Ein Kommentar: Riester-Verträge sind in der Regel pfändbar

740px 535px
Banken und Versicherer behaupten in ihrer Werbung und den Schulungsunterlagen für ihre Berater und Vermittler, das in Riester-Verträgen angesparte Vermögen sei nicht pfändbar. Das Gegenteil ist richtig, wie ein Urteil des Amtsgericht München (siehe Foto) vom 12. Dezember 2011 (Az. 273 C 8790/11) belegt.

Sämtliches Vermögen in Riester-Verträgen, soweit es auf Beiträgen beruht, welche (noch) nicht gefördert wurden, kann ein Gläubiger beziehungsweise Insolvenzverwalter jederzeit pfänden und an sich ausbezahlen lassen. Das AG München schließt dies aus dem klaren Wortlaut des § 97 EStG, wo eindeutig nicht von förderfähigen, sondern nur von geförderten Beiträgen gesprochen wird.
Bei den nicht geförderten Beiträgen handelt es sich – wie das AG München hervorhebt - nicht nur um solche Beiträge, die von Anfang als nicht förderfähige Überzahlungen vertraglich vereinbart wurden, sondern auch um sämtliche Beiträge, für die eine Förderung zum Pfändungszeitpunkt tatsächlich noch nicht erfolgt ist.

Förderfähigkeit von Beiträgen steht einer Pfändbarkeit bei Riester nicht entgegen
Weil wegen der Pfändbarkeit im Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften nur auf die tatsächlich geförderten, aber nicht die prinzipiell "förderfähigen" Beiträge und das daraus aufgebaute Vermögen abgestellt wird – ist das gesamte angesparte Riester-Kapital aus Beiträgen, für die noch keine Förderung geleistet wurde, pfändbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Förderung endgültig nicht mehr möglich ist, weil zum Beispiel Antragsfristen versäumt wurden. Vielmehr erfolgt die Pfändung auch insoweit, als Antragsfristen noch nicht abgelaufen sind und die Förderung daher grundsätzlich noch möglich wäre.

Dies gilt beispielsweise auch, wenn im Jahr Beiträge eingezahlt wurden, aber die Förderung noch nicht, sondern erst nach Ablauf des Jahresendes beantragt werden kann. Und auch, wenn die Förderung schon beantragt wurde, aber über den Förderantrag noch nicht entschieden wurde oder die Förderung noch nicht ausgezahlt wurde, ist eine Pfändung möglich. Daher ist es nahezu sicher, dass bei jedem Riester-Vertrag etwas durch Gläubiger und Insolvenzverwalter zu pfänden ist.

Kein Pfändungsschutz in unbegrenzter Höhe
Kein Riestersparer kann sein Vermögen in unbegrenzter Höhe auf beliebig viele Riester-Verträge verteilen, und bei jedem einzelnen Vertrag, wenn er entdeckt wird, jeweils noch eine Pfändung verhindern, indem er auf die gesetzliche Fördermöglichkeit verweist. Der Gesetzgeber hat solchen Missbrauch verhindert, indem er nur die tatsächlich geförderten Beiträge und das daraus angesparte Riesterkapital schützt.

Riester-Vertrag rechtzeitig ganz oder teilweise kündigen
Wenn der Insolvenzverwalter schnell genug arbeitet, erhält er oft das gesamte Riester-Vermögen aus überzahlten Beiträgen selbst für Jahre der Förderung zurück, dazu die Beiträge der Jahre, für die eine Förderung noch nicht beantragt beziehungsweise ausgezahlt wurde, und die Beiträge des laufenden Jahres, für die noch gar kein Förderantrag gestellt werden konnte.
Der Riester-Sparer kann jedoch rechtzeitig den Riester-Vertrag ganz oder teilweise kündigen – soweit er für ihn keine Förderung erhalten hat, muss er dann eine solche natürlich auch nicht zurückzahlen.

Hinsichtlich des Restes muss der Gläubiger abwarten, ob der VN den Vertrag vielleicht irgendwann kündigt, oder sich das übliche ein Drittel Teilkapital bei Rentenbeginn auszahlen lässt. Er kann aber spätestens die Riesterrente pfänden, ggf. (wenn das Gesamteinkommen hoch genug ist) auch komplett. Denn was vorher der Pfändung entgangen ist, kann als Rente gepfändet werden, soweit mit allem anderen Einkommen zusammen die unpfändbaren Beträge – auf Sozialhilfeniveau - überschritten werden.

Ausgleich der Rentenlücke gelingt nicht einmal teilweise
Von zentraler politischer Bedeutung ist, dass das Versorgungsniveau der gesetzlichen Altersrente von 54 Prozent auf rund 43 Prozent des letzten Nettoeinkommens gesenkt wird. Soweit aber Riestervermögen pfändbar ist, kann nicht mal ein insoweit teilweiser Ausgleich der Rentenlücke gelingen. Dies liegt an der gesetzlichen Regelung und auch daran, dass solche Verträge Jahr für Jahr „gepflegt und nachjustiert“ werden müssten, um ungeförderte Beträge auf ein unvermeidliches Minimum zu beschränken.

Arbeitnehmer nicht mehr am Aufschwung angemessen beteiligt
Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass kapitalgedeckte Altersversorgung sicherer und rentabler sei als eine solche nach dem Umlageverfahren. Denn das Problem ist hierbei , dass Rentner und Arbeitnehmer seit etwa dem Jahre 2000 nicht mehr am Aufschwung beziehungsweise den Produktivitätssteigerungen angemessen beteiligt wurden. Rund ein Viertel der Arbeitnehmer ist im Niedriglohnsektor beschäftigt, was ebenfalls zu gesunkenen Beitragseinnahmen führte.
Das Abkoppeln von Arbeitnehmern und Rentnern vom Produktivitätszuwachs betrifft schlicht die Frage nach der zunehmend ungleichen Verteilung, wie jedes Jahr der Armutsbericht offenbart.

Bildquelle: ©Amtsgericht München



Autor(en): Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm

Alle Branche News