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Die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde hat einen neuen Bericht zur Entwicklung des Vermittlermarktes nach Umsetzung der Richtlinie IDD veröffentlicht. Die Zahl der Vermittler sinkt – oder doch nicht?

Die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD verpflichtet die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, die Veränderungen des Vermittlermarktes zu beobachten, um vor allem negative Auswirkungen der Regulierung zu vermeiden. Ein erster Basisbericht erschien 2018, drei Jahre später nun ein Folgebericht über die ersten Umsetzungserfahrungen

Die Zahl der Vermittler sinkt – aber um wieviel?

Allerdings sind konkrete Zahlen immer noch schwierig zu erheben. Viele Mitgliedsländer haben die IDD verspätet umgesetzt und bisher wenig Erfahrungen zu berichten. Als ein besonderes Problem stellt sich einmal mehr heraus, dass die IDD versäumt hat klare Standards für eine Datenerhebung und Berichterstattung für die Aufsichtsbehörden festzulegen.

Relativ am einfachsten scheint es zu sein, die Vermittlerzahlen zu beobachten. Doch selbst das gelingt nur mit vielen Einschränkungen. Die EIOPA führt zwei verschiedene Zahlenreihen für die Jahr 2016 bis 2020 auf. Die höhere Zahlenreihe zeigt eine negative Entwicklung: Von gut einer Million Vermittler 2016 sank die Zahl bis 2020 auf rund 815.000 ab. In der Basisstudie 2018 waren allerdings für die dort enthaltenen Jahr 2016 und 2017 höhere Zahlen genannt worden, danach sollen es 2016 sogar noch 1,13 Millionen Vermittler gewesen sein.

Die zweite Zahlenreihe schließt die Vermittlerangaben von Luxemburg und Tschechien aus, wo im Beobachtungszeitraum eine erhebliche Bereinigung der Vermittlerregister um „Karteileichen“ stattgefunden hatte. Allein in Tschechien soll die Vermittlerzahl dadurch von knapp 163.000 auf nur noch gut 38.000 und in Luxemburg von rund 10.000 auf knapp 7.000 gefallen sein.

Doch auch diese reduzierte Zahlenreihe zeigt ein Absinken der gesamten Vermittleranzahl von rund 858.000 (2016) auf gut 770.000 (2020). Ein leichter Aufwärtstrend von 2019 zu 2020 kann nicht wirklich erklärt werden.

EIOPA IDD

Überalterung und Nachwuchsmangel

Die Gründe, die die EIOPA für die insgesamt negative Entwicklung anführt, kommen deutschen Marktkennern sehr bekannt vor: Eine steigende Überalterung der Vermittler, Nachwuchsmangel und eine Konsolidierung der Betriebe hin zu professionelleren Großvertrieben werden ebenso genannt wie die Digitalisierung und Onlinevermittler. Allerdings entwickelt sich der Onlineanteil zwar aufwärts, aber von geringer Basis kommend spielt er immer noch eine geringere Rolle.

Die erfolgreichsten Vermittler sind in Europa weiterhin die Banken im Lebensversicherungsgeschäft sowie die Ausschließlichkeitsvertreter im Kompositgeschäft. Auch Versicherungsmakler sind ein wichtiger Vertriebsweg, aber die Anteile sind je nach Land sehr unterschiedlich hoch.

Grenzüberschreitende Vermittlung bleibt Ausnahme

Ziel der IDD wie auch der Vorgängerrichtlinie, der EU-Vermittlerrichtlinie, war, die grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung zu fördern. Eine Mindestharmonisierung der europäischen Vermittlerregeln sollte dazu beitragen, dass europäische Versicherungskunden ein breites Angebot auch ausländischer Versicherer in Anspruch nehmen können.

Die Realität sieht anders aus. In ihrem Bericht verzeichnet die EIOPA ganze 6.770 Vermittler europaweit, die am Notifizierungsverfahrens teilgenommen haben, also ihrer Erlaubnisbehörde gegenüber eine Auslandsaktivität angemeldet haben. Die Heimat-Erlaubnisbehörde teilt dann den jeweiligen anderen europäischen Behörden diese Aktivität mit, sodass der Vermittler in den jeweiligen Vermittlerregistern eingetragen und tätig werden kann.

Diese 6.770 Vermittler entsprechen nicht einmal einem Prozent aller Vermittler in Europa. Davon haben 6.544 Vermittler angegeben, per Dienstleistungsfreiheit in anderen Mitgliedsstaaten der EU tätig zu werden und 287 eine Niederlassung zu errichten. Da kann man sich schon fragen, ob der Aufwand einer europäischen Richtlinie sowie weiterer Regulierungen auf der Ebene darunter – beispielsweise Delegierte Verordnungen – gerechtfertigt ist, um einem von hundert Vermittlern zu helfen leichter in seine europäischen Nachbarmärkte vorzudringen.

Die EIOPA hat auch weiterhin keine Zahlen zur Bedeutung des vermittelten Geschäfts. Denn eine Notifiszierung bedeutet keineswegs, dass auch wirklich grenzüberschreitend vermittelt wird. Statistiken dazu fehlen.

Beratungsqualität gestiegen

Ansonsten gibt der Bericht einen umfangreichen Einblick in die Umsetzung der IDD, gestützt auch auf eine öffentliche Umfrage unter Branchenverbänden und anderen interessierten Parteien, die die EIOPA Anfang 2021 durchgeführt hatte. Das Fazit ist überwiegend positiv. Die IDD hat die Beratungsqualität verbessert. Kunden bekommen mehr Informationen als früher und damit eine bessere Entscheidungsgrundlage.

Allerdings gibt es auch Mängel und künftigen Handlungsbedarf, wobei die EIOPA selbst keinen Bedarf für eine rasche Evaluation der IDD sieht. Erst sollten weiteren Anwendungserfahrungen gesammelt werden, wofür es in zwei Jahren den nächsten Folgebericht geben wird.

Papier-verliebte IDD-Vorschriften passen nicht zu digitalisierten Welt

Angesprochen werden vor allem Probleme im Online-Vertrieb. Die teilweise noch sehr Papier-verliebten IDD-Vorschriften passen nicht zu einer digitalisierten Welt. Missbräuchliche Ausgestaltungen des Onlinevertriebs werden beklagt, bei denen die Kunden die Verantwortung zugeschoben bekommen herauszufinden, welche Versicherung zu ihnen passt. Eine Sorge klingt durch, dass Künstliche Intelligenz zu Beratungs- und Vertriebsprozessen führt, die von einer Aufsichtsbehörde kaum noch überprüfbar sind.

Weiter wird ein Übermaß an Informationen gesehen. Die EU arbeite an einer Studie, welche Informationspflichten sich ungünstig überschneiden und den Kunden überfordern. Vermittler und Versicherer sollten sich zudem darauf einstellen, dass verdeckte Testkäufe (Mystery Shopping) europaweit zum „letzten Schrei“ in der Toolbox der Aufsichtsbehörden werden, um herauszufinden, wie gut tatsächlich beraten wird. Die deutsche Versicherungsaufsicht hat dies ebenfalls angekündigt: Ab diesem Jahr wird dieses Instrument erst in kleinem Maßstab probehalber, aber bald auch als breites Messinstrument eingesetzt werden.

Autor(en): Matthias Beenken

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