Die Diskussion über das LVRG und die Abschlusskosten verdecken, dass der Versicherungsvertrieb früher oft stärker reguliert war als heute. Der heutige Rückblick ist Teil 2 einer Serie, mit der an frühere Regularien erinnert wird, die in Vergessenheit geraten sind.
Das Wettbewerbsrecht wird im „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) geregelt. „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb“, heißt es einleitend.
Ergänzende Auslegung des Wettbewerbsrechts
Was im Einzelfall in einer Branche als „unlautere geschäftliche Handlung“ gilt, muss innerhalb der Branche definiert werden. Dafür gibt es seit Jahrzehnten die „Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft“. Sie dienen laut der Präambel zur, „Förderung der Sicherstellung des Leistungswettbewerbs zwischen den Versicherern und zwischen den Vermittlern, Förderung und Sicherstellung eines lauteren Geschäftsgebarens, Schutz des Verbrauchers vor unlauterem Wettbewerbsverhalten, Gewährleistung der Qualität der Vermittlung und Beratung“.
Gehören Makler zum Kreis der Verpflichteten?
Bemerkenswert ist, dass die Beratungsqualität trotz dieser Richtlinien immer wieder in die Kritik geraten ist. 2010 bewogen die Finanzkrise und die anhaltenden Vorwürfe, alle Finanzdienstleister einschließlich der Versicherungswirtschaft würden fehlerhafte Anreize einsetzen und unpassende Produkte empfehlen, die Vertriebsvorstände zur Erarbeitung eines Verhaltenskodexes. Eigentlich unnötig, wenn man die Wettbewerbsrichtlinien ernst nehmen würde.
Aber es beginnt schon beim Kreis der Verpflichteten. Die Wettbewerbsrichtlinien wurden von den Versichererverbänden GDV und PKV-Verband auf der einen und den Vermittlerverbänden BVK und VGA auf der anderen Seite „formuliert“, wie es darin heißt. Unmittelbar wirksam werden sie nur gegen die Versicherungsunternehmen, deren Angestellte sowie gegen die Versicherungsvertreter, mit denen die Einhaltung vertretervertraglich vereinbart wurde. Alle anderen, insbesondere Versicherungsmakler, können, müssen sich aber nicht daran halten.
Umdeckung vornehmer als Ausspannung?
2006 wurden die Wettbewerbsrichtlinien zudem erheblich zusammengestrichen. Den von 1977 stammenden Text hielt man zu dieser Zeit – kurz vor der Finanzkrise – wohl für wettbewerbsfeindlich. Dafür steht exemplarisch das Thema „Ausspannung“, bei dem schon der Begriff antiquiert anmutet. Heutzutage würde man wohl eher von „Umdeckung“ sprechen.
Offensichtlich gab es einmal eine Zeit, in der Umdeckungen als schädlich angesehen wurden. „Die Ausspannung von Versicherungen und der Versuch der Ausspannung sind unzulässig“, hieß es ursprünglich zur Lebensversicherung. In der Krankenversicherung „sollen Ausspannungen unterbleiben“ und sind „unzulässig“, wenn sie „mit unlauteren Mitteln oder auf unlautere Weise“ betrieben wird. In den Kompositsparten wurde es ebenfalls als „unzulässig“ erachtet, „in fremde Versicherungsbestände planmäßig und mit unlauteren Mitteln einzudringen“.
Nachteile durch die Umdeckung
Eine besondere Relevanz hatte dieses Ausspannungsverbot in der Lebens- und Krankenversicherung. Denn Hintergrund war, dass die Umdeckung mit erheblichen Nachteilen für den Kunden verbunden ist. In der Lebensversicherung besteht dieser unter anderem darin, dass dem Kunden mit dem Rückkaufswert des gekündigten Altvertrags Ansprüche verloren gehen, auch bei einer Beitragsfreistellung ist die Lage angesichts der hohen, bei Vertragsbeginn belasteten Abschlusskosten nicht besser.
In der Krankenversicherung kommt der Verlust der vollständigen oder bei neueren, ab 2009 geschlossenen Verträgen, teilweisen Alterungsrückstellungen hinzu.
Umgedeckt – Provision verwirkt
Um die Umdeckung vor allem in der Lebensversicherung zu verhindern, verpflichteten sich Versicherer mit ihren Vertretern – Makler spielten 1977 noch keine nennenswerte Rolle in diesem Geschäftsfeld – im Vertretervertrag nicht etwa nur die Anerkennung dieser Wettbewerbsrichtlinien zu vereinbaren. Vielmehr verwirkten sie auch ihre Provisionsansprüche, „etwa empfangene Vergütungen sind zurückzugewähren“. Es wäre eine interessante Frage, welcher Anteil der aktuell ausgezahlten Lebensversicherungsprovisionen nach diesen Regeln gar nicht ausgezahlt oder zurückgefordert werden müsste.
Außerdem wurde Versicherern seinerzeit empfohlen, in den Antragsvordrucken ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass „die Aufgabe einer bestehenden Versicherung zum Zweck des Abschlusses einer Versicherung bei einem anderen Unternehmen (…) für den Versicherungsnehmer im allgemeinen unzweckmäßig und für beide Unternehmen unerwünscht“ ist. Weiter wurde ein Beschwerdeverfahren zwischen den betroffenen Versicherern sowie ein Streitschlichtungsverfahren beim GDV vereinbart, „bevor ein ordentliches Gericht angerufen wird“.
Nur noch eine Rumpf-Vorschrift
Davon ist heute wenig übrig geblieben. Es gibt in der seit 2006 gültigen Version der Wettbewerbsrichtlinien einen allgemeinen Grundsatz für alle Sparten, dass es „unzulässig“ sei, „in fremde Versicherungsbestände mit unlauteren Mitteln einzudringen“. Das schließt die Umdeckung in Einzelfällen alles andere als aus.
In der Lebensversicherung heißt es nur noch, die Ausspannung „soll (…) unterbleiben“. Als „unzulässig“ wird sie bezeichnet, wenn sie „mit unlauteren Mitteln oder auf unlautere Weise“ betrieben wird, insbesondere, wenn eine Aufklärung „über die mit der Vertragsbeendigung verbundenen Nachteile unterblieben ist“. Von einer Provisionsrückgabe ist keine Rede mehr.
Es wäre spannend zu erfahren, ob auch nach der Finanzkrise diese Ausdünnung des Wettbewerbsrechts erfolgt wäre. Damals wurde sie mit Konflikten mit dem Kartellrecht begründet. Von Verbraucherschutz war hingegen nicht die Rede.
Das Wettbewerbsrecht wird im „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) geregelt. „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb“, heißt es einleitend.
Ergänzende Auslegung des Wettbewerbsrechts
Was im Einzelfall in einer Branche als „unlautere geschäftliche Handlung“ gilt, muss innerhalb der Branche definiert werden. Dafür gibt es seit Jahrzehnten die „Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft“. Sie dienen laut der Präambel zur, „Förderung der Sicherstellung des Leistungswettbewerbs zwischen den Versicherern und zwischen den Vermittlern, Förderung und Sicherstellung eines lauteren Geschäftsgebarens, Schutz des Verbrauchers vor unlauterem Wettbewerbsverhalten, Gewährleistung der Qualität der Vermittlung und Beratung“.
Gehören Makler zum Kreis der Verpflichteten?
Bemerkenswert ist, dass die Beratungsqualität trotz dieser Richtlinien immer wieder in die Kritik geraten ist. 2010 bewogen die Finanzkrise und die anhaltenden Vorwürfe, alle Finanzdienstleister einschließlich der Versicherungswirtschaft würden fehlerhafte Anreize einsetzen und unpassende Produkte empfehlen, die Vertriebsvorstände zur Erarbeitung eines Verhaltenskodexes. Eigentlich unnötig, wenn man die Wettbewerbsrichtlinien ernst nehmen würde.
Aber es beginnt schon beim Kreis der Verpflichteten. Die Wettbewerbsrichtlinien wurden von den Versichererverbänden GDV und PKV-Verband auf der einen und den Vermittlerverbänden BVK und VGA auf der anderen Seite „formuliert“, wie es darin heißt. Unmittelbar wirksam werden sie nur gegen die Versicherungsunternehmen, deren Angestellte sowie gegen die Versicherungsvertreter, mit denen die Einhaltung vertretervertraglich vereinbart wurde. Alle anderen, insbesondere Versicherungsmakler, können, müssen sich aber nicht daran halten.
Umdeckung vornehmer als Ausspannung?
2006 wurden die Wettbewerbsrichtlinien zudem erheblich zusammengestrichen. Den von 1977 stammenden Text hielt man zu dieser Zeit – kurz vor der Finanzkrise – wohl für wettbewerbsfeindlich. Dafür steht exemplarisch das Thema „Ausspannung“, bei dem schon der Begriff antiquiert anmutet. Heutzutage würde man wohl eher von „Umdeckung“ sprechen.
Offensichtlich gab es einmal eine Zeit, in der Umdeckungen als schädlich angesehen wurden. „Die Ausspannung von Versicherungen und der Versuch der Ausspannung sind unzulässig“, hieß es ursprünglich zur Lebensversicherung. In der Krankenversicherung „sollen Ausspannungen unterbleiben“ und sind „unzulässig“, wenn sie „mit unlauteren Mitteln oder auf unlautere Weise“ betrieben wird. In den Kompositsparten wurde es ebenfalls als „unzulässig“ erachtet, „in fremde Versicherungsbestände planmäßig und mit unlauteren Mitteln einzudringen“.
Nachteile durch die Umdeckung
Eine besondere Relevanz hatte dieses Ausspannungsverbot in der Lebens- und Krankenversicherung. Denn Hintergrund war, dass die Umdeckung mit erheblichen Nachteilen für den Kunden verbunden ist. In der Lebensversicherung besteht dieser unter anderem darin, dass dem Kunden mit dem Rückkaufswert des gekündigten Altvertrags Ansprüche verloren gehen, auch bei einer Beitragsfreistellung ist die Lage angesichts der hohen, bei Vertragsbeginn belasteten Abschlusskosten nicht besser.
In der Krankenversicherung kommt der Verlust der vollständigen oder bei neueren, ab 2009 geschlossenen Verträgen, teilweisen Alterungsrückstellungen hinzu.
Umgedeckt – Provision verwirkt
Um die Umdeckung vor allem in der Lebensversicherung zu verhindern, verpflichteten sich Versicherer mit ihren Vertretern – Makler spielten 1977 noch keine nennenswerte Rolle in diesem Geschäftsfeld – im Vertretervertrag nicht etwa nur die Anerkennung dieser Wettbewerbsrichtlinien zu vereinbaren. Vielmehr verwirkten sie auch ihre Provisionsansprüche, „etwa empfangene Vergütungen sind zurückzugewähren“. Es wäre eine interessante Frage, welcher Anteil der aktuell ausgezahlten Lebensversicherungsprovisionen nach diesen Regeln gar nicht ausgezahlt oder zurückgefordert werden müsste.
Außerdem wurde Versicherern seinerzeit empfohlen, in den Antragsvordrucken ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass „die Aufgabe einer bestehenden Versicherung zum Zweck des Abschlusses einer Versicherung bei einem anderen Unternehmen (…) für den Versicherungsnehmer im allgemeinen unzweckmäßig und für beide Unternehmen unerwünscht“ ist. Weiter wurde ein Beschwerdeverfahren zwischen den betroffenen Versicherern sowie ein Streitschlichtungsverfahren beim GDV vereinbart, „bevor ein ordentliches Gericht angerufen wird“.
Nur noch eine Rumpf-Vorschrift
Davon ist heute wenig übrig geblieben. Es gibt in der seit 2006 gültigen Version der Wettbewerbsrichtlinien einen allgemeinen Grundsatz für alle Sparten, dass es „unzulässig“ sei, „in fremde Versicherungsbestände mit unlauteren Mitteln einzudringen“. Das schließt die Umdeckung in Einzelfällen alles andere als aus.
In der Lebensversicherung heißt es nur noch, die Ausspannung „soll (…) unterbleiben“. Als „unzulässig“ wird sie bezeichnet, wenn sie „mit unlauteren Mitteln oder auf unlautere Weise“ betrieben wird, insbesondere, wenn eine Aufklärung „über die mit der Vertragsbeendigung verbundenen Nachteile unterblieben ist“. Von einer Provisionsrückgabe ist keine Rede mehr.
Es wäre spannend zu erfahren, ob auch nach der Finanzkrise diese Ausdünnung des Wettbewerbsrechts erfolgt wäre. Damals wurde sie mit Konflikten mit dem Kartellrecht begründet. Von Verbraucherschutz war hingegen nicht die Rede.
Autor(en): Matthias Beenken