, damit er keine Widerstände des Kunden befürchten muss. Wären die Leistungen von Berater und Makler strukturell komplett unterschiedlich, wäre die Regelung unnötig gewesen.
Bundesregierung in der Sackgasse
Drittens wurde ausdrücklich der Umstieg vom Makler zum Berater besonders gefördert, indem der Berater seine alten Courtageansprüche weiter behalten darf und ein Liquiditätseinbruch vermieden wird. Auch das stellt ein deutliches Indiz dafür dar, dass die Bundesregierung sich unter einem Versicherungsberater einen gegen Erfolgshonorar tätigen Vermittler vorgestellt hat, der sich in seiner Unabhängigkeit nur insoweit vom Makler unterscheidet, dass er die Vergütung ausschließlich mit dem Kunden regeln muss und nicht wie ein Makler von Fall zu Fall mit Versicherer oder Kunde.
Unter diesen Umständen erscheint der Kampf des Bundes der Versicherten gegen eine erfolgsabhängige Tätigkeit der Versicherungsberater eher aussichtslos. Allerdings sollte die Bundesregierung dennoch eine Konsequenz daraus ziehen und die Berufsstände Versicherungsberater und Versicherungsmakler endlich komplett fusionieren. Es ist niemandem zu erklären, schon gar nicht einem Kunden, was der entscheidende, trennscharfe Unterschied zwischen einem beratenden Versicherungsvermittler und einem vermittelnden Versicherungsberater sein soll. Hiermit ist die Bundesregierung in eine Sackgasse gelaufen.
Autor(en): Matthias Beenken